Profit privat – die Kosten trägt die Gesellschaft

Schon Karl Marx arbeitete scharf heraus, dass die kapitalistische Gesellschaft an dem Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichem Charakter der Produktion und der Produktivkräfte auf der einen Seite und der privaten Aneignung des Kapitals und der Profite auf der anderen Seite krankt. In den über 150 Jahren, die seither vergangen sind, hat sich dieser Widerspruch nicht gemildert, sondern er ist nur noch schärfer geworden.

 

Gesellschaftliche Produktion

 Deep-Water-Horizon: Die Gesellschaft zahlt die Schäden, CC-LizenzOhne die gesamte Gesellschaft und ihre Unterstützung ist heute gar keine ernsthafte Großproduktion mehr möglich. Nehmen wir das aktuelle Beispiel der Atomkraftwerke. Die gesamte Forschung, die nötig war, um überhaupt jemals AKWs zu bauen, wurde von der Gesellschaft finanziert. Privates Kapital hätte niemals Grundlagenforschung in diesem Umfang finanziert, da ja anfänglich überhaupt nicht sicher war, ob und wie diese Erkenntnisse angewendet werden können. Mit dem Zeitpunkt, wo die Gesellschaft so viel Wissen angehäuft hatte, dass man damit etwas produktiv anfangen konnte, wurde dieses Wissen in den Dienst des privaten Kapitals gestellt. Millionen und Milliarden waren notwendig, damit überhaupt das erste AKW entstehen konnte. Doch dieses erste AKW und alle folgenden waren kapitalistisches Privateigentum. Die Gesellschaft hatte da ihre Schuldigkeit getan und von nun an verbat sich die Atomindustrie jede Einmischung. Sicherheitsauflagen wurden nicht nach dem Notwendigen, sondern nach dem „Machbaren“ bestimmt. D. h. was im Rahmen der Profitwirtschaft „machbar“, also finanzierbar war, das wurde als „Sicherheitsstandard“ definiert. So kommt es, dass AKWs nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert sind. Das wäre für den Profit zu teuer und damit schädlich gewesen. Die gesamte Produktion von Atomstrom hat eine Dimension erreicht, dass man zurecht von gesellschaftlicher Produktion reden kann. Doch die Gesellschaft, die all dies ermöglicht hat, die von den Folgen dieser Produktion betroffen ist, steht außen vor. Die Grenze ist das heilige Privateigentum.

So kommt es, dass in Deutschland die Atomstromproduzenten munter drauf los verdienen können, am Ende aber den Atommüll in die Obhut des Staates geben. Denn die Entsorgung dieser giftigen, über Jahrtausende gefährlichen Stoffe, kann nicht vom Privatkapital gewährleistet werden. Da muss die Gesellschaft ran und bezahlen. Laut Wikipedia, tragen die Atomstromproduzenten bis zum Ende der Einlagerung rund 900.000 Euro zur Entsorgung des Atommülls bei, während die Gesellschaft bis dahin rund 10 Milliarden Euro Kosten zu tragen hat. Damit ist die Endlagerung noch nicht finanziert, sondern nur die vorläufige Einlagerung! Die Atomstromkonzerne sind an der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE) beteiligt. Die Entsorgung ihres eigenen Mülls beschert so den vier großen Energiekonzernen durch die Beteiligung an dieser Gesellschaft aufgrund einer einseitigen Vertragslage eine hohe Rendite zu Lasten der Steuerzahler.

Bei einer Katastrophe wie in Harrisburg (USA), Tschernobyl (Ukraine) oder derzeit in Fukushima (Japan) sind AKWS weltweit, aber auch deutsche AKWs nur minimal oder gar nicht versichert. Dietmar Pfeifer, Versicherungsmathematiker an der Uni Oldenburg meinte: „Atomkraftwerke lassen sich nicht gegen Unfälle versichern.“ Bei einem Atomunfall müsse der Staat für den größten Teil der Schäden aufkommen. Würden AKWs nach der tatsächlichen Gefährdung versichert, so würde der Preis für ein KW Atomstrom bei 15 bis 20 Euro liegen. Er wäre damit 50mal so hoch wie derzeit.

