Ob Eurobonds, ob Merkels Sparregime: Die Zeche zahlen die arbeitenden Menschen

Einige Zahlen unter vielen in den letzten Wochen! Sie zeigen den Irrwitz des Kapitalismus in der Krise. „Die Zeit“ vom 22.12.2011 kolportiert sie: Die japanische Broker (Aktienhändler)-Firma Nomura schätzt, die Regierungen des Euro-Raumes benötigten allein im Jahr 2012 ca. 1500 Milliarden Euro, also 1,5 Billionen Euro nur dafür, um alte Schulden zu refinanzieren, also fällige Kredite und Staatsanleihen zurückzuzahlen mit „frischem“, auf Kredit geliehenem Geld. Im selben Zeitraum müssten, so Nomura, die Banken des Euro-Raumes sich ebenfalls noch 600 Milliarden Euro leihen, um ihre Geschäfte zu refinanzieren. Zusammen seien das 2,1 Billionen Euro Kreditbedarf allein im Euroraum.

Der reale kapitalistische Wahnsinn!

„Die Zeit“ fragt: „Wer leiht den Europäern so viel Geld, das ist die große Frage dieser Tage.“ Rhetorische  Frage! Eigentlich dürfte niemand den Staaten noch etwas leihen, diese Antwort legt schon die Frage nahe! Die aktuelle Krise besteht gerade in dieser maßlosen Ausweitung des Kreditvolumens! Um nichts anderes handelt es sich. Längst hat die Finanz- und Überproduktionskrise der letzten Jahre auf die entwickelten Staaten übergegriffen, als Staatsschuldenkrise!
In der Realität hängt die Antwort auf die Frage freilich davon ab, ob das Finanzkapital, Banken und Fonds noch darauf vertrauen (Kredit heißt Glauben, Vertrauen!), dass die Staaten der Eurozone ihre Verschuldungsprobleme in den Griff bekommen und das verliehene Geld pünktlich, mit Zins und Zinseszins zurückzahlen. Das Finanzkapital verlangt weltweit hohe, immer höhere Zinsen, und die sind für die in Schulden versinkenden Euro-Staaten wie Griechenland, Portugal, Spanien oder Italien bei gleichzeitig drohender Rezession kaum noch zu stemmen.

Staatsverschuldung: Schaffung von Anlage- und Verwertungsmöglichkeiten fürs Kapital!

