Wo bleiben die Kolleginnen und Kollegen!?

Gewerkschaftliches Drama am Uniklinikum Schleswig-Holstein – eine Polemik!

 

Immer noch keineswegs selbstverständlich: In Kiel und Lübeck wollen sich Gebäudereinigungskolleg/innen, Hausmeister, Küchen- und Transportpersonal und andere aus dem „Servicebereich“ des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) gewerkschaftlich organisieren und kämpferisch ihre Interessen vertreten. Nachdem sie ihr Arbeitgeber, das Land Schleswig-Holstein, in eine „Service-GmbH“ ausgegliedert hatte, wächst der Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen massiv! Sie stehen vor der Notwendigkeit, einen Betriebsrat zu gründen. Wer hilft, die zahllosen Schikanen und Zumutungen der neuen, ausdrücklich auf Kostensenkung programmierten Gesellschaft zu bewältigen?

Es gibt da ver.di-Mitglieder, aber den bisher unorganisierten Kollegen hilft dies nichts, denn ver.di als Gewerkschaftsorganisation kümmert sich nicht um sie, so der Vorwurf der Betroffenen. Sie wenden sich an die IG Bau, die sich für Gebäudedienstleistungen als zuständig betrachtet. Ein Sekretär beginnt zu helfen, zu organisieren, zu beraten. Das zahlt sich aus: Bald hat die IG Bau dort mehr Mitglieder als ver.di! Im neuen Betriebsrat stellen die Bau-Kolleg/innen die Mehrheit.

Die betroffenen Kollegen wollen für ihren Bereich einen Tarifvertrag erstreiten. So machte sich die IG Bau mit inzwischen rund 600 Mitgliedern ans Werk: Seit 2009 gelten jetzt ein Firmenrahmentarif-, ein Firmen-Entgeltrahmentarifvertrag sowie eine Entgelt-Tabelle. Die beiden ersten Verträge gelten bis 31.12.2012, die Entgelttabelle ist mit dem Enddatum 31.12.2010 offiziell inzwischen ausgelaufen.

Die IG Bau und die Geschäftsleitung der Service-GmbH (S-GmbH) traten 2007 in Verhandlungen ein. Die IG Bau lädt ver.di offiziell ein, sich an den Verhandlungen zu beteiligen. Die sagt Nein! Anstatt endlich ihre Pflicht für aufgebrachte Kolleg/innen zu erfüllen, reklamiert ver.di jetzt ihre angeblich alleinige Zuständigkeit, in diesem Bereich Tarifverträge abzuschließen und bestreitet diese der IG Bau. Und: statt eine vernünftige gemeinsame Lösung mit „den Kollegen“ der Bau zu suchen, leitete ver.di entsprechend der DGB-Satzung ein Vermittlungsverfahren mit dem Ziel der Feststellung der Alleinzuständigkeit ein, das scheiterte und schließlich in ein offizielles Schiedsgericht zwischen den beiden DGB-Gewerkschaften mündete.

 

Das DGB-Gericht diskutiert die Zuständigkeit. Sollen doch die Kollegen solange warten!

Derweil hatten die betroffenen Kolleg/innen aber mit der IG-Bau die genannten Tarifverträge durchgesetzt und waren stolz auf das Erreichte. Das kann man aus ihren Verlautbarungen im Internet deutlich herauslesen.

Eigentlich hätte längst die neue Tarifrunde um eine Lohnerhöhung (Entgelttabelle lief nur bis Ende 2010) laufen müssen. Aber das DGB Schiedsgericht hat 2010 entschieden, dass ver.di die alleinige organisations- und tarifpolitische Zuständigkeit für die Betriebe der S-GmbH und des UKSH habe. Die IG BAU wird verpflichtet, in diesen Betrieben ihre Arbeit praktisch einzustellen!

Toll, und das bei rund 600 Mitgliedern, Verdi soll nach offiziellen Angaben ca. 150 Mitglieder, nach Presseberichten sogar viel weniger in der S-GmbH haben. Es versteht sich von selbst, dass es sich bei den von der IG-Bau neu organisierten Kollegen mehrheitlich um nicht sehr erfahrene Kolleg/innen handelt. Konsterniert nehmen diese zur Kenntnis, dass die IG-Bau nun nichts mehr für sie tun darf, wenn sie sich an die DGB-Satzungen hält, und das tut sie aus übergeordneten Interessen. Ver.di soll sich nun angeblich der Problematik etwas aktiver stellen. Aber ob sie das endlich mit den betroffenen Kolleg/innen gemeinsam tut, davon ist bisher noch nichts bekannt.