Also auch hier private Aneignung bei gesellschaftlicher Produktion, insofern als die Gesellschaft für die Konsequenzen also die Schäden der Produktion haftbar gemacht wird. In den USA zahlt der Staat jedes Jahr rund 2 Milliarden Dollar an private Konzerne für die Dekontaminierung der Hanford Site. Hier wurde Plutonium für Atomwaffen produziert. 1948 trat hier eine radioaktive Wolke aus, die 250mal so viel radioaktives Material enthielt, wie bei dem GAU in Harrisburg frei wurde. Die Entsorgung dauert bis über 2050 hinaus. Dabei muss für viele hunderttausende Kubikmeter eine sichere Entsorgung gefunden werden, die es bis heute nicht gibt. Denn Plutonium hat eine Halbwertszeit von 24.100 Jahren. Erst nach rund 241.000 Jahren (!) ist das frei gesetzte Plutonium zu 99,9% zerfallen. Das bedeutet, dass diese Abfälle auch rund 241.000 Jahre bewacht und ständig kontrolliert werden müssen.

Jede kapitalistische Firma würde an einer solchen Last zugrunde gehen. Wer trägt diese last also: die Gesellschaft.

Doch wenn eine Katastrophe wie z.B. in Fukushima passiert, dann darf die Gesellschaft zwar die ungeheuren Schäden tragen, doch sie darf nicht bei der Bewältigung des Unglücks mitreden, denn bei der Atomfabrik handelt es sich um Privateigentum. In Fukushima entscheidet allein Tepco als Privatbesitzer, was und wie dort repariert, aufgeräumt und entsorgt wird. Von Anfang an war klar, dass diese Katastrophe ungeheure Dimensionen hat und niemals von einer kapitalistischen Firma bewältigt werden kann. Die Gesellschaft hätte sofort das Kommando übernehmen und die Arbeiten zum Nutzen aller durchführen müssen. Doch Tepco konnte aus Profitinteressen das Ausmaß der Katastrophe verschleiern, notwendige, aber teure Maßnahmen hinauszögern usw. Zwar gab es öffentlichen Druck, aber das Privateigentum an dem Atomschrott wurde niemals angetastet.

In ähnlicher Weise lief es bei der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, als die Ölbohrplattform Deepwater Horizon explodierte. Ein 10.000 qm großes Gebiet im Golf von Mexiko wurde verseucht. Zigtausende freiwillige Helfer säuberten die Strände, retteten Öl-verklebte Vögel. Für eine Katastrophe eines solchen Ausmaßes musste die Gesellschaft ran. Doch die ruinierte Ölplattform und die Ölbohrungen blieben Privatbesitz und allein BP und seine Bohrgesellschaft Transocean entschieden über die Maßnahmen – nach ihren Profitinteressen. Die Gesellschaft bleibt auf ihren Schäden sitzen. BP beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei mit der „Entschädigung“ von Fischern usw. Der Rechtsanwalt erhält von BP jeden Monat 1,25 Millionen Dollar Entlohnung. Dafür hat er rund 250.000 Entschädigungsanträge abgewiesen, indem er von den Fischern Belege verlangten, die sie gar nicht hatten und nicht beibringen konnten. Er wusste das, es war ja Absicht, um BP vor Entschädigungsforderungen zu schützen. Nur 168.000 Antragsteller bekamen im Durchschnitt weniger als 20.000 Euro, obwohl bei vielen durch die Katastrophe die Existenz ruiniert ist. Während BP selber bisher nur 3,3 Milliarden Dollar an Entschädigungen ausgezahlt hat, fordert es selbst nun von Transocean 40 Milliarden Dollar Entschädigung. Die weitere Beseitigung der Schäden in der Natur und bei den Menschen bleibt der Gesellschaft überlassen. Und damit die Profitmaschine weiterhin wie geschmiert läuft, liegt dem US-Abgeordnetenhaus ein Gesetzentwurf vor, nachdem Bohrgenehmigungen innerhalb von 60 Tagen gewährt werden müssen. Damit kann die Gesellschaft noch weniger prüfen und Einfluss nehmen. Der Profit ist weiterhin privat und geschützt; die Schäden trägt die Gesellschaft.

