Alle Aktivitäten im Kampf gegen Stuttgart 21 aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Zeitung sprengen. Der Widerstand ist so vielfältig und breit. Ebenso können wir an dieser Stelle nicht die gesamte Geschichte des Widerstandes darstellen. Wir dokumentieren daher weitgehend die Aktionen der letzten Zeit.
10. Dezember 2009, Beginn der Montagsdemos
Diese finden seitdem jeden Montag mit mehreren tausend Demonstranten statt.
2. Februar 2010, Baubeginn am Prellbock 49
Gut geschützt vor den wütenden Protesten des Volkes ließen ein paar Honoratioren, Vertreter des Kapitals, Politiker den Prellbock 49 von einem Kran hochheben und entfernen, um so zu signalisieren: „Es geht los! Und euer Widerstand ist zwecklos!“ Doch tausende portestierten im Bahnhof und ausserhalb.
10. Juli 2010, Protestival
Die Stuttgarter Innenstadt war beim Sternmarsch und anschließendem Protestival gegen Stuttgart 21 am Samstag, dem 10. Juli, fast vollkommen blockiert. Auf der Hauptverkehrsader vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof war die Straße dicht. Aus drei Richtungen, Bad Cannstatt, Berliner Platz und Wilhelmsplatz kamen hier Sternmärsche an. Immer mehr Menschen quollen in den überfüllten Schlossgarten. Die Veranstalter, ein breites Bündnis, gaben an, dass 20.000 gekommen seien. Die Stuttgarter Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Stadt und dem Land auf nur 5.000
19.7.10, 35. Montagsdemo
Rund 5.000 bis 6.000 waren gekommen. Der Grund: Nach dem Protestival am 10.7. mit rund 20.000 Teilnehmer/innen hatte die Bahn angekündigt, ab 1. August den Nordflügel des denkmalgeschützten Stuttgarter Hauptbahnhofes abzureißen und damit gegen den Massenprotest unabänderliche Tatsachen zu schaffen. Diese Ankündigung löste bei der Stuttgarter Bevölkerung große Empörung aus. Daher strömten massenweise Menschen zu der Montagsdemonstration und die Stimmung war ungemein kämpferisch.
Die Kundgebung moderierte Hannes Rockenbauch, der Stadtrat der SÖS (Stuttgart Ökologisch Sozial). Er kündigte an, dass der Protest nicht wie zuvor geplant im August ausgesetzt wird. Der Protest wird während der gesamten Sommerferien fortgesetzt.
26.7.10, 24 Uhr, Bahnhofsbesetzung
Bei der Montagsdemonstration gegen das Milliardenbauprojekt Stuttgart 21 am 26.7.2010 besetzten spontan einige hundert Teilnehmer/innen den bereits leer geräumten Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofes.
Enorm war auch die Beteiligung an der Montagsdemo mit mehreren tausend! Trotz strömenden Regens war der Bahnhofsvorplatz am Nordflügel voll. Ständig strömten weitere Menschen herbei.
Nach der Besetzung des Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofes kamen aus allen Richtungen Einsatzwagen der Polizei. Diese hielt sich zunächst noch zurück, da die Masse der Demonstranten so groß war und die Beteiligung breit und vom Volk getragen ist. Später hat die Polizei begonnen, den Nordflügel zu räumen. Zahlreiche Gegner von Stuttgart 21, die schon nach hause gefahren waren, strömten wieder in die Stadt und begleiteten die volksfeindliche Polizeiaktion mit Pfiffen und heftigem Protest. Gegen 23:30 Uhr hatte die Polizei den Nordflügel mit einem Großaufgebot gewaltbereiter Einsatzkräfte geräumt. Die Transparente der Besetzer wurden abgerissen. Einige Besetzer wurden verhaftet und zum Stuttgarter Polizeipräsidium gebracht. Stark war die Solidarität der Demonstrant/innen, die in großer Zahl bis zum Schluss ausharrten.
28.07.2010, Schwabenstreich
Weit über tausend Demonstranten aus allen Teilen der Stuttgarter Bevölkerung trugen zum zweiten mal in dieser Woche den lautstarken Protest gegen das gigantomanische Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ in die Stuttgarter Innenstadt, diesmal direkt vor das Rathaus. Gerade genehmigten im drinnen tagenden Gemeinderat die politisch Verantwortlichen der Stuttgarter Immobilienmafia, die auch Stuttgart 21 durchziehen wollen, einer weiteren Gruppe von Immobilieninvestoren den Bau eines neuen, riesigen Geschäftsviertels, bei dem auch das letzte Stück der alten Stuttgarter Stadtmauer vom Abriss bedroht ist. Scheiß auf den alten Müll, Profit abzocken ist angesagt!
