Korrespondenz: Am 30.06. hat der Bundestag die Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke abermals verlängert. Erst bis zum Jahr 2022 soll der letzte Reaktor stillgelegt werden. Auch die Grünen haben dieser Laufzeitverlängerung auf einem Sonderparteitag einige Tage zuvor zugestimmt. Wieder wird es in der Diskussion mit Anhängern der Grünen jene geben, die diesen Beschluss als Erfolg der Grünen auslegen werden. Für all diejenigen sei das aktuelle Buch von Jutta Ditfurth empfohlen.
„Verrat ist eine Kunst, die die Grünen meisterlich beherrschen. Widerstand zu spalten und zu schwächen, können sie wie keine zweite Partei im Land. Das haben sie schließlich von der Pieke auf gelernt.“
Jutta Ditfurth, S.134
Der Titel des Buches, „Krieg, Atom, Armut. Was sie reden, was sie tun: Die Grünen“, nimmt vorweg was Jutta Dithfurth mit diesem Buch erreichen möchte. 30 Jahre nach der Gründung dieser Partei analysiert sie schonungslos den Zustand einer Partei, die anfangs anti-kapitalistische Töne anschlug und die seit langem völlig verkommen als staatstragende Partei für das Kapital agiert. Mit der Losung „ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei“ ist diese Partei einst angetreten und warb als grundlegende Alternative zu den bürgerlichen Parteien für sich. Jutta Ditfurth weist detailliert nach, wie sich die Grünen im Laufe der Zeit gewandelt haben und sich zu einer Partei entwickelt haben, die nachweislich Kriegspolitik betreibt, Angriffskriegen und Rüstungsexporten zustimmt, den massivsten Sozialabbau in der Geschichte der Bundesrepublik erheblich mit zu verantworten hat und zur Verlängerung der AKW-Laufzeiten immer wieder beigetragen hat. Letzteres ist besonders bitter für diejenigen, die noch heute den Grünen wenigstens als ökologischer Alternative „auf den Leim gehen“. Denn Ditfurth weist nach, dass die Grünen bis heute kein einziges Atomkraftwerk stillgelegt haben, sondern im Gegenteil, immer wieder Laufzeitverlängerungen unterstützt haben, und besonders in Zeiten, in denen sie Regierungsverantwortung in Bund und Ländern übernommen haben, für den reibungslosen Betrieb der AKW’s gesorgt haben! In vielen weiteren Bereichen sind die guten Vorsätze, Visionen und Versprechungen, die von der grünen Partei immer wieder gemacht wurden, nie eingelöst worden, ja viel schlimmer, in der politischen Praxis agierten die Grünen, oftmals zusammen mit der SPD, immer mehr für die Interessen des Kapitals oder wie es Jutta Ditfurth mit den Worten von Friedrich Engels umschreibt, „als ideeller Gesamtkapitalist“. Bis heute versteht es vornehmlich die Parteispitze ihre reaktionäre Politik mit schönen Worten zu umschreiben. Besonders düster fällt die Bilanz aus, als die Grünen auf Bundesebene sieben Jahre lang von 1999 bis zum Jahr ihrer Abwahl 2005, zusammen mit der SPD Regierungsverantwortung übernahmen. Die großen Hoffnungen wurden gleich zu Beginn der Koalition enttäuscht, als sich grüne Spitzenpolitiker für den ersten Angriffskrieg nach dem 2. Weltkrieg einsetzten. Ditfurth behandelt den Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien und die unterstützende Rolle der Grünen. Insbesondere geht sie dabei auf Kriegstreiber wie Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit und ihre Argumente für eine Kriegsbeteiligung Deutschlands ein. In diesem Zusammenhang versucht sie auch auf die Entstehungsgeschichte dieses Krieges kurz einzugehen. Diese Darstellung fällt dann trotz der berechtigten Anklage gegen den Krieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien sehr parteilich für das Milosevic-Regime aus. Über die Jahrzehntelange Unterdrückung der Albaner in Kosova schon unter Tito verliert sie dabei kein Wort. Überhaupt zeigt das Buch, trotz seines berechtigten Anliegens die Politik der Grünen zu entlarven und aufzudecken, einige Schwächen auf. Besonders wenn es um