Hektisch ging es in den letzten Wochen und Monaten in Europa zu. Ständig neue Treffen der Staats- und Regierungschefs, der EU-Kommission, des Ministerrates, der Europäischen Zentralbank. Am 27.Oktober wurde beim 14. (!!!) Krisengipfel der Euroländer der angebliche „Durchbruch“ gefeiert. Angeblich habe man die Krise, die in Griechenland aufbrach, aber immer mehr Länder der EU bedroht, nun einigermaßen im Griff. Allerdings sind solche „Durchbrüche“ zuvor schon 13mal gefeiert worden.
Wie sieht nun der aktuelle „Durchbruch“ aus?
Maßnahme 1: Mehr „Eigenverantwortung“
Sie nennen es „Eigenverantwortung“. Das klingt schön. In der Realität sind dies Kürzungen im Sozialbereich und „Arbeitsmarktreformen“. Beim Wort „Reform“ zucken viele Menschen bereits zusammen, denn es bedeutet Verschlechterungen. So ist es auch. Wie bereits in Griechenland sollen Löhne gekürzt, Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie andere Lohnzuschläge gekürzt oder ganz gestrichen werden. Alle 17 Euroländer mussten sich verpflichten, eine gesetzliche „Schuldenbremse“ einzuführen. Da in ganz Europa die Reichen praktisch nicht mehr besteuert werden und die internationale Konkurrenz der Staaten ausnutzen können, müssen die Arbeiter, Angestellten und alle anderen diese „Schuldenbremse“ mit Milliarden Euro Einsparungen finanzieren.
Maßnahme 2: Mehr Eigenkapital für die Banken
Nachdem sich die Banken lange offiziell gewehrt hatten, stimmten sie am Ende dieser Maßnahme zu. Sie müssen in ihren Bilanzen bis Juni 2012 eine Eigenkapitalquote von 9 % ausweisen, derzeit liegt diese im Schnitt bei ca. 5%. Es gibt demnach Institute, die noch deutlich schlechter und solche, die besser dastehen. Letztere stehen nicht so unter Druck, währende die schwächeren Kandidaten erstens ihre Schwäche nun offenbaren müssen und zweitens Geld auftreiben müssen, was die Eigentums- und damit Machtverhältnisse in so einer Bank durcheinanderwirbeln kann. Steigen die Konkurrenz oder ganz neue „Spieler“ in solch ein Institut ein? Werden die Eigner mehr Geld nachschießen, sollen neue Eigentümer mit ins Boot geholt werden oder wie? Zuvor muss natürlich geklärt sein, wie das jeweilige Institut nach dem Schuldenschnitt dasteht. Wie dem auch sei – bis Ende 2011 müssen die Banken der Europäischen Bankenaufsicht mitteilen, wie sie das 9-%-Ziel erreichen wollen bzw. ob sie das überhaupt können. Aber: Für diesen Fall gibt es einen extra „Rettungsschirm“ von 100 Milliarden Euro, finanziert letztendlich aus Steuermitteln! Hier hat der Staat lediglich das Interesse des Gesamtkapitals gegen die Interessen einzelner Banken durchgesetzt und nimmt dafür die Steuerbürger einmal mehr in die Pflicht
Was so aussieht, als richte es sich gegen die Banken, nutzt letztendlich dem Finanzkapital. Denn so werden die Kriegskassen gefüllt und man ist im Vergleich zur internationalen Konkurrenz in der Krise stärker.
Maßnahme 3: 50% Schuldenschnitt für Griechenland
Hier wurde getrickst, um einen angeblich hohen Schuldenschnitt zu Lasten der Banken vorzugaukeln. Im Juni wurde ein „Bankenbeitrag“ von 21% auf den aktuellen Marktwert von griechischen Staatsanleihen „freiwillig“ vereinbart (Stuttgarter Zeitung, 28.10.2011, S.2). Laut Wallstreet-online (http://www.wallstreet-online.de/nachricht/3196543-euro-krise-rueckkauf-von-griechenland-anleihen-koennte-20-milliarden-bringen) „liegen die Kurse für griechische Anleihen um bis zu 50 Prozent unter ihrem Nennwert“. Faktisch hätten die Banken nur auf rund 10% der realen Schulden verzichtet. Der jetzige Schuldenschnitt bezieht sich jedoch auf den Nominalwert. Die Banken sollen also von 100% Nominalwert auf 50% verzichten und landen damit bei den 50% Nennwert, den die Anleihen derzeit real an den Börsen haben. Die Banken „verzichten“ also großzügig auf das, was sie an den Börsen sowieso schon verzockt haben! Dafür erhalten sie für den Rest der Schulden jedoch eine üppige Garantie aller Euroländer. Die Banken „verzichten“ also nicht, sondern lassen sich vor der zu erwartenden Totalpleite von den Arbeitern, Angestellten und Werktätigen in ganz Europa retten. Und da viele Banken ihre griechischen Staatsanleihen sowieso bereits auf den an der Börse gehandelten Nennwert abgeschrieben haben, verlieren sie nicht, sondern gewinnen mit dem „Verzicht“.
