Der europäische Gipfel vom 8. auf 9. Dezember 2011 hat mit einer Übereinkunft zwischen 26 Staats- und Regierungschefs über einen Vertragstext, der noch nicht existiert, dessen Inhalt und Modalitäten der Ratifizierung noch zu verhandeln sind, und das unter dem Druck der Führung Deutschlands und Frankreichs, die alles im März 2012 unter Dach und Fach haben wollen, die Katze aus dem Sack gelassen.
Das Einzige, was erreicht zu sein scheint: die Regierung Großbritanniens wird nicht unterzeichnen.
Deshalb gab es für Merkel und Sarkozy nichts Dringenderes, als einen Prozess anzustoßen, um zu einem neuen europäischen Vertrag zu kommen, während der sogenannte „Stabilitätspakt“ gerade in Kraft getreten ist.
„Nichts ist klar“ sagte ein Spezialist in Europafragen, und das ist genau das Ziel der Operation. Die Dinge so vage und so unverständlich wie möglich für die hauptsächlich Betroffenen, d.h. Völker, denen dieser Vertrag aufgedrückt werden wird, zu machen.
Das erinnert an den Beginn des Vorgehens beim Europäischen Verfassungsvertrag, der von allen Staats- und Regierungschefs, die überzeugt waren, dass die Ratifizierung durch jedes einzelne Land eine Formalität wäre, verabschiedet wurde. Bis zu dem Augenblick, an dem politische und soziale Kräfte, fortschrittliche Intellektuelle, Experten sich daran machten, den Text zu studieren und ihn zu analysieren, um die Volksmassen vor seiner Gefährlichkeit zu warnen. Diese Arbeit führte zu einer Massenmobilisierung, die den Vertrag 2005 durch ein Referendum in Frankreich und anschließend in den Niederlanden zurückwies.
Diese politische Niederlage, die allen neoliberalen und sozialliberalen Regierungen, einschließlich derer, die es vermieden hatten, den Text einem Referendum zu unterziehen, beigebracht wurde, stellt eine Demarkationslinie dar zwischen dem „Ja“-Lager des Neoliberalismus und seiner sozialliberalen und öko-liberalen Spielart und dem Lager derer, die sich ihm entgegenstellen und es bekämpfen.
Als, insbesondere 2008, das neoliberale Modell seinen Bankrott, seinen parasitären und reaktionären Charakter, der virulent arbeiter- und volksfeindlich ist, offenbarte, hat sich die Opposition gegen dieses Europa der Monopole und Oligarchien noch mehr verstärkt. Als die Staaten den Privatbanken, die in großem Maßstab spekuliert und vergiftete Finanzprodukte verkauft hatten, zu Hilfe eilten und sie sich massiv bei den Finanzmärkten verschuldeten, und wie die Regierungen den Arbeitern und dem Volk die Rechnung präsentierte, war die Retourkutsche allgemein: „Wir zahlen Eure Schulden nicht, wir zahlen Eure Krise nicht“, eine Losung, die bei allen Demonstrationen, von Madrid bis Athen, von London bis Dublin und bis nach Berlin zu hören war.
Von dieser Politik haben ausschließlich die großen Vermögen, die Reichen, die immer reicher werden, denen immer mehr geholfen wird, die immer weniger besteuert werden, profitiert. Und wenn die EU, die Europäische Zentralbank und der IWF sich um die in den größten Schwierigkeiten steckenden europäischen Länder „gekümmert“ haben, dann, um ihnen eine Sparpolitik von nie gekanntem Ausmaß und einer seit Jahrzehnten nicht gewesenen Aggressivität aufzuerlegen. Diese ist nur mit den Strukturanpassungsplänen, die der IWF den Staaten des Südens auferlegt hat, zu vergleichen. Das Europa des Sparens, das ist Sparpolitik im Quadrat, abgestimmt auf die Durchsetzungskraft der Finanzmärkte von „technokratischen“ Regierungen der „nationalen Eintracht“, welche Parteien der extremen Rechten einschließen; Griechenland und Italien sind ein Beispiel dafür.
Der zur Diskussion stehende europäische Vertrag zielt darauf ab, allen unterzeichnenden Ländern die Kriterien der „goldenen Regel“ aufzuzwingen, dieses neoliberalen Dogmas, das aus der drastischen Reduzierung der öffentlichen Defizite bis zu ihrem Verbot und der Erstattung der öffentlichen Schulden, die von den Zinsen aufgebläht worden sind, bis zum letzten Cent, Regeln, die allen Ländern auferlegt werden. Und diese Regeln, das sind die mit zusätzlicher Macht ausgestattete Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof, die damit betraut sein werden, mittels der vorausgehenden Kontrolle der Budgets jedes Landes und von auferlegten finanziellen Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung, diese in Anwendung zu bringen.
Das wünscht sich die deutsche Kanzlerin und nennt es „Wirtschaftsregierung eines immer geeinteren Europas“. Eine Formulierung, welche die Ambitionen des deutschen Imperialismus kaum verhüllt, seine politische und wirtschaftliche Beherrschung der EU zu verstärken, die sie sich vor allem „solide“ wünscht, regiert von starken Institutionen, um diese Politik den Regierungen mit der Tendenz zur „Laschheit“ aufzuzwingen. Das ist die „wahre Revolution“, die der Finanzminister Schäuble „dank dieser Wirtschaftskrise“ vollziehen will, um „den Investoren der ganzen Welt zu zeigen, dass die europäische Währung stabil ist und dass alle Mitgliedsländer entschlossen sind, daraus eine Reservewährung zu machen, stabil und vertrauenswürdig, und das nachhaltig.“ So sprach er in der Zeitung „Le Monde“ von Mitte November. Und dieser Politik hat sich Sarkozy angeschlossen.
Er wird alles tun, damit die Debatte um diesen Vertrag so undurchsichtig wie möglich und dass er ohne Referendum verabschiedet wird. Indem er das Datum der Ratifizierung auf kommenden März fixiert, begeht er einen Machtmissbrauch: weder er noch seine Parlamentsmehrheit haben das Recht, einen Vertrag durchzusetzen, der Folgen hat, die weit über die Präsidentschaftswahlen hinausgehen.
Diese Frage muss Teil des politischen Wahlkampfs sein. Das heißt einerseits, über die Problematik dieses Vertrags aufzuklären, wie wir es beim Verfassungsvertrag gemacht haben. Die Eile, mit der Hollande (Vorsitzender der Sozialistischen Partei PS – d.Übers.) versicherte, er werde das Staatsdefizit so schnell wie möglich reduzieren, seine Bemerkungen über die Notwendigkeit „dem Sparkurs einen Sinn zu geben“, also, ihn zu akzeptieren, müssen uns ermuntern, keine Zeit zu verlieren. Andrerseits müssen wir den Gewaltstreich, der darin besteht, diesen Vertrag im März durchsetzen zu wollen, anprangern.
Endlich muss man dieser Kampagne zur Mobilisierung eine europäische Dimension geben, weil alle Völker betroffen sind.
Aus „La Forge“ – Januar 2012, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF)