Bei seinem Besuch auf Kuba im März hat der Papst, wie die bürgerliche Presse titelte, „leise Kritik“ geübt. „Die marxistische Ideologie entspricht nicht mehr der Realität“, gab er von sich. Das war wohl nicht ex cathedra (als Gotteseingebung) gesprochen, sondern seine eigene Formulierung, räumt er doch damit ein, dass „die marxistische Ideologie“ zumindest früher zeitgemäß war – zu Lebzeiten welchen Papstes war denn das, die haben doch alle den Marxismus gewettert…?
Unserer Meinung nach ist Kuba kein sozialistisches Land, was nicht nur dadurch belegt wird, dass auf Kuba die Arbeiterklasse nicht die politische Macht hat. Das zeigen nicht erst die Entlassungen zahlreicher Arbeiter aus Staatsbetrieben in der letzten Zeit. Sie können nun zusehen, wie sie in Zukunft überleben. Aber Kuba ist ein Land, dass gute antiimperialistische Politik macht, es ist das einzige Land in Amerika, das seit mehr als 50 Jahren eine Politik macht, die von den US-Imperialisten nicht genehmigt ist. In allen anderen Ländern – wir nennen nur Chile, El Salvador, Nicaragua, Guatemala, Argentinien, Brasilien… – wurden Versuche der dortigen Regierung, das Leben für die arme Bevölkerung sozialer zu gestalten, blutig niedergeschlagen, entweder durch eine Militärdiktatur, eine von den USA unterstützte Konterguerilla oder durch direktes militärisches Eingreifen der USA. Bei Kuba wurde das auch versucht, doch die Invasion in der Schweinebucht 1961 scheiterte kläglich. Auch die danach verhängte, nur vorübergehend etwas gelockerte Blockade konnte die Menschen auf Kuba nicht in die Knie zwingen. Unserer Meinung nach ist das vor allem dadurch zu erklären, dass der überwiegende Teil der kubanischen Bevölkerung (noch) hinter seiner Regierung steht. „Ich bin kein Sozialist,“ bekannte ein kubanischer Reiseleiter ganz offen, ohne um seinen privilegierten Beruf fürchten zu müssen, „aber die Castro-Regierung ist die beste Regierung, die Kuba je hatte.“
Und das trotz der Fehler, die die Regierung in der Vergangenheit gemacht und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auch erkannt hat! Viele Fehler wurden seitdem vermieden, doch die derzeitige Entwicklung gibt auch zur Sorge Anlass – ohne die Machtübernahme durch die Arbeiterklasse und eine streng marxistisch-leninistisch orientierte Politik ist das derzeitige Gesellschaftssystem Kubas – für viele Menschen in Mittel- und Südamerika eine Hoffnung – zum Scheitern verurteilt.
Die Lieblinge der Imperialisten und ihrer Medien sind – nicht nur auf Kuba – die sogenannten Dissidenten. Sie sind nur eine kleine Minderheit, aber an ihrem Wohlbefinden lesen die Imperialisten ab, ob es in einem Land „Demokratie“ gibt oder nicht.
Der von den USA verhängten Blockade begegnet Kuba auf vielen Gebieten erfolgreich. Es werden zahlreiche internationale Veranstaltungen durchgeführt, auf dem Gebiet des Sports, der Musik, der Literatur, der Wissenschaften usw. – hier lässt sich auch der Papstbesuch einordnen. Nur: Wir erinnern an eine alte deutsche Volksweisheit: „Wer mit dem Teufel Kirschen isst, muss einen langen Löffel haben.“ Wir gehen davon aus, dass jede(r) unserer Leser(innen) weiß, welche der beiden von uns hier angeführten Gesprächspartner den langen Löffel braucht…
So so, der Marxismus ist also nach Auffassung des Papstes eine Ideologie. Vielleicht weiß er es nicht besser oder von „oben“ kam die falsche Erleuchtung. Wir betrachten den Marxismus jedenfalls nicht als eine Ideologie, sondern als Wissenschaft. Sie wurde von Marx und Engels begründet, die als erste die gesetzmäßige Entwicklung der menschlichen Gesellschaft wissenschaftlich untersuchten – und zwar unter Berücksichtigung aller ihnen damals aus Gegenwart und Vergangenheit bekannten Fakten, umfassend und vollständig bis hin zu Sonderformen wie der „orientalischen Produktionsweise“ und so belanglos erscheinenden Gesetzen wie dem des Verbots des Holzsammelns im Wald.
Der Marxismus ist keine Geisteswissenschaft, sondern eine materialistische, eine exakte Wissenschaft. Es geht ihm nicht darum, die Welt nur anders zu denken, sondern darum, sie anders zu machen. Wie bei jeder anderen materialistisch betriebenen Wissenschaft (z.B. den Naturwissenschaften) ist er gekennzeichnet dadurch, dass er zum einen mit exakten Fachbegriffen arbeitet (die von seinen Gegnern als „Schlagwörter“ diffamiert werden) und dass sich zum anderen seine Untersuchungsergebnisse nachprüfen lassen.
„Glauben heißt Nichtwissen“ ist eine bekannte Formulierung. Glauben ist einfach, Wissen nicht, denn Wissen muss man sich erarbeiten. Der Papst glaubt – zumindest gibt er das vor, bei manchen (?) seiner Äußerungen ist kaum vorstellbar, dass er das selber glaubt.