Verzichten müssen aber wohl Griechenlands Rentner/innen. Denn die griechische Rentenversicherung hat den größten Teil ihrer Rücklagen in griechischen Staatsanleihen angelegt. Ein Schuldenschnitt um 50% wird entweder zur Pleite der Rentenversicherung oder zu Rentenkürzungen von fast 50% führen.
Maßnahme 4: Hebel für den Rettungsschirm
Das hört sich so harmlos an. Tatsächlich steigen damit die Regierungen der Euroländer in das weltweite Spielcasino der Finanzzocker als Garantiegeber ein. Denn sie versichern nun Kredite, um andere Kredite abzusichern, damit wiederum Staatsanleihen (also Kredite) auf dem Markt kommen können. Es werden hochriskante Pakete geschnürt, damit man nicht etwa weniger, sondern mehr Schulden machen kann. Denn mit den „Hebeln“ werden die eh schon nur auf Pump zusammen gekommenen 440 Milliarden Euro „Rettungsschirm“ mit Hilfe weiterer Kredite auf bis zu 1,375 Billionen Euro „gehebelt“. Das nette, unscheinbare Wort Hebel soll die riskante Spekulation verschleiern. Im realen Leben würde jeder Mensch klar sehen, dass etwas nicht stimmt, wenn sich jemand bei einer Bank 1.000 Euro ausleiht, um dann mit diesen 1.000 Euro als „Eigenkapital“ bei einer zweiten Bank 9.000 Euro auszuleihen und dann mit den 10.000 Euro als „Eigenkapital“, die er nun hat, bei einer dritten Bank 90.000 Euro auszuleihen und so auf 100.000 Euro Kapital zu kommen. Das ist hoch riskant und kann nicht gut gehen. Doch wenn die 17 Regierungen der Euroländer dies genau so machen, dann wird das als „Rettung aus der Eurokrise“ oder als „Befreiungsschlag“ gefeiert.
Maßnahme 5: Eine Wirtschaftsdiktatur wird errichtet
Der Tanz auf dem Vulkan wird für das Kapital immer ungemütlicher. Wenn Regierungen im Spielcasino des Finanzkapitals mitzocken, dann wird jede Form von Demokratie, sei es auch ein noch so verkümmerter Parlamentarismus, hinderlich und lästig. Denn dort werden Entscheidungen noch diskutiert, überdacht – und das kostet Zeit. Am Zockertisch des Finanzkapitals geht es jedoch um Sekunden. Deshalb wird nun die bereits begrenzte nationale Souveränität der Euroländer weiter eingeschränkt und eine so genannte Wirtschaftsregierung eingesetzt, die in die Euroländer hinein regieren kann, ohne dass sie einer bürgerlich-demokratischen Kontrolle untersteht.
Der „Durchbruch“, den Merkel so groß bejubelte, ist tatsächlich ein „weiter wie bisher“ in verschärfter Form, ist also sogar noch schlimmer als bisher. Um die Schuldenkrise zu „bewältigen“ werden immer neue Schulden aufgetürmt. Da viele Staaten bereits unter den Lasten der Bankenkrise wanken, wird gehebelt und spekuliert auf Teufel komm raus. Der Zusammenbruch wird „verhindert“, indem man ihn per Kredit verschiebt. Die Risiken werden dadurch aber immer riesiger und der Zusammenbruch, wenn er dann endlich kommt, nur noch katastrophaler.
Es ist kein Wunder, dass die Börsenkurse vor allem von Bankaktien nach Bekanntwerden des „Rettungspaketes“ in die Höhe schossen. Dieses Rettungspaket ist ein Sieg der Spekulanten und Zocker!
Für die Arbeiter, Angestellten, für die Bauern, die Jugend, die Rentner usw. bedeutet dieses „Rettungspaket“ weitere Verelendung und Verarmung. Denn sie müssen die Milliarden für die Spekulanten mit dramatischen Kürzungen in allen Bereichen bezahlen. Dabei sind die derzeitigen Maßnahmen erst der Anfang einer langen Liste von Kürzungen und „Sparmaßnahmen“. Gespart wird niemals bei den Banken. Im Gegenteil: Für die sind Milliarden in scheinbar unbegrenzter Höhe da. Gespart wird immer bei der Masse der Menschen.
Doch dieses Konzept hat eine Schwachstelle: die Menschen! Das Konzept funktioniert nur, solange die Menschen es ertragen und erdulden. Wenn die Menschen aufstehen, sich wehren, wenn sie sich dem unverschämten Treiben des Finanzkapitals und seiner willfährigen Regierungen entgegenstellen, dann wird es für die Herrschenden eng werden. Denn sie tanzen am Rand des Abgrunds und es bedarf nur eines Stoßes, damit sie abstürzen und verschwinden.
dm