Nachdem am 23. Februar 2012 die Großen Tarifkommissionen der IG-Metall-Bezirke getagt und über die Forderung ganz im Sinne des Hauptvorstands beschlossen hatten, gab dieser am 24. Februar die Forderungen der Tarifrunde für die rund 3,6 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie bekannt:
* 6,5 Prozent mehr Lohn, bei einem Jahr Laufzeit
* die unbefristete Übernahme der Ausgebildeten
* mehr Mitsprache für Betriebsräte bei der Leiharbeit.
„Das sind drei gleichwertige Forderungen für die IG Metall. Im Zweifel werden wir einen Konflikt um alle drei Themen führen“, tönt Vorsitzender Berthold Huber. Das soll kämpferisch klingen. In der Stuttgarter Zeitung kündigte er für den Fall, dass „die Gegenseite“ sich uneinsichtig zeige, an: „Dann wird es eben scheppern!“
Mit Verlaub – das ist Getöse. Das haben die Gewerkschafter/innen schon so oft gehört. Wenn das ernst sein soll, dann hätte die IG Metall-Führung das auch schon in der soeben abgeschlossenen Stahl-Tarifrunde zeigen können und müssen! Diese stellte mit 7 Prozent sogar eine höhere Forderung!
Wie immer liegt es in Wahrheit an den Mitgliedern und an ihrem Einsatz, wenn es zu Aktionen, zu dem unerlässlichen Streik, zu einer Urabstimmung kommen soll! Einen wirklichen Kampf herbeizuführen, das ist für die kämpferischen Kolleg/innen eine eigene Auseinandersetzung innerhalb und während der Tarifrunde!
Nüchtern betrachtet fallen bei diesem Gesamtpaket sehr kritische Punkte ins Auge:
Die Kolleg/innen wollen mehr!
Hunderttausende Mitglieder wollen nach der Profitorgie 2011, nach all ihren Opfern, mit denen das Kapital sich durch die erste Phase der Finanzkrise retten konnte, deutliche Einkommensverbesserungen. Die Forderungshöhe von 6,5% gibt das nicht richtig wieder!
8-10 Prozent mehr Lohn, Festgeldbeträge für die unteren Entgeltgruppen – so sah die Debatte aus! Uns ist bekannt, dass ganze Verwaltungsstellen, dass etliche Vertrauensleutekörper der IG Metall in Baden Württemberg Mindestbeträge gefordert haben. Es ging schließlich immer noch um Forderungen von 7 – 8 Prozent für alle, mindestens aber 200 Euro.
Ähnliches hatte übrigens auch Arbeit Zukunft (Nummer 1 /2012, Vgl. auch: http://www.arbeit-zukunft.de/index.php?itemid=1756&catid=2 ähnlich:http://www.arbeit-zukunft.de/index.php?itemid=1793&catid=2 )vorgeschlagen: 10 Prozent mehr Entgelt, mindestens 250 Euro! Dieser Vorschlag entspricht der Realität. Er war in der Höhe anspruchsvoll, die Struktur entspricht aber sehr wohl der innergewerkschaftlichen Debatte.
Allerdings gab es weder für 7 -8 Prozent, noch für einen Mindestbetrag eine Mehrheit in den großen Tarifkommissionen. Der Vorstand unterstützte diese Forderungen nicht. Die Große Tarifkommission von Baden Württemberg, die am 23. Februar in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart getagt hatte, schloss sich statt dessen der Vorstandsempfehlung an. Auch der Vorstand hat starke Truppen in den Betriebsräten und unter den Funktionären – vor allem der Großbetriebe. Im gleichen Sinne entschieden dann am selben Tag auch die Tarifkommissionen der anderen Bezirke.
Viele Kolleg/innen üben harte Kritik:
Durch das Verhalten der Gewerkschaftsführung sei die gesamte Forderungsdebatte fast schon ad absurdum geführt worden! Die Forderungsdiskussion sollte gerade erst starten, da wurde – nach der 7-Prozent-Forderung(!) – die Stahltarifrunde mit 3,8 Prozent abgeschlossen. Wie immer, trotz großer Kampfbereitschaft der Basis, die zu mehr bereit war! Sie wurde übergangen.