Die Regierungen und Finanzmarktakteure Europas sowie der anderen kapitalistischen Mächte müssen ständig alte, fällige Kredite und Staatsanleihen mit immer neuen Krediten ablösen und sogar geliehenes Geld als angebliche „Eigenkapital“-Sicherheit für die nächsten Kredite einsetzen, worauf ja bekanntlich auch der Rettungsschirm ESM beruhen soll.
Darüber hinaus sind die Staatseinnahmen der beteiligten Länder praktisch bereits verpfändet. Diese kommen zum großen Teil aus unseren Steuern! Das Steueraufkommen beruht auf einer funktionierenden, vor allem wachsenden kapitalistischen Wirtschaft, auf Produktion und Verteilung, auf Investitionen und Versorgung mit notwendigen Lebensmitteln, auf all den notwendigen Dienstleistungen. Löhne und entsprechende Einkommenssteuern müssen gezahlt, Güter gekauft und verkauft werden, was Umsatz oder Mehrwertsteuer generiert. Sie beruhen sogar auch darauf, dass in dieser ganz realen Wirtschaftsbasis eingesetztes Kapital Profite abwirft, von denen dann auch der eine oder andere Steuer-Euro in den Staatskassen landet.
Die letzte Bemerkung ist nicht einfach nur eine spöttische Nebenbemerkung, sondern ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die Kapitalbesitzer Milliarden über Milliarden ihrer Profite in neue Profitgeschäfte investieren. Sie werden privat angeeignet und der Allgemeinheit systematisch entzogen! Sie stammen aus der Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft in der so genannten Realwirtschaft.
So sammeln sich wachsende Kapitalmassen! Die Kapitalisten suchen stets nach Möglichkeiten, dieses Kapital profitabel zu investieren. Aber das wird immer schwieriger! Sie bunkern es deshalb bei Banken, die das Geld gegen Zins weiter verleihen, es wird in Fonds gesammelt, die sie ihrerseits profitabel investieren, es wird in Aktien und spekulative Finanzprodukte gesteckt. Gewaltige Kapitalmengen suchen nach „Anlagemöglichkeiten“, fließen in die berüchtigte Finanzspekulation. Damit fließen sie auch in die Staatshaushalte!
Diese werden eben nicht allein aus den Steuern finanziert. Das Staatsbudget besteht zusätzlich zu den Steuereinnahmen zu einem nicht unerheblichen Teil aus am Kapitalmarkt geliehenem Geld. Das ist so gewollt, wird so doch der Staat abhängig von der Geldwirtschaft und zu einer willkommenen Quelle von Profit für die angehäuften Kapitalmassen. Die Staatsgläubiger verdienen an ihren Krediten für den Staat. Das muss nicht immer besonders viel sein. Die BRD zahlt gerade mal 1,9 %, gilt dafür aber (noch) als „sicherer Hafen“ (vgl. Kasten zur Staatsverschuldung der BRD).
Was aber wird mit einem Land wie Italien, dass auf seine Anleihen7-8 % Zinsen zahlen muss und dies zur Zeit kaum planen kann? Antwort, einfach wie brutal: Wenn das Geld zur Zahlung der Zinsen knapp wird, wird an all den bekannten Stellen gekürzt: Bei Bildung, Sozialausgaben, Gesundheit etc. etc., was mit hoher Wahrscheinlichkeit – wie in Griechenland zu studieren – in eine Rezession mit allen bekannten Folgen für die Staatseinnahmen führt. Da wächst unaufhaltsam der Finanzierungs-, also der Kreditbedarf, zusätzlich und mit ihm die Zinsen.
Zinssätze sind entscheidend. Je schlechter es dem Schuldner geht, desto höher die Kredit-Zinsen. Irland, Portugal und Griechenland konnten diese nicht mehr aufbringen und „krochen unter den Europäischen Rettungsschirm“.
Dieser ist freilich auch nur durch Kredite finanziert. Der Europäische Rettungsschirm ist selbst schon fast eine Bank, auf jeden Fall ein Spieler auf den Finanzmärkten, er wird von den Zentralbanken mit Geld versorgt, für das die Steuerzahler der EU bzw. der Eurostaaten bürgen müssen. Dass dieses Kreditrodeo insgesamt nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand.

Keinerlei Solidarität mit Merkels Politik!

Mit ihrem sogenannten Sparkurs, den sie auf dem 15. Eurogipfel am 9. Dezember weitgehend durchdrücken konnte, bedroht Frau Merkel ungerührt ein Land Europas nach dem anderen mit der Rezession: Rigide Sparprogramme , Lohnkürzungen, Entlassungen von Staatsangestellten und in der Privatwirtschaft, Zerstörung von erkämpften sozialen Standards, Rentenkürzungen, die Verschleuderung öffentlichen Eigentums, strenge Regeln und Kontrollen über die Staatshaushalte, die die Souveränität der EU-Staaten verletzen – die Bundesregierung zeigt den anderen Ländern, besonders den in der Krise steckenden Staaten der EU die Faust!
Gleichzeitig ersticken diese Maßnahmen jede Wachstumsaussicht, steigern die Staatseinnahmeausfälle und den Kreditbedarf! Ein Teufelskreis! Die Wirtschaft schrumpft, wo das kapitalistische Lehrbuch doch Wachstum braucht!
Selbst für das zur Zeit wegen seiner brutal zurückgestutzten Lohnstückkosten am stärksten profitierende Deutschland sinken die Wachstumsprognosen für 2012 von Tag zu Tag, es wird mit maximal 1 %, eher weniger gerechnet. Das ist logisch: Kein anderes Land der EU ist so stark exportorientiert und exportabhängig wie Deutschland. Wenn die anderen Wirtschaften schrumpfen, schrumpft auch der deutsche Export!
Auf den Kapitalmärkten ist trotz aller Merkelscher Schönrederei weiterhin Skepsis angesagt. Keinerlei Beruhigung, von der die Propaganda vor dem Euro Gipfel trompetete. Daher dauert der massive Zinsdruck auf die Schuldnerstaaten an, da diese ja „neues Geld“ leihen müssen.
All das ist brutal für die Menschen, die sich mit Massenwiderstand, mit Streiks und Demonstrationen zu wehren suchen. Unvergesslich die Bilder aus Athen, Madrid, Lissabon und jüngst aus allen wichtigen Städten Italiens! Und dieser Widerstand bekommt eine immer deutlichere Facette: berechtigte Wut, ja Hass auf den deutschen Imperialismus!
Hier ist Solidarität angesagt! Aber nicht Solidarität mit Merkel, wie es die sozialdemokratischen Führer, die Grünen  und manche Gewerkschaftsführungen praktizieren. Unsere Solidarität muss den Menschen gelten, die unter der brutalen Krisenpolitik der EU unter Merkel und Sarkozy leiden und um ihre Interessen kämpfen! Das sind die gleichen Interessen, die auch wir verfolgen müssen: Gegen Lohnraub, gegen die Zerstörung unserer erkämpften sozialen Standards, gegen die Rente erst ab 67, gegen Kürzungen, Entlassungen und Stellenstreichungen in allen Bereichen!

