Ende September fand in Gelsenkirchen ein Seminar der Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands in Gelsenkirchen zum Thema „Grundlagen einer Kommunistischen Partei und wie können wir diese schaffen?“ statt. Rund 20 Teilnehmer/innen waren anwesend, darunter Genoss/innen der KPD/ML Roter Stern, der DKP und der KPD Roter Morgen.
Am Freitagabend berichtete ein Genosse über seinen Besuch in Tunesien und seine Teilnahme am ersten legalen Parteitag der Kommunistischen Arbeiterpartei Tunesiens. Er berichtete über eine Initiative zur Streichung der tunesischen Staatsschulden, die derzeit in vielen Ländern Europas gestartet werde und forderte auf, diese Kampagne zu unterstützen.
Am Samstag begann dann das eigentliche Seminar. In einem Einführungsreferat verwies ein Genosse der Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands auf die zunehmende Diskrepanz zwischen der Zuspitzung der objektiven Widersprüche in dieser Gesellschaft und dem schmerzlichen Fehlen einer starken, revolutionären Partei hin. Er meinte:
„Wir stehen in der Gefahr, uns lächerlich und vor der Arbeiterklasse und dem Volk völlig unglaubwürdig zu machen. Unser Spielraum wird immer enger. Entweder wir nehmen unsere Verantwortung war oder wir gehen als Lachnummer unter!
Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir lauter Lokführer haben, die sich heftig darum streiten, wer die Lok wohin führen darf. Keiner möchte die Kohlen schippen oder die Fahrkarten kontrollieren. Das ganz besonders blöde allerdings ist, dass wir gar keine Lok haben und die Züge ständig an uns vorbeibrausen. So haben wir bereits viele Gelegenheiten in dieser Gesellschaft verpasst.“
Er ging auf den Niedergang der Arbeiterbewegung ein und sagte dazu:
„Bedeutendste Mängel sind das sehr schwache Klassenbewusstsein und die ebenso schwache Organisierung als Klasse. Als politischer Machtfaktor ist die Arbeiterklasse fast nicht vertreten.
Dafür gibt es hauptsächlich zwei Gründe:
Zum einen ist der Sozialismus durch die Entartung in den osteuropäischen Staaten in Misskredit geraten. Den Menschen fehlt schlicht eine glaubwürdige Alternative zum Kapitalismus. In den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts war der Sozialismus in unserem Land noch die selbstverständliche Alternative zum Kapitalismus, nach der Befreiung vom Faschismus mussten alle Parteien bis hin zur CDU noch heucheln, sie wollten Sozialismus. Davon sind wir meilenweit entfernt. Bis in die fortgeschrittensten Teile der Arbeiterklasse gibt es zahlreiche Zweifel, Unklarheiten und Bedenken gegen den Sozialismus. Der Revisionismus hat hier gründliche Arbeit geleistet und leistet sie auch heute noch weiter, wenn verschiedene Organisationen ständig „neue“ angebliche sozialistische Länder entdecken, wie z.B. bei Gaddafis Lybien, in China, in Nordkorea, in Kuba.“
Weiter verwies er auf die Herrschaft des Opportunismus in den Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung.
Als Aufgaben, die zu erfüllen wären, um eine starke Kommunistische Arbeiterpartei aufzubauen nannte er:
– Gewinnung der Fortgeschrittenen
– Sammlung aller Kommunisten
– Kampf für die Aktionseinheit der Arbeiterklasse und für eine breite Einheit des Volkes
– Orientierung auf die gesellschaftliche Wirklichkeit
– Erarbeitung eines Programmes bzw. grundlegender strategischer Ziele, die Voraussetzung für eine Einheit aller Kommunisten sind.
Er kritisierte scharf, dass viele dieser Voraussetzungen in Deutschland fehlten. Verantwortlich dafür seien die Kommunisten selber, die Marxisten-Leninisten.
Bei dem Punkt „Sammlung aller Kommunisten“ ging er auf den Revisionismus ein.
„Ich möchte an dieser Stelle etwas zu unserer Haltung zum Revisionismus sagen:
Wir kritisieren die Revisionisten nicht, um einen Schuldigen zu haben, sondern um Hindernisse für eine Fortentwicklung der Arbeiterbewegung zu beseitigen. Uns geht es nicht um die Anklage einzelner, auch wenn wir individuelle Verantwortliche wie Chruschtschow kennen und benennen. Entscheidend ist es aus Fehlern, Mängeln, Abweichungen und wie es dazu kommen konnte zu lernen. Entscheidend ist es, die Vorbehalte, die gegen den Sozialismus entstanden sind, durch eine realistische Kritik am Revisionismus zu überwinden und den Menschen, vor allem den Fortgeschrittenen klar zu machen, dass wir aus Fehlern, Mängeln und Abweichungen lernen und Konsequenzen ziehen können.