den Entartungsprozess dieser Partei, um die Gründe hierfür geht, kann die Analyse der Autorin keine befriedigenden Antworten liefern. Auch einige biographische Einschübe von der Autorin zeugen, wie schon bei früheren Veröffentlichungen, von dem Versuch die eigene Rolle aufzupolieren. Zwar wird eine ganze Reihe von Gründen aufgeführt, die zur Entartung führten. So wird erwähnt, dass von Anfang an konträre Ansichten und Meinungen durch verschiedene Personen und Gruppen wirkten, sich linke, konservative bis rechte Kräfte in der Partei einfanden. Des weiteren erwähnt sie das Karrieredenken, den Verrat von Ansichten und Positionen für politische Ämter und Posten. Alles in allem, so das Credo, sei die Geschichte der Grünen jedoch eine bestimmte Zeit ziemlich progressiv gewesen. Erst mit dem Austritt der Autorin im Jahr 1991, die von 1984 bis 1989 selbst in der Führung der Partei war, so der Eindruck, der im Buch immer wieder gefördert wird, war es damit endgültig vorbei. Schon zuvor hatten nämlich die Spontis unter Führung von Joschka Fischer die Partei usurpiert und auf einen „realpolitischen“ Kurs gebracht. Zwar werden auch Mittel und Methoden genannt, die von der herrschenden Klasse als Druck- und Manipulationsmittel eingesetzt wurden, um diese Partei für eine nützliche Rolle auf Kurs zu bringen, doch es fehlt dennoch an grundsätzlicheren Untersuchungen. Auf welche gesellschaftlichen Kräfte beispielsweise stützten sich die Grünen von Anfang, welche Rolle spielten sie? Welche Illusionen wurden dabei auch von den sogenannten linken Kräften innerhalb dieser Partei verbreitet und welche Lehren haben die Aussteiger dieser Partei dabei gewonnen? Haben die sogenannten linken Kräfte nicht von Anfang an marxistische Positionen geopfert oder aufgegeben? Sicherlich ein schwieriges, unbequemes und komplexes Unterfangen, jedoch ungeheuer wichtig, auch für die zukünftige Entwicklung der Arbeiterbewegung in Deutschland! Wichtig auch für die Anhänger der Linkspartei, deren Parteientwicklung in mancher Hinsicht Parallelen zu den Grünen aufzeigt .Die Autorin teilt in diesem Buch auch berechtigte Seitenhiebe auf die PDS/ Linkspartei aus. Nebenbei sei gesagt, ging die Bundestagsfraktion der Linkspartei in einer Vorstellung von Ditfurths Buch in ihrer Zeitung „Clara“ mit keinem Wort auf diese Seitenhiebe ein. Ein weiterer Kritikpunkt ist die chronologische Unordnung dieses Buches, die besonders jüngeren Lesern, die nicht die Anfangsjahre der Grünen selbst erleben konnten, Schwierigkeiten bereiten könnte. Zwar ist das Buch thematisch geordnet, bei den zeitlichen Ereignissen jedoch sehr unzusammenhängend geschrieben. Trotz der Schwächen ist dieses Buch mit seinen scharfen Kritikpunkten an den Grünen ein wichtiger Beitrag. Stellenweise sind Ausführungen mit amüsanten Schilderungen bereichert, der Stil trotz aller Polemik nicht unverschämt oder beleidigend. Viele Beurteilungen möchten auf bestimmte Menschen hart wirken, angemessen und gerechtfertigt fallen diese jedoch aus, wenn man sich über das Ausmaß der Politik und ihrer Folgen, die gegen die Arbeiterklasse und gegen die Völker gerichtet ist, auseinandersetzt! Für solch eine verkommene Partei, die Hoffnungen von hundert Tausenden von Menschen enttäuscht hat und sich zu einer unsozialen, unökologischen und Kriegspartei etablierte und sich derzeit noch an guten Umfragewerten erfreuen kann, darf es keine schonenden Erklärungsversuche mehr geben. Bleibt zu hoffen, dass dieser wichtige Beitrag mit all seinen Fakten von möglichst vielen Menschen ernsthaft gelesen und zur Kenntnis genommen wird, die Bündnis 90/ Die Grünen immer noch als kleineres Übel ansehen!
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Jutta Ditfurth, »Krieg, Atom, Armut. Was sie reden, was sie tun: Die Grünen«
Rotbuch-Verlag, 2012, ISBN 978-3-86789-125-7, 288 Seiten, Preis 14,95 €