Warum hier 7 Prozent, woanders aber nur 6,5%? Und dann der „übliche“ Abschluss. Weder wurde mit den Stahlwerkern gemeinsam gekämpft, noch konnte dieser Abschluss Vertrauen an der Basis wecken.
Dann ging der IG-Metallvorstand um Bertold Huber mitten in der noch laufenden Debatte mit seiner Empfehlung von „bis zu 6,5 Prozent“ an die Öffentlichkeit. Sofort erfüllten die öffentlichen Medien ihre Rolle im Spiel, und ehe die Basisdebatte überhaupt richtig in Gang kam, schien eigentlich schon alles klar. Das sei die Forderung der IG-Metall, Basta! Viele Mitglieder sahen nun kaum noch einen Sinn darin, diesen Wert in Frage zu stellen, zumal schon das Endergebnis durch den Wert von 3,8 Prozent im Bereich Stahl vorgezeichnet scheint. Das Verhalten des Vorstands hat Zorn und Kritik an der Basis hervorgerufen. Mit der Faust in der Tasche sagen manche Kollegen: „Dann müssen wir wenigstens für eine 4 Vorm Komma kämpfen!“ Ohne Urabstimmung und Streik geht das aber keineswegs!
Mindestbeträge sind wichtig!
Umso wichtiger ist die Debatte um die Mindestbeträge. Einen Mindestbetrag zumindest für die unteren Entgeltgruppen zu erstreiken, würde diese gegenüber den oberen Entgeltgruppen stärken. Es ist überhaupt keine Selbstverständlichkeit, dass diese Art Forderung innerhalb der Gewerkschaftsbasis populär und beliebt ist. Das widerspricht der ideologischen Offensive des Kapitals, die allenthalben den allerplattesten Egoismus und vor allem die totale Entsolidarisierung gegenüber den sozial Schwachen predigt und – siehe Griechenland, siehe Hartz IV – aggressiv durchzieht!
Natürlich sind deshalb auch alle Vertreter/innen des Kapitals konsequent dagegen und leisten frühzeitig heftigen Widerstand, wenn solche Forderungen auch nur zaghaft aufkommen. Denn die unteren Entgeltgruppen sind regelmäßig die der „wertschöpfenden“ Kolleg/innen, derer, die unmittelbar produzieren, die die Werte und damit den Mehrwert schaffen. Das Kapital ist aus „strukturellen Gründen“ grundsätzlich gegen jede Besserstellung.
Und trotzdem wird diese Forderung von der Gewerkschaftsführung nicht unterstützt! Im Gegenteil: Aus der Gewerkschaftsbürokratie wird immer dagegen eingewendet, dann müsste ja der Prozentschlüssel, mit dem aus der Eck-Entgeltgruppe die anderen Gruppen errechnet werden, verändert werden. Richtig! Das ist eine eigene Auseinandersetzung! Aber das ist dann eben so, dann muss man diesen Kampf gegen die Kapitalvertreter auch führen!
Entsprechend wichtig sind diese Forderungen für alle Menschen, die in Betrieb und Gewerkschaft bewusst den Klassenkampf führen. Wir werden stets solche Forderungen vertreten.
Zu den weiteren Forderungen:
Selbstverständlich unterstützen alle kämpferischen Kolleg/innen die beiden anderen Forderungen nach unbefristeter Übernahme der Ausgebildeten. Hier unterstützen wir insbesondere die Mobilisierung der Jugendlichen in den Betrieben!