Die Krise hat inzwischen gefährliche Ausmaße

Die Situation wurde durch keinen der „Gipfel“ entspannt. Griechenland, Irland, Portugal sind nur die Spitze des Eisberges. Wenn Italien oder Spanien in die Knie gehen, bedeutet das mit ziemlicher Sicherheit eine neue kapitalistische Großkrise mit Bankenzusammenbrüchen und der Zahlungsunfähigkeit von Staaten. Dann erzwingt die kapitalistische Logik Kapitalvernichtung im großen Maßstab.
Für Börsenspekulanten und Fondsmanager bedeutet das: Schnell sein, das eigene Geld auf die „sichere Seite“ bringen, ins Gold, in Immobilien, in angeblich harte Währungen. Schon jetzt steigen deren Preise in Unermessliche. Der Goldpreis schwankt um sein historisches Allzeithoch. In manchen Städten sind „rätselhafterweise“ Immobilien unerschwinglich. Wer da zu spät kommt, den bestraft das Leben (Gorbi). Der kann dann wirklich pleitegehen.
Für die Führer der imperialistischen Mächte heißt das, die Konkurrenten ausschalten oder kurzhalten so gut es geht. Merkel, zur Zeit mit Sarkozy im Schlepptau, zeigt das mit ihrer Politik. Mit der einstweiligen „Ausbootung“ von Cameron auf dem EU-Gipfel am 8.12. wird zugleich auch den USA der Stinkefinger gezeigt!
Im Persischen Golf und Mittleren Osten wächst die Kriegsgefahr mit jedem Tag aufgrund der Pressionen des US-Imperialismus. Auch der imperialistische Krieg ist eine Option zur Kapitalvernichtung!
Für erwerbstätige wie erwerbslose Menschen bedeutet das: drohende Entlassungen, noch mehr Erwerbslose, weitere Angriffe auf Einkommen und alles das, was man zum alltäglichen Leben braucht, auf Gesundheits- und Bildungswesen, auf die Renten! Und: Nationalismus, Schüren von Rassismus, Spaltungsmanöver der Herrschenden, Faschisierung und Militarisierung!
So funktioniert Kapitalismus!

Wie weiter?

Die Spieler am Kapitalmarkt und in den Regierungen der mächtigsten kapitalistischen Staaten sehen für sich heute zwei grundsätzliche Wege aus der Krise. Und sie sind darüber weltweit wie auch in der EU in Lager zerstritten. Hierbei geht es für die mächtigsten imperialistischen Staaten um Macht, Vorherrschaft und Einfluss ringen!

Sparprogramme alla Merkel und Sarkozy?

