Ecuador: Die Realität der Politik Correas

Im Jahr 2006, am Ende einer tiefen Krise und der steigenden Macht der Volksbewegung, wurde Raffael Correa auf Grundlage eines fortschrittlichen Programms zum Präsidenten der Republik Ecuador gewählt. Er wurde von unserer Bruderpartei, der Kommunistischen marxistisch-leninistischen Partei Ecuadors und der Demokratischen Volksbewegung (MPD) sowie verschiedenen Volksorganisationen der Massen, die schon jahrelang für einen politischen Wandel kämpfen, unterstützt. Die PCMLE und die MPD haben in der Folgezeit eine entscheidende Rolle dabei gespielt, den Prozess der Ausarbeitung einer neuen Verfassung mit demokratischem, anti-imperialistischen Charakter zum Erfolg zu bringen.

Wie bewerten die revolutionären und fortschrittlichen Kräfte sechs Jahre nach dem Sieg Correas, am Vorabend neuer Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in diesem Land, dessen Handlungen und seine Regierung? Wir wollen hier Antworten darauf geben und beziehen uns auf Tatsachen, die uns ecuadorianische Genossen, die kürzlich in Paris vorbei gekommen sind, berichtet haben.

In Lateinamerika gab es einige Regierungen, die wir als alternativ und fortschrittlich bezeichneten, z.B. Venezuela mit Hugo Chavez, Bolivien mit Morales, Ecuador mit Correa, Chile, Nicaragua…

Diese Regierungen haben drei Alternativen: einmal, dass sie sich unter dem Druck des Imperialismus und der nationalen Bourgeoisie schließlich verkaufen und umdrehen lassen, einmal, dass sie konsequent sind und offen gegenüber dem Druck der Linken und der Volksmassen und ihre Interessen verteidigen, oder dass sie schlicht und einfach reformistische Regierungen werden und verschwinden, wenn sie ihre Arbeit beendet haben.

Unsere ecuadorianischen Genossen analysieren, dass Correa sich schließlich den Interessen des Imperialismus gebeugt hat, um dem Druck der Großbourgeoisie auszuweichen. Sie stützen sich dabei auf die objektiven Tatsachen: die Abhängigkeit des Landes ist gewachsen (die Auslandsschuld ist weiter angestiegen), 51% der Erdölreserven sind mit Hypotheken belastet (vor allem von China und den USA), die Gold- und Kupferreserven sind den transnationalen Gesellschaften überlassen. Correa hatte gesagt, dass das Erdöl sowie die anderen Bodenschätze in der Hand des Landes bleiben müssten. Aber die Minen, die den kleinen ecuadorianischen Gesellschaften, die Tausenden von Menschen Arbeit geben, zur Verfügung gestellt wurden, wurden den transnationalen Gesellschaften überantwortet.

 

Die von der ecuadorianischen Regierung verfolgte Wirtschaftspolitik dient den großen Unternehmen

 

Correa selbst sagt, dass er kein Interesse daran hat, Vorurteile gegen die Reichen zu schüren. Die großen Unternehmen machen mehr Gewinn mit ihm als zuvor und die Banken haben während aller Jahre seiner Regierung die höchsten Gewinne gemacht.

Gegenwärtig gibt es in Ecuador ein Phänomen der erneuten Konzentration des Kapitals; neue Monopole, die Correa nahestehen, vor allem die „Eljuri“-Gruppe (Import von Fahrzeugen und Alkoholika, Fernsehsender, Immobilien etc.), tauchen auf.

Die letzten Monate hat Correa viele in der Verfassung enthaltene progressive Aspekte annulliert; er sagte, dass diese Verfassung den Arbeitern und dem Volk viele Rechte gäbe und dass dies seiner Regierung nicht dienlich sei. So regiert er in der letzten Zeit das Land mit Dekreten, welche die Verfassung verletzen, was in seinem eigenen Lager Spannungen und Meinungsverschiedenheiten hervorruft.

Er hat ein Dekret über die „freiwillige Kündigung von Arbeitern“ erlassen; tatsächlich gibt es bei diesen getarnten Entlassung nichts „Freiwilliges“. Die Arbeiter müssen ein Papier unterzeichnen, wo sie unter dem Druck der Polizei die Aufgabe ihres Arbeitsplatzes unterschreiben. Er verleumdet die Gewerkschaften und gründet eine ihm hörige Arbeiterorganisation. Er versucht, die gewerkschaftliche Organisation der Studenten zu spalten, die für ihr historisches Engagement gegen die neoliberalen Regierungen und deren neoliberale und reaktionäre Politik bekannt ist, und hat eine Parallelorganisation zu der der Arbeiter im öffentlichen Dienst geschaffen.

Im Erziehungswesen erleben wir einen Prozess der Elitenbildung. 158.000 Studenten konnten sich nicht an der Universität einschreiben. Die Studenten müssen nun drei Examen für den Eintritt und eines für den Abschluss absolvieren. Diese Politik wird im Namen der „akademischen Auszeichnung“ betrieben, die in Wirklichkeit eine Verringerung der Budgets der öffentlichen Universitäten kaschiert. Ein Teil derjenigen, die keinen Platz in den öffentlichen Universitäten bekamen, sind an eine private gegangen. Es ist klar, dass diese Politik die Privatisierung der höheren Schulbildung begünstigt.

