US-Grausamkeiten im Irak

Am 28. April zeigte das
US-Fernsehmagazin „60 Minutes“ schockierende Bilder von Folterungen
durch US-Soldaten im Irak. Die Bilder der gedemütigten, erniedrigten und
missbrauchten Iraker des Gefängnisses Abu Ghureib wird wohl niemand vergessen.
US-Präsident George W. Bush erklärte sogleich: „Diese Behandlung
entspricht nicht dem amerikanischem Wesen“. Da stimmen wir natürlich gerne
zu, denn solch eine „Behandlung“ entspricht nicht dem menschlichen
Wesen überhaupt. Bush legt damit seine Verteidigung fest, ganz im Sinne seiner
Logik, dass er und die USA nun mal das Gute schlechthin in der Welt darstellen
und es sich also demnach nur um schwere moralische Verfehlungen einzelner
Soldaten handeln kann. Dass es in Kriegen und extremen Ausnahmesituationen
immer wieder zu sadistischen Ausfällen und sexuellem Missbrauch kam, ist
bekannt, doch damit wäre die Erklärung so einfach wie falsch.

Diese Tage wartet Lynndie
England in einer Baracke in den USA auf ihren Prozess. Besondere Bekanntheit
erlangte die kleine schmächtige Frau, durch ihr grinsendes, überhebliches
Posieren auf den veröffentlichten Folterbildern, wie sie mal auf die Blöße der
Gefangenen zeigt oder einen am Boden liegenden Iraker an der Hundeleine
demütigt. Die junge Mrs. England versteht die Welt nicht mehr, noch hat sie die
Welt je verstanden, aber sie begreift, dass es „ihr größter Fehler war, in
die Armee zu gehen“. Sie stammt aus einer ländlichen perspektivlosen
Region der USA und hat, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, sich in der
Nationalgarde verpflichtet. Eine typische Biographie, rekrutiert sich doch die
große Mehrheit der US-Soldaten im Irak aus sehr armen Bevölkerungsschichten, so
gibt es auch Tausende Lateinamerikaner, die sich so erhoffen eine
US-Staatsbürgerschaft zu verdienen. Mrs. England erklärt, dass sie nur auf
Befehl gehandelt habe, so wie auch die anderen angeklagten Soldaten. Bedenkt
man ihre dürftige Schulbildung, so ist davon auszugehen, dass sie über den
Irak, die arabische Kultur und den moslemischen Glauben nicht sehr viel gewusst
haben durfte. Gleiches gilt auch für die Mitangeklagten. Mrs. England wird
daher nur geahnt haben, welche besondere Erniedrigung es für die moslemischen
Iraker gewesen sein muss, von der rangniedrigsten Frau so vorgeführt zu werden.
Das System von Demütigungen, der Zwang zu sexuellen Handlungen oder der Einsatz
von für Moslems unreinen Hunden, konnte nicht in der Langeweile der schlichten
US-Soldaten erdacht worden sein, sondern beruhte auf genauen Kenntnissen der
arabischen Kultur. Das System diente der Verhörvorbereitung. Der Mitangeklagte
Ivan Frederick erklärte so auch, dass „unsere verschiedenen Arten, ihren
Willen zu brechen, ziemlich erfolgreich“ waren. „Normalerweise gaben
sie schon nach Stunden auf“. Die Verhöre selbst wurden dann von ranghohen
und gut ausgebildeten Militärpolizisten durchgeführt, aber vor allem von
Geheimdienstagenten und privaten Ermittlern. Es ist leicht vorzustellen, dass
aus Angst ihre Familien könnten die gemachten Fotos je sehen, die Geheimdienste
ein leichteres Spiel mit den Irakern hatten. So kann es kein einfaches Versagen
der US-Armee gewesen sein, für die Bewachung eben dafür nicht ausgebildete
Soldaten einzusetzen. Die für alle Gefängnisse im Irak verantwortliche
Brigadegeneralin Janis Karpinski, war sogar nur Reservistin und nicht im
Geringsten für ihre Aufgabe befähigt. Aber das war ja nicht der Sinn der
Unternehmung. Das Sagen hatten die Verhörexperten und die bekamen die
Wachmannschaften kaum zu Gesicht. Sie sollten die Drecksarbeit machen und sie
sollen jetzt ihren Kopf dafür hinhalten.