Bei der richtigen Forderung nach mehr Mitsprache für Betriebsräte bei der Leiharbeit fällt die Tatsache auf, dass der Vorstand auch diese Forderung eingedampft und verkürzt hat. Wo fällt das Wort vom Equal Pay, und wo bleiben die in der Gewerkschaft erhobenen Forderungen
* nach einem wirksamen Zustimmungsverweigerungsrecht für Betriebsräte gegen Leiharbeit,
* nach Regelungsrechten bezüglich Leiharbeit, insbesondere, was Anlass, Volumen, Dauer, Einsatzbereiche, Übernahme in reguläre Arbeitsverhältnisse betrifft
* nach Ausweitung der Informations- und Mitwirkungsrechte von Betriebsräten beim Einsatz von Werkvertragsbeschäftigten im Betrieb???
Die offizielle Forderung bleibt absichtlich vage und ungenau. Der Vorstand wird hier keine großen Kampf organisieren wollen und nur wenig Energie aufwenden! Und wieder muss die Basis aufpassen, dass das Kapital-Zugeständnisse hier nicht zum „Herunterrechnen“ der Lohnerhöhungen missbraucht werden.
Die Basis stellt zwei weitere wichtige Forderungen, die keineswegs übergangen werden dürfen, aber nur teilweise in der offiziellen Forderung Erwähnung finden: Immerhin ist in der Kommentierung der Forderungen durch den Vorstand von einer einjährigen Laufzeit die Rede. Dass es dabei bleibt, ist nach der Erfahrung der letzten Jahre nicht sicher! Aber es ist eine klare und wichtige Forderung der Basis, für die diese eigens eintreten muss!
Gar keine Erwähnung fand die Forderung, dass es keine Öffnungsklauseln geben darf! Immer wieder werden in den Tarifverträgen Ausnahmen gemacht, die dann in den Betrieben durch die einzelnen Betriebsräte geklärt werden müssen. Je nach den dort herrschenden Kräfteverhältnissen! Das wollen die Kolleg/innen nicht länger hinnehmen!
Kein Mensch kann uns verbieten all unsere weitergehenden Forderungen beizubehalten und per Transparent, Flyer oder auf andere Weise in die kommenden Aktionen zu tragen und für sie zu werben!
Fazit:
Die klassenkämpferischen Gewerkschaftsaktivisten stehen gegen die Gewerkschaftsführung überall in der Minderheitsposition. Das ist das Fazit dieser Debatte. Die klassenkämpferischen Kolleg/innen müssen lernen, die notwendige Macht für ihre Positionen zu erkämpfen! Das ist ihre Aufgabe der nächsten Jahre!
Wie geht es nun weiter?
Die IG Metall gibt selbst bekannt: „Am 6. März 2012 starten die Verhandlungen in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Thüringen und in Niedersachsen. In der Metall- und Elektrobranche verhandeln die Tarifparteien regional, bis sich ein Pilotbezirk herauskristallisiert. Erreichen dort die IG Metall und die Arbeitgeber einen Abschluss, wird er in der Regel in den anderen Bezirken übernommen. Die Tarifverträge laufen am 31. März 2012 aus. Die Friedenspflicht endet am 28. April. Ab dann sind Warnstreiks möglich.“
Das bekannte Szenario! Allein durch diese tarifliche „Schlichtungsordnung“ soll schon möglichst viel Kraft aus der Auseinandersetzung genommen werden! Die bekannte Antwort darauf: Organisieren wir in den Vertrauenskörpern der Betriebe, auf den Funktionärstreffen und -konferenzen, die es jetzt geben wird, den Widerstand dagegen. Betriebliche Aktionen, so früh es geht – und Kreativität, um überall den Druck zu erhöhen! Gesetzliche Möglichkeiten, wie Betriebsversammlungen und Abteilungsversammlungen nutzen! Hier können kämpferische Betriebsräte sehr gut die Tarifrunde unterstützen.
Selbstverständlich unterstützen wir alle Warnstreiks, vor dem 28 April und danach. Drei Tag danach ist der Erste Mai 2012! Mit seinen Demonstrationen muss er auch zur Mobilisierung in dieser Tarifrunde dienen.
Unsrer Forderung nach „Urabstimmung und Streik!“ muss überall den ersten Mai prägen!
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