Im Herbst will Gesundheitsminister Rösler (FDP) eine neue Gesundheitsreform durchsetzen. Dazu hat er als Begründung ein 11 Milliarden-Loch bei den Krankenkassen für 2011 gefunden. Wie er auf diese Summe kommt, ist ein Rätsel. Aber es reicht als Propagandamittel, um den Menschen Angst zu machen und um sie für eine „Reform“ – wie immer im Interesse des Kapitals – sturmreif zu schießen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft sieht nämlich nur eine Kostensteigerung von 3,5 Mrd. Euro, die locker durch Einsparungen bei den Pharmakonzernen zu bewältigen wäre. Zudem bringt die derzeit wieder höhere Beschäftigung mehr Einnahmen für die Krankenkassen. Das laute Geschrei von Rösler und Konsorten ist also vor allem Kampfgeschrei, um die gesetzliche Krankenversicherung anzugreifen.
Röslers Reform bedeutet nämlich Beitragserhöhungen bei Leistungskürzungen.
Das stärkste Stück ist die Erhöhung des Krankenkassenbeitrags auf 15,5% bei gleichzeitiger völliger Freigabe des Zusatzbeitrages, den Arbeiter und Angestellte aus der eigenen Tasche bezahlen müssen. Gleichzeitig wird der Beitragsanteil für das Kapital eingefroren. Das heißt künftige Ausgabensteigerungen werden nur noch von der Arbeiterklasse und den Angestellten getragen.
Die damit verbundene „soziale Absicherung“ ist ein bürokratisches Monster. Da bisher der Krankenkassenbeitrag direkt vom Lohn abgezogen wurde, war dies ein einfacher Vorgang. Nun soll der Zusatzbeitrag auf 2% des Bruttolohnes begrenzt werden. Es muss also ein Antrag an die Krankenkasse gestellt werden und Nachweise geführt werden. Dazu gilt die Grenze nicht für den Zusatzbeitrag, den man tatsächlich zahlt, sondern für einen fiktiven „Durchschnittszusatzbeitrag“, der aus den Zusatzbeiträgen aller Krankenkassen berechnet wird. Nur für diesen gilt die Höchstbelastungsgrenze. Liegt der Zusatzbeitrag der eigenen Kasse über diesem „Durchschnittszusatzbeitrag“, so zahlt man real mehr als 2% des Bruttoeinkommens. Das Ganze ist so kompliziert, das niemand es überschaut und versteht und viele auf den Antrag verzichten werden. Damit wird noch einmal auf Kosten der Ärmsten gespart. Und ein großer Teil des Zusatzbeitrages geht wieder für seine Verwaltung drauf.
Doch Rösler geht es nicht allein um die Einnahmen, sondern um das Prinzip. Die gesetzliche Krankenversicherung soll zerschlagen werden und an ihre Stelle eine private Krankenversicherung für alle treten. Dann gibt es in Zukunft kein Solidarprinzip mehr. Ziel von Rösler und Co. ist es, dass alle einen einheitlichen Beitrag zahlen, unabhängig vom Einkommen. Dann kann sich der Wohlhabende billiger versichern als bisher und für die Armen wird es teurer.
Ein besonderes Schurkenstück bei Röslers Gesundheitsreform ist dabei der angebliche „Beitrag“ der Pharmakonzerne zu den „Einsparungen“. Rösler verzichtet auf die bereits verabschiedete Regelung, nach der neue Medikamente nur nach Prüfung ihrer Wirksamkeit zugelassen und ihr Preis von einer Behörde festgesetzt werden sollte. Stattdessen dürfen nun die Pharmakonzerne selber den Nachweis für die „Wirksamkeit“ erbringen und selber den Preis festsetzen. Anschließend müssen sie in Rabattverhandlungen mit den Krankenkassen treten. Rösler nennt da viele Phantasiemilliarden, die der so wackere Streiter für soziale Gerechtigkeit den Pharmakonzernen abknöpfen will. Lächerlich! Denn wenn die Pharmamonopole zuvor selber den Preis festsetzen können und anschließend in Rabattverhandlungen treten, dann kann sicher jeder leicht ausrechnen, wie das läuft. Erst schlägt man 20% drauf. Dann lässt man 10% Rabatt nach und präsentiert das stolz der Öffentlichkeit als Erfolg. Und der Pharmakonzern streicht saftige 10% Extraprofit zusätzlich ein. Herr Rösler würde wohl laut und schmerzhaft aufschreien, wenn die Arbeiter ihre Löhne selber festsetzen dürften und dann dem Kapital einen kleinen Rabatt gewähren dürften.
Um die „Reform“ komplett zu machen, sollen für die Arztpraxen zusätzlich immer mehr Fallpauschalen eingeführt werden. Das bedeutet, das ein Arzt für eine bestimmte Krankheit eine bestimmte Summe bekommt, egal wie kompliziert und aufwendig die einzelne Behandlung ist. In der Realität wird das dazu führen, dass die Ärzte, die ihre Patienten nach einem kurzen „Augencheck“ mit einem Rezept oder einer Überweisung in der Hand wieder heraus komplimentieren, ihre Einnahmen erhöhen können. Der Arzt jedoch, der sich Zeit für den einzelnen Patienten nimmt, gründlich untersucht, individuell behandelt, den Patienten öfter einbestellt und sich sorgfältig um seine Patienten kümmert, wird Einkommensverluste hinnehmen müssen. Dieser Prozess hat bereits begonnen. Er wird viele kleine Praxen in den Ruin treiben. Gleichzeitig werden Großpraxen entstehen, die ihre Patienten industriell durchschleusen und damit den dicken Reibach machen. Und die Pharmakonzerne sind begeistert, denn eine solche „Medizin“ bedeutet einen steigenden Verbrauch an Medikamenten.
Wir fordern ein einheitliches Gesundheitssystem für alle mit einem Beitrag nach Einkommen unter Einbeziehung aller Einnahmen auch der aus Kapital, Immobilien usw. ohne Beitragsbemessungsgrenze! Damit würden die Einnahmen drastisch erhöht
Das Kapital muss wieder die Hälfte der Krankenversicherung zahlen!
Zusatzbeiträge, Zuzahlungen für Medikamente und Behandlungen, Praxisgebühr usw. müssen wieder abgeschafft werden.
Bei den Herbstaktionen gegen Sozialabbau müssen wir unsere Kolleg/innen für diese Forderungen mobilisieren und damit auf die Straße gehen.