Auf dem Weg von meinem Arzt am Charlottenplatz machte ich Halt bei der Kundgebung gegen einen NPD-Aufmarsch in Stuttgart am 30.7.12. Ich traf dort einige Mitglieder von Stolperstein-Initiativen und wir empörten uns, dass nach den Skandalen um die NSU-Morde der letzten Zeit dieser Aufmarsch nicht verboten wurde. Wir liefen dann zusammen in die Kronprinzenstrasse, wo weit weg ein winziges Häufchen Nazis stand, weiträumig abgesperrt von Unmengen Polizei. Ein junges Mädchen auf dem Fahrrad kam vorbei und wunderte sich: „Na das ist ja mal ne krasse Demo: so viel Polizei und so wenig Demonstranten!“ Auf unsrer Seite gab es keine Tomaten, Eier oder ähnliches, trotzdem kam der Spezialwagen der Polizei mit Kamera, um uns alle zu filmen. Gegen 12 Uhr gingen wir dann weiter durch die Calwer Passage Richtung Rotebühlstrasse, wo ich die S-Bahn nach Hause nehmen wollte. Ich war in ein spannendes Gespräch mit einer Frau von einer anderen Stolperstein-Initiative vertieft, als uns plötzlich ein Polizist an der Rotebühlstr. sehr aggressiv anbrüllte: „rein oder raus“ und mich gleichzeitig rechts gegen ein Mäuerchen drückte. Beschäftigt damit, dem Polizisten und dem Mäuerchen auszuweichen, merkte ich zu spät, dass vor uns eine Polizeikette den weiteren Gehweg absperrte. Wir waren eingekesselt, der Aufzug zur S-Bahn unerreichbar. Es gab vorher keinerlei Aufforderung der Polizei, den Platz zu verlassen. Die Polizei schlug völlig willkürlich zu: eine Frau von den Stolpersteinen war außerhalb des Kessels, ihr Sohn im Kessel. Bei uns waren viele Jugendliche Antifas, auf die es die Polizei offensichtlich abgesehen hatte, aber auch viele Jusos und Gewerkschafter. Die Jugendlichen ließen sich die Stimmung nicht verderben und hatten sogar noch Stunden später genug Energie, in der prallen Sonne Bocksprünge zu machen. Ich war mit Abstand die Älteste im Kessel, machte mir aber wegen meiner angeschlagenen Gesundheit zunächst noch keine Sorgen. Von solidarischen Zuschauern wurden wir mit Wasser und Brezeln versorgt. Der NPD-Laster mit der hetzerischen Aufschrift: „Deutschland retten, Einwanderung stoppen“ fuhr geschützt durch die Polizei auf der Theodor-Heuss-Str. vorbei. Nun, dachten wir, könnte es ja nicht mehr lange dauern, bis sie uns laufen ließen, denn wenn die Polizei Montagsdemonstranten auf dem Weg nach Hause eingekesselt hat, war der Spuk nach absehbarer Zeit vorbei. Weit gefehlt, es kam immer mehr Polizei, auch mit Pferden und der Kamera-Wagen war auch wieder dabei. Langsam wurde es für mich hart, es waren mehr als 4 Stunden vergangen, die Sonne brannte und es gab keine Toilette. So war ich erleichtert, als die Polizei begann, Leute einzeln aus dem Kessel zu holen und ich dann auch dabei war. Ich wurde von einer jungen Polizistin unter einer Kette durch an eine Hauswand geführt und musste meinen Ausweis abgeben, alles, was ich in den Taschen hatte, auf den Boden legen und sie tastete mich ab. Da kam plötzlich ein Einsatzleiter dazu und befahl ihr, mit mir aufzuhören, da zuerst ein Minderjähriger abgefertigt werden müsse. Sie protestierte, da sie mit mir fast fertig war. Ich protestierte ebenfalls und erklärte, dass ich krank sei. Es half mir aber nichts, ich musste zurück in den Kessel und da blieb ich dann sehr lange und diese Zeit wurde dann wirklich hart, weil die Sonne sehr brannte und ich es nicht mehr wagte, meinen Regenschirm als Sonnenschutz aufzuspannen, denn Regenschirme, besonders in den Händen älterer Damen, gelten bei der Stuttgarter Polizei bekanntlich als gefährliche Waffen!(Siehe Prozess gegen zwei Frauen, die sich für einen dunkelhäutigen Jungen eingesetzt haben). Dann begann die Prozedur von vorne, eine weitere Verzögerung gab es, weil der Polizei wegen der vielen Festgenommenen die Anzeigenformulare ausgingen. Ich bekam dann eine Nummer auf die Brust, meinen Rucksack und meine Jacke geklebt und wurde, nachdem ich fotografiert worden war, mit anderen Eingekesselten auf die Wasenwache transportiert. Hier dauerte es noch einmal schmerzhaft lange, bis ich auf die Toilette durfte. Als ich aufsprang, um eine andere Frau aus dem Kessel zu umarmen, wurde ich angeraunzt, ich sollte auf der Bank sitzen bleiben. Schließlich wurde ich vernommen und protestierte dagegen, dass es keine Aufforderung gegeben hatte, den Platz zu verlassen. Ohne Reaktion. Es war 17:30 Uhr, als ich die Wasenwache verließ, fünfeinhalb Stunden Freiheitsberaubung wegen eines Schrittes in die falsche Richtung! Aber alle diese Schikanen haben ihr Ziel verfehlt: ich werde weiter gegen die Hetze und die Verbrechen der Nazis demonstrieren.