In Europa wird der eine Weg von der schwarz-gelben Bundesregierung um Angela Merkel repräsentiert: Wie deren Programm tickt, wurde bereits oben charakterisiert. Der deutsche Imperialismus wird hier rücksichtslos und wieder fühlbar! Er ist derzeit die wirtschaftlich stärkste Macht der EU und fordert Unterordnung von den anderen Staaten. Es ist Merkel gelungen, den französischen Imperialismus und Präsident Sarkozy einstweilen auf ihre Seite zu ziehen.
Die Arbeiterklasse und die anderen Werktätigen und Erwerbslosen in Deutschland haben diese Politik früher schon am eigenen Leib zu spüren bekommen: Es war Schröders Agenda 2010 mit den Hartz-Gesetzen, den „Gesundheitsreformen“, der Rente erst ab 67, der Schließung aller Schlupflöcher in eine frühere Verrentung. Kein Land der EU hat heute einen so großen Niedriglohnsektor und so geringe Lohnerhöhungen wie die BRD, kein reiches Land so viele Arme, 1 Million Menschen wurden in die Leiharbeit oder in Hartz IV getrieben. Dieses brutale Programm der Verarmung wollen Merkel und das hinter ihr stehende deutsche Kapital zu eigenem Nutzen auch international durchsetzen.
Für das in Deutschland zusammengeschlossene Kapital wurde so seine derzeitige starke Stellung begründet, durch die zusammengestauchten Lohnstückkosten, die Exporterfolge gegenüber den Konkurrenten! Die griechischen, die spanischen und italienischen Werktätigen, unsere Schwestern und Brüder, sie spüren die Folgen schon am eigenen Leibe!

Eurobonds?

Das Gegenkonzept segelt heute unter der Flagge der von Merkel und Schäuble abgelehnten Eurobonds. Eurobonds sind Anleihen, die die EZB oder die beiden „Rettungsschirme“ ESFS und (ab Sommer 2012) ESM mit stets neu geschöpften Eurogeld aufkaufen sollen, um den europäischen Staaten die Refinanzierung ihrer Schulden zu erleichtern. Sie würden zu einer einigermaßen tragbaren Durchschnittsverzinsung für die EU führen, für Deutschland und einige andere EU-Länder aber zu ungünstigeren Zinssätzen. Die sind deshalb schroff dagegen.
Insbesondere sozialdemokratische und reformistische Parteien wie die Linke vertreten solche Konzepte. So könne wieder Wirtschaftswachstum hervorgelockt werden. Auf dieser Basis könne die Staatsverschuldung wieder zurückgeführt werden – ziemlich sicher eine Illusion!
Auch die USA praktizieren gegenwärtig eine ähnliche Politik. Sie verlangen das auch von der EU, üben zunehmend Druck sogar auf Deutschland in diesem Sinne aus.
Die reale Gefahr einer solchen Politik aber ist die Inflation, die Geldentwertung. Sie verringert praktischerweise die Schulden der Staaten, der Banken und vieler anderer Spieler am Finanzmarkt. Aber sie entwertet andererseits die kleinen Geldvermögen, die zusammen gesparten Notgroschen, die Löhne und die Einkommen der Werktätigen. Sie verteuert die Güter des täglichen Bedarfs. Inflation heißt Enteignung der Werktätigen! Auch sie ist eine reale Gefahr, besonders dann, wenn es trotz aller Schulden nicht zu einem Wirtschaftsaufschwung kommt und Arbeitslosigkeit und Sozialabbau zunehmen. Als bewährte Strategie des Kapitals wird sie heute bereits wieder offen in den Machtzentren diskutiert!
Beiden Wegen ist gemeinsam: Die werktätigen Menschen, die armen und sozial Schwachen, sie zahlen die Rechnung. Die Arbeiterklasse, alle anderen, die von ihrer Arbeit leben müssen, können auf keines dieser Konzepte setzen! Es gibt für sie nur eine Möglichkeit:

  • Sich nie entmutigen lassen! Stets von neuem den Kampf für die eigenen Interessen aufnehmen, solange unsere gemeinsame Kraft noch nicht reicht, den Kapitalismus zu stürzen und zu beseitigen.
  • Trotz bedrohlichem Wahnsinn der „Märkte“: Lassen wir uns nicht davon abbringen, für unsere Interessen zu kämpfen, uns dafür immer besser zu vernetzen und zu organisieren.
  • Den Kampf aufnehmen für die Schaffung einer revolutionären kommunistischen Partei, die ernsthaft und fundiert für den Sturz des Kapitalismus, für die revolutionären Beseitigung der Kapitalherrschaft kämpft und eine neue, historisch fundierte Strategie fürden Aufbau des Sozialismus schafft!

Der kapitalistische Wahnsinn dieser Dauerkrise macht deutlich: So weiter zu machen wie bisher führt in eine Phase der Barbarei unter der Knute des Kapitals.
ft.