Das Land wie auch die Stadt wird ärmer. Es ist sich selbst überlassen. Correa sagt: „Man ist arm, wenn man weniger als 2 $ am Tag verdient.“ Da das gegenwärtige Niveau der bäuerlichen Einkommen auf 2,40 $ geschätzt wird, schließt er daraus, dass die Armut weniger geworden ist.

 

Kriminalisierung des sozialen Protests

 

Correa hat sich an die Justiz herangewagt und Richter, die in seinem Sold stehen, ins Amt gehievt, was ihm erlaubt, mit Hilfe der Angst zu regieren. 300 Führer von Gewerkschaften und Volksorganisationen werden derzeit wegen Verletzung der Stabilität der Regierung verfolgt….

Es gibt auch den Fall von 10 Jugendlichen, die eine Versammlung für die Organisierung des Protestmarschs über die Wasserfrage abgehalten haben. Sie wurden wegen Terrorismus angeklagt! … Sie wurden heimlich 10 Tage in Gewahrsam genommen, dann wurden bei ihnen Hausdurchsuchungen vorgenommen. Was die Polizei gefunden hat: eine Zeitung der MPD, eine der Partei Correas und ein Buch über Che Guevara!

 

Ausweitung der Korruption und der Unsicherheit.

 

Correa hat gefordert, dass ein ehemaliger Vizepräsident, der wegen Korruption angeklagt und nach Costa Rica geflohen ist, freigesprochen wird. Seit fünf Jahren gibt es 22 Parlamentsanträge, Minister der Regierung vor Gericht zu stellen: keiner hatte Folgen. Das ist die allgemeine Straflosigkeit…. Es gibt einige anonyme Anzeigen in den Märkten der Bauwirtschaft, aber derjenige, welcher über die Rechtmäßigkeit dieser Operationen wachen soll, ist der persönliche Anwalt Correas. Heutzutage, wo die Repression auf die Aktivisten der Linken einschlägt, gibt es keinen einzigen Repräsentanten der Großbourgeoisie, der im Gefängnis sitzt.

 

Die Politik der PCMLE

 

Angesichts dieser Politik, die sich hinter den positiven Maßnahmen versteckt, die während der ersten Jahre der Regierung getroffen worden sind und einer Propaganda, die trotz der Taten fortfährt, auch auf internationaler Ebene zu täuschen, arbeiten unsere Genossen daran, alle Kräfte, die sich diesen gegen das Volk gerichteten antidemokratischen Maßnahmen widersetzen, in der größtmöglichen Breite zu vereinen. Ein Beispiel für die Umsetzung dieser Politik: die Organisierung eines großen, nationalen Marsches für den Zugang zu Wasser, die Souveränität über und das Recht auf Grund und Boden im Rahmen einer Koordination mehrerer politischer Organisationen und Organisationen des Volks. Dieser Marsch dauerte 14 Tage und hat das Land bis nach Quito durchquert. Correa hat alles in Bewegung gesetzt, um ihn zu verhindern und anzugreifen. Er hatte es insbesondere auf unsere Partei abgesehen. Das Ergebnis war das Gegenteil. Das Engagement war noch größer: 120.000 Personen haben an diesem Marsch teilgenommen und viele, die nicht teilnehmen konnten, haben ihn auf verschiedene Weise unterstützt. Der Marsch endete am 22. März in Quito. Correa war wütend und hat anfangs versucht, ihn kleinzureden, indem er von einem „Marsch der vier Katzen“ sprach. Dann, angesichts der Größe dieses Marsches und seines Echos im ganzen Land, hat er die Organisierung einer Gegendemonstration von 80.000 Personen angekündigt. Das war eine totale Niederlage, denn er konnte nur 40.000 Personen zusammenbringen, darunter viele Beschäftigte von Behörden, die quasi verpflichtet waren, zu kommen.

Anschließend wollte er die Sitzung der Nationalversammlung absagen, um die Führer des Marsches nicht empfangen zu müssen, dann musste er dies aber akzeptieren. Am Ende hat er sogar Subventionen an die Gemeinden, durch die der Marsch geführt hat, ausgeschüttet, was beweist, dass er den Erfolg dieser Initiative anerkennen musste.

Alle diese Tatsachen veranlassen unsere Genossen der PCMLE, zu sagen, dass „wir es heute in Ecuador mit einer rechtspopulistischen Regierung zu tun haben, die eine linke Propaganda macht, aber gegensätzlich handelt. Sie spricht von Demokratie, aber kriminalisiert die soziale Bewegung; sie behauptet, eine antiimperialistische Politik zu machen, während ihre Politik dem Imperialismus dient, usw. Alle Maßnahmen, die sie heute ergreift, sind gegen die Linke und ihre Volksorganisationen gerichtet.“

Deshalb wird die linke Volksfront, in der unsere Genossen mitarbeiten, bei den nächsten Wahlen ihren eigenen Kandidaten und ihre Plattform gegen Correa präsentieren.

 

aus „La Forge“ , Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs, Ausgabe Juni 2012

leicht gekürzt.