Die begangenen Grausamkeiten
sollen dabei nicht im Geringsten entschuldigt werden, aber vor allem soll
dargelegt werden, dass die militärische Führung der USA die Folter angeordnet
hat.

Als Ende November 2001 die
Taliban in Afghanistan gestürzt wurden, haben schon US-Spezialtruppen und die
CIA mit den Verhören begonnen. Präsidentenberater Alberto Gonzales schrieb dazu
in einem internen Papier, es sei die Aufgabe „von gefangenen Terroristen
und ihren Unterstützern schnell Informationen zu erhalten, um weitere
Gräueltaten gegen amerikanische Zivilisten zu verhindern. (…) Dieses neue
Paradigma macht die strengen Auflagen der Genfer Konvention für Verhöre
gefangener Kriegsgegner hinfällig.“ Diesen rechtsfreien Raum, auf den die
Genfer Konvention angeblich keine Anwendung findet, schufen die US-Amerikaner
auf Guantanamo Bay, einem Teilstück auf Kuba, wohin sie Gefangene aus Afghanistan
flogen. Hier gibt es keine Anklage und keinen Anwalt. Schon hier wurden die
Misshandlungen gefilmt. General G. Miller, der Chef von Guantanamo, verfasste
einen 72-Punkte Plan über „Druck- und Zwangsmaßnahmen“. Und eben
diesen Miller schickte Verteidigungsminister Rumsfeld in den Irak, zwecks
„Guantanamoisierung“ von Abu Ghureib und anderer Gefängnisse. Die
US-Zeitung The New Yorker veröffentlichte einen geheimen Militärbericht, darin
räumt Miller ein, „dass die in Guantanamo praktizierten Verfahren auch
hier als Grundlage für Empfehlungen dienten.(…) Entscheidend ist, dass die
Wachmannschaften sich aktiv daran beteiligen, die Bedingungen für eine
erfolgreiche Ausbeutung der Insassen als Informationsquelle zu schaffen.“
Nachzulesen in den Pentagon-Einsatzregeln für Verhöre sind unter anderem:
„Umstellung der Schlafgewohnheiten, Isolierung für mehr als 30 Tage,
Entzug von Sinneseindrücken, Präsenz von Militärhunden und anstrengende
Körperhaltungen“.

Mittlerweile wurden
juristische Leitlinien veröffentlicht, welche die Folter absegnen sollen. Die
Papiere definieren, wie internationale Gesetze umgangen werden können. Auf
welche Weise, das schildert die „Washington Post“. Danach kamen
insbesondere Juristen des Justizministeriums zu dem Schluss, dass Folter erst
Folter sei, wenn die zugefügten Schmerzen so groß seien wie bei schweren
Verletzungen, Organversagen „oder sogar beim Tod“.

Im Zusammenhang mit der Misshandlung Gefangener hat das
US-Verteidigungsministerium die Todesfälle von acht Häftlingen im Irak und
Afghanistan neu aufgerollt. Eines der Opfer war Generalmajor Abded Mauhusch.
Der ehemalige Chef der irakischen Luftabwehr hatte sich selbst den US-Truppen
gestellt. Er erstickte beim Zusammendrücken seines Brustkorbes. Anfang 2003
ließ Verteidigungsminister Rumsfeld ein Rechtsgutachten erstellen, nachdem sich
Kommandeure im US-Lager auf Guantanamo Bay beklagt haben, dass sie mit
„herkömmlichen“ Verhörmethoden nicht genügend Informationen
erhielten. Darin kommen die Pentagon-Juristen zu dem Schluss, dass Präsident
George W. Bush nicht an Gesetze zum Verbot von Folter gebunden sei. Personen,
die auf seine Anordnung hin folterten, könnten folglich auch nicht bestraft
werden. So ist das also, für den US-Präsidenten gelten Gesetze nicht, für die
USA das Völkerrecht nicht und in dem Zusammenhang erklärt sich auch, warum
US-Angehörige nicht vor dem Volksgerichtshof angeklagt werden dürfen. Was hatte
Bush Anfangs noch vom amerikanischen Wesen geschwafelt? Es ist nicht das
amerikanische Wesen, es ist das Wesen des Imperialismus, der nur das
Raubtiergesetz des Stärkeren kennt. (J.T.)