In einem Blog der betroffenen Kollegen heißt es bitter: „Wir haben jetzt ein großes Problem: Wer soll das für uns verhandeln? Ver.di hat sich das Recht eingeklagt, für uns zu sprechen, unsere Interessen zu vertreten. Ihr habt sicherlich alle mitbekommen, wie sie das gemacht haben. … Wollen wir das so hinnehmen? Wir sagen nein! Wir wollen gut vertreten werden! Wir wollen unsere Interessen im Unternehmen durchgesetzt bekommen! Wir wollen, dass unsere Gewerkschaft uns vertritt und es auch darf!

 

Für die Frage der gewerkschaftlichen Organisation, der Solidarität und Geschlossenheit handelt es sich hier um einen GAU, eine Katastrophe! Das DGB-Schiedsgericht entscheidet nicht im Interesse der gerade erst mühsam gewonnenen Kolleg/innen, sondern im Sinne der „Zuständigkeit“. Jeder, der heute Gewerkschaftsarbeit leistet, weiß was für eine unglaubliche Arbeit dahinter steckt, so viele unerfahrene Menschen zu gewinnen! Und für diese ist zuständig, wer sie organisiert hat, wer ihr Vertrauen gewinnen konnte, wer sie vorangebracht hat, und das waren die Bau-Kollegen, die in der S-GmbH tätig waren! Zuständigkeit kann ich nur dann reklamieren, wenn ich auch Vertrauen genieße. Zuständigkeit gewinnt ver.di nicht durch ein Schiedsgerichtsurteil („Ihr habt sicherlich alle mitbekommen, wie sie das gemacht haben.“ so die Kollegen), sondern durch Vertrauen, durch Vertrauensarbeit! An die zuständigen ver.di- Kolleg/innen: Wo habt ihr diese geleistet!?

 

Die Kollegen gründen ihre eigene Gewerkschaft!

Nun kommt es ganz schlimm: Da sich die IG Bau nun raus hält, haben die Kollegen keinen Ansprechpartner mehr. Offensichtlich hat unter ihnen auch niemand die Erfahrung, die Courage oder die Lust, nun ver.di offensiv zu fordern. Ihnen ist buchstäblich die Lust vergangen. Man kann es nicht genug betonen: Unter ihnen ist keine allzu große Erfahrung vorhanden! Und so titeln am 3.12. 2010 die „Lübecker Nachrichten“(LN) „UKSH: Jetzt gibt es eine neue Gewerkschaft.“ Sie sollte am 6. Dezember 2010 unter dem Namen GDS, „Gewerkschaft der Servicekräfte“ gegründet werden. Plötzlich ist es den ver.di-Funktionären nicht bange um lautstarke Kommentare. Landesfachgruppenleiter Steffen Kühhirt, der in der ganzen Affäre als Scharfmacher für die ver.di-Position gilt, wird zitiert mit den erhellenden Worten: „Ich fürchte, dass hier eine Gewerkschaft mit dem Segen des Arbeitgebers entsteht!“ Und ein ver.di-Sprecher namens Jan Jurczuk: Nach seinen Informationen (?) wolle die neue Gewerkschaft die Tarife absenken. Damit unterstütze sie das Geschäftsmodell der Schwarzen Schafe der Branche – und werde nicht lange überleben. Aber er hat auch frohe Botschaft: Etliche Service-GmbHs in Kliniken würden bereits von ver.di vertreten. Naturgemäß etwas verhaltener die Bau: Sie appelliert laut LN an „alle IG-Bau-Mitglieder, in einer Gewerkschaft des DGB-Dachverbandes zu bleiben, zu dem auch die IG Bau und ver.di gehören“.

Es ist jetzt nicht unsere Aufgabe, nach gut zwei Monaten diese angebliche neue GDS-Gewerkschaft zu beurteilen. Zu beurteilen ist aber die Tatsache, dass seelenloser Gewerkschaftsbürokratismus, eine unglaubliche Ignoranz gegenüber den Kolleginnen und Kollegen der – soeben frisch gewonnenen – Basis hier buchstäblich verbranntes Terrain hinterlässt. Gerade wenn die ver.di-Sprecher recht behalten und die GDS vielleicht keine Zukunft haben sollte, wie will denn ver.di nach diesen Äußerungen deren Vertrauen zurückgewinnen?!