Der gesellschaftliche Charakter der Produktion zeigt sich in vielen Aspekten und wird vom Kapital immer mehr auf die Spitze getrieben. So haben die großen Industriekonzerne ihre Lagerhaltung auf ein Minimum reduziert und eine äußerst profitable Just-in-time-Produktion eingeführt. LKWs und Autobahnen sind zu den Lagerhallen der Großkonzerne geworden. Der Profit wird dadurch gesteigert, die Kosten gesenkt. Die Gesellschaft trägt die Kosten in vielfacher Hinsicht. Verstopfte Straßen und wachsende Staus führen jährlich zu Milliardenschäden. Die Umweltverschmutzung steigt rasant an, Gesundheitsschäden dadurch nehmen zu. Unfälle mit Toten und Verletzten trägt die Gesellschaft über die Krankenversicherungen. Mit hohen Kosten müssen neue Straßen gebaut oder alte ausgebaut werden, um dem steigenden Verkehr Herr zu werden. Die gesamte Infrastruktur wird dem Kapital von der Gesellschaft finanziert und zur Verfügung gestellt. Für alles kommt die Gesellschaft auf. Aber das Privateigentum bleibt unantastbar und der Profit wird privat angeeignet.

 

Die Gesellschaft ist überreif – für den Sozialismus

Die Produktivkräfte haben sich derart rasant entwickelt und sind in immer stärkerem Maße zu gesellschaftlichen Kräften geworden. Sie wurden von der Gesellschaft geschaffen, sie sind nur durch die Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Ohne die Gesellschaft würde dieses ganze System sofort zusammenkrachen. Doch durch den privaten Besitz dieser riesigen Kräfte und Mittel, durch die private Aneignung des gesellschaftlich erzeugten Reichtums richten sich diese gesellschaftlichen Produktivkräfte immer öfter wie u.a. bei Deepwater Horizon oder in Fukushima unmittelbar gegen die Gesellschaft, ja sie gefährden sogar die Existenz der Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, dass diese ungeheuren Kräfte und Machtmittel den Händen einzelner Profiteure entrissen und in den Dienst der gesamten Gesellschaft gestellt werden. Der Kapitalismus muss beseitigt und durch eine sozialistische Gesellschaft mit gesellschaftlicher Produktion, Planung und Verantwortung ersetzt werden.

Dabei ist völlig klar, dass wir mit Sozialismus nicht das verrottete, entartete System der UdSSR zu Zeiten von Tschernobyl meinen. Da waren die sozialistischen Grundlagen bereits beseitigt und nur noch Überreste und alte Formen vorhanden. Hinter den Kulissen galten bereits andere Regeln und herrschte eine neue Klasse wie Besitzer der gesellschaftlichen Produktivkräfte.

Wir meinen eine Gesellschaft, die aus den Fehlern und Mängeln des ersten Anlaufs zum Sozialismus lernt. Wir meinen eine Gesellschaft, in der die Arbeiterklasse und das Volk die Macht haben und diese in ihrem Interesse führen. In einer solchen Gesellschaft können die riesigen modernen Produktivkräfte genutzt werden, um möglichst rasch erneuerbare Energiequellen zu erschließen. Denn wenn die Gesellschaft rechnet, dann rechnet sie z. B. auch die Kosten der Entsorgung des Atommülls ein. Und dann lohnt sich kein AKW mehr. Wenn die Gesellschaft rechnet, dann rechnet sie auch die Umweltschäden, die Schäden an der Gesundheit und hohen Investitionen für den zunehmenden Individualverkehr. Mit den heutigen modernen Produktivkräften ließe sich ein kostengünstiger Massenverkehr und entsprechende Systeme entwickeln, die dem derzeitigen Verkehrswesen um ein Vielfaches überlegen wären. In vielen Bereichen könnte eine gesellschaftliche Produktion und Aneignung dazu führen, dass die immensen Schäden, die der Kapitalismus als Erbe hinterlassen wird, allmählich beseitigt werden und eine neue, lebenswertere Zukunft für uns und unsere Kinder und Enkelkinder geschaffen wird.

dm