Wenn wir beispielsweise über die DDR und ihre Entartung reden, so geht es nicht darum, die Menschen, die dort lebten, anzugreifen, wie das die herrschende Klasse macht. Zunächst einmal müssen wir festhalten, dass die DDR das fortgeschrittenste Staatswesen auf deutschem Boden war. Dort wurde z. B. die demokratische Revolution vollendet – im Westen nie. Das konnte man jetzt schmerzlich beim Papstbesuch sehen. In der DDR gab es eine Trennung von Kirche und Staat. Religion war Privatsache. In der BRD waren und sind Kirche und Staat eng verbandelt. Die Kirche erhält Milliarden aus der Staatskasse und ist Bestandteil des Herrschaftssystems und Träger reaktionärster Ideologien. Aber auch im Bildungswesen ist in der BRD die Kleinstaaterei nicht überwunden und die demokratische Forderung nach einer allgemeinen Einheitsschule für alle und kostenlos bis heute nicht erfüllt. Die Liste ließe sich fortsetzen. Die DDR ist auch die ersten Schritte zum Sozialismus gegangen und hat gezeigt, dass es möglich ist, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abzuschaffen.
Das alles verteidigen wir. Und wir verteidigen auch alle die Menschen, die dafür eingetreten sind! Allerdings verurteilen wir gerade deshalb die Revisionisten, die dieses System mit ihren Verdrehungen zerstört haben. Sie haben es bürokratisiert, haben Partei und Volk getrennt, haben die Arbeiterklasse von der Machtausübung verdrängt, haben martkwirtschaftliche Prinzipien wieder eingeführt usw. usf.
Allerdings konnten sie auch bis zuletzt viele Errungenschaften wie den sicheren Arbeitsplatz, die gute Gesundheitsversorgung, die kostenlose und umfangreiche Bildung und Kultur nicht beseitigen. Sie mussten auf das Volk und die Arbeiterklasse Rücksicht nehmen, um ihre Macht nicht zu verlieren. An diese Errungenschaften erinnern sich noch Millionen Menschen und verbinden das mit dem Sozialismus. Das ist gut so! Denn tatsächlich handelt es sich um Errungenschaften aus der Zeit des Sozialismus und nur der Sozialismus kann solche Verhältnisse wieder herstellen.
Auch aktuell bekämpfen wir den Revisionismus nicht, weil wir einen Feind brauchen. Den haben wir schon: das Kapital! Wir bekämpfen die Revisionisten, weil sie den Klassenkampf behindern z.B. mit der Theorie der antimonopolistischen Demokratie, mit ihrer Politik des Anhängens an die Gewerkschaftsführer, an die linke Sozialdemokratie. Unser Feind ist und bleibt das Kapital. Opportunismus, Revisionismus und linkes Sektierertum bekämpfen wir nur insoweit, wie sie diesem Kampf im Wege stehen.
Wir berücksichtigen auch, dass in den verschiedenen opportunistischen und revisionistischen Organisationen auch aufgrund unserer eigenen Schwäche und der großen Verwirrung viele Genoss/innen sind, die es ernst meinen und gegen das Kapital kämpfen wollen. Mit diesen Menschen suchen wir die Einheit und die kameradschaftliche, solidarische Auseinandersetzung und Einigung durch Überzeugung.“
Eine lebhafte Diskussion schloss sich an, in der viele Teilnehmer verlangten, sich ernsthaft daran zu machen, die Voraussetzungen für eine starke Kommunistische Partei und eine Einheit aller Kommunisten in ihr zu schaffen.
In einem weiteren Teil ging ein Genosse auf die Veränderungen in der Arbeiterklasse und die Notwendigkeit der Verankerung in ihr ein. Darauf folgte ein Teil, in dem auf die Voraussetzungen zur Schaffung einer Kommunistischen Arbeiterpartei eingegangen wurden. Zu diesen beiden Teilen wurden Arbeitspapiere verteilt, die langfristig eine intensivere Diskussion und Austausch ermöglichen sollen. Zu beiden Punkten gab es eine lebhafte Diskussion, die bis Sonntagmittag dauerte. Dabei bestand Einigkeit, dass es über den Teilnehmerkreis hinaus viele Kommunisten und Revolutionäre in verschiedenen Organisationen und als Einzelpersonen gebe, die angesprochen werden müssten, denen man die Hand reichen müsse. Daher soll ein weiteres Treffen zu diesem Thema wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration im Januar 2012 in Berlin stattfinden. Am Ende des Seminars vereinbarten die KPD/ML roter Stern und die Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands sich gegenseitig schriftlich zukommen lassen, was sie eint und was sie noch trennt, um dann darüber zureden, wie sie das Trennende überwinden und zu einer Einheit kommen können
Mit viel Beifall ging das Seminar zu Ende. Ein Genosse der Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands bedankte sich bei allen, die bei der Organisierung und Durchführung des Seminars mitgeholfen hatten sowie bei allen Teilnehmer/innen, die mit ihrer aktiven und lebhaften Teilnahme zum Erfolg des Seminars beigetragen haben.