Inzwischen sollen ca. 300 betroffene Kollegen aus der IG-Bau ausgetreten sein. Dem Vernehmen nach sollen nur wenige der ver.di beigetreten sein, aber auch keineswegs alle der GDS. Viele scheinen sich resigniert zurück gezogen zu haben.

Wo war, wo ist das Bemühen von ver.di, diese rund 600 Kolleg/innen – sechshundert!!! – zu gewinnen, ihnen ein Angebot zu machen, ihnen einen vertrauenswürdigen Sekretär zu schicken, vielleicht eine kollegiale, eine solidarische Überleitungsregelung von IG Bau zu ver.di anzubieten, so dass das Staffelholz von einem bekannten und vertrauten IG-BAU-Vertreter an eine(n) ver.di Kollegen/in weitergereicht wird, der oder die sich das Vertrauen der Basis mit genügend Zeit erarbeiten konnte?

Braucht eine relativ kleine Gewerkschaft wie die IG Bau vielleicht einen finanziellen Ausgleich für die 600 Mitglieder, wenn sie auf einem solidarischen Weg zur ver.di wechseln? Bei einem ver.di-Vorstand , der sich erklärtermaßen mit Manager-Gehältern bezahlen lässt, eine legitime Frage!

Wo hat es solche Konzepte gegeben? Wofür bezahlen die Mitglieder solche Funktionäre? Damit sie solchen Schaden anrichten?

 

Schluss:

Die Resolution „Schwierige Aufgaben übernehmen, Verantwortung in Betrieb und Gewerkschaft übernehmen!“ der Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands hat den Zusammenhang versucht, fest zu machen:

Die Führungen der Gewerkschaften sind in der Hand bürgerlicher Kräfte, die, nicht zuletzt durch ihre Manager-Einkommen und -Selbstbild, mit tausend Fäden mit der Kapitalistenklasse verbunden sind. …

Die Gewerkschaftsführungen haben die Arbeitszeitverkürzung und die 35-Stundenwoche, Banner der Gewerkschaftsbewegung der letzten 3 Jahrzehnte, praktisch verraten. Selbst bereit, bei jeder Drohung der Kapitalisten der 40-Stundenwoche zuzustimmen, überlassen sie es den Mitgliedern und Funktionären in den Betrieben, standzuhalten bzw. die Belegschaften in Abwehrkämpfe führen. Das gesamte erkämpfte Werk der Flächentarifverträge ist so der Erosion ausgesetzt…

Wenn die Gewerkschaftsführungen günstige Bedingungen erkennen, versuchen sie selbst, kämpferische Kollegen zu drangsalieren und aus der Gewerkschaft auszuschließen.

Immer neue Spaltungstendenzen auf Grund dieser unbefriedigenden Entwicklung führen zum Erstarken von Branchen- und ständischen Gewerkschaften ….“ (Vgl.: Arbeit Zukunft 1 2010, S. 8)

Diese unsere Feststellungen treffen auch das Drama in Schleswig Holstein! Hier haben wir ein drastisches Beispiel dafür, wie genau diese Praxis bürgerlicher Gewerkschaftsführer Menschen in eine solche „Branchengewerkschaft“ geradezu hineintreibt. Wir streiten hier dafür, diesen Kolleg/innen nach wie vor die Hand zu reichen, ihnen endlich zuzuhören und ihr Vertrauen zu gewinnen.

Unsere Kritik in diesem Sinne gilt genauso für die Führer von ver.di und EVG, die keine Gelegenheit auslassen, gegen die Lokführergewerkschaft GDL zu hetzen. Ist es doch ihre eigene Praxis des Co-Managements bei den Bahnen, die die GDL stark macht. Dieser stehen wir im Übrigen kritisch, aber solidarisch gegenüber, weil sie berechtigte Interessen ihrer Mitglieder und vieler anderer Eisenbahner/innen derzeit kämpferisch und erfolgreich vertritt. In diesem Sinne kämpfenden Kolleginnen und Kollegen gilt unsere Solidarität!

Genauso stehen wir zu den Kolleg/innen der S-GmbH des UKSH. Wir müssen sie zurückgewinnen, nicht verteufeln. Das heißt nicht dass wir ihren Schritt in eine eigene Gewerkschaft kritiklos billigen. Nur, das muss man sachlich und kameradschaftlich, solidarisch und kollegial diskutieren können. Die Verantwortlichen für diese Katastrophe sitzen in den DGB-Gewerkschaften…

Nur gemeinsam sind wir stark, nur Solidarität hilft siegen!

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