Zu der Aktion unter dem Motto „Schwabenstreich“ aufgerufen hatten zwei bekannte Stuttgarter Theaterleute, der Schauspieler Walter Sittler und der Regisseur Volker Lösch. Was sich hinter dem Motto verbirgt, wurde vorher nicht verraten. Nun aber ging es los! Lösch und Sittler hatten Sprechchöre organisiert und forderten die Demonstranten auf, eine Minute lang einen infernalischen Lärm zu machen, mit allem, was zur Verfügung stand. Sofort an Ort und Stelle, dann aber auch möglichst jeden Tag um 19:00 Uhr, wo immer möglich in der Stadt. Die Rechnung der Stadtoberen, den Protest in den Sommerferien zu ersticken, dürfe nicht aufgehen!
31.7.2010, 1:30 Uhr nachts, Errichtung des Bauzauns
Mehr als 2.000 Menschen waren mitten in der Nacht in Stuttgart auf den Beinen. Die wichtigsten Straßen in der Innenstadt waren blockiert, der Hauptbahnhof von Demonstrant/innen umstellt. Die Polizei begann, das Gelände um den Nordflügel des Hauptbahnhofes abzusperren. Eine Baufirma stellte Absperrgitter von ca. 2m Höhe auf und verrammelte das Gelände. Ein Bagger wurde aufgefahren.
Die Nachricht verbreitete sich in Windeseile per Mail, Telefon, SMS usw. Die Menschen strömten aus allen Richtungen zum Hauptbahnhof, um gegen diesen ersten Schritt zum Abriss zu protestieren.
An diesem Wochenende fanden weitere Demos statt. Straßen wurden besetzt und die Innenstadt blockiert.
2.8.2010, 37. Montagsdemo
Viele tausend kamen um gegen den Beginn des Abrisses des Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhof zu protestieren. Es kam wieder zur Blockierung wichtiger Straßen in der Innenstadt.
7.8.2010, Großdemo
Über 16.000 kamen trotz Ferienzeit, um lautstark gegen Stuttgart 21 zu protestieren. Ein wachsender Demozug bewegte sich durch Stuttgart. Am Ende waren es wohl fast 20.000.
13.8.2010, Menschenkette
Mehrfach wurde eine Menschenkette um das gesamte Bahnhofsgelände aufgestellt. Das war keine Kunst, denn es kamen deutlich über 23.000 Menschen. Und das in der Hauptferienzeit in Baden-Württemberg.
16.8.2010, 39. Montagsdemo mit Bauplatzbesetzung
Über11.000 kamen zu dieser Montagsdemo. Mitten im ohrenbetäubenden Lärm des Schwabenstreiches hatten einige Aktivisten ein Feld des Hochsicherheitsgitters entfernt, mit dem der Nordflügel für den Abriss eingezäunt wurde. Unter riesigem Jubel marschieren viele hundert auf den Bauplatz. Über dem Eingang hängt ein gelb-schwarzes Bauschild: „Betreten der Baustelle erwünscht! Heute Tag der offenen Tür!“ Die Polizei ist machtlos. Nach über einer Stunde ziehen die Besetzer friedlich mit einer Polonaise ab. Sie kommen durch ein Spalier der Polizei und werden mit frenetischem Beifall empfangen. Dazu erklingen Sprechchöre: „Wir kommen wieder!“
Am folgenden Tag distanzieren sich die Grünen und Teile der SÖS von dieser „illegalen Aktion“.
17.8.2010, Lohndumping
Bei einer Razzia des Zolls auf der S21-Baustelle wurden 11 Bauarbeiter kontrolliert. Bei 8 gab es Auffälligkeiten wie fehlende Anmeldung zur Sozialversicherung. Die IG Bau protestierte gegen Lohndumping. Verdi erklärte, dass dies kein Einzelfall sei. Die Bahn beschäftige Sicherheitsfirmen als Subunternehmen, die statt dem tarifvertraglichen Mindestlohn von 8,46 Euro nur 6 Euro pro Stunde zahlen würden. Zudem würden diese Unternehmen ihre Mitarbeiter regelmäßig dazu zwingen, über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus zu arbeiten.
20.8.2010, Schweigemarsch
Rekord: Über 30.000 Menschen kamen zu einem eindrucksvollen Schweigemarsch. Einige trugen Pest-Masken und waren schwarz gekleidet mit weiß geschminktem Gesicht. Damit sollte symbolisiert werden, dass Stuttgart 21 die neue PeST-21 darstellt. Nur mit gelegentlichen Trommelschlägen wurde die Stille unterbrochen. An der Spitze des Demozuges wurde ein Transparent getragen: „Alles gesagt – Stuttgart 21 stoppen!“.
21.8.2010, Familienpicknick im Schlossgarten
Auch das gehört zu dem Protest gegen Stuttgart 21: ein Familienpicknick im Schloßgarten. Tausende kamen. Kinder malten Bäume, es wurde zusammen gegessen, getrunken, miteinander gesprochen.
23.8.2010, 40. Montagsdemo
Geschafft: die 40. Montagsdemo! Zigtausende nehmen wieder daran teil. Stuttgart bereitet sich darauf vor, dass die ersten Steine abgerissen werden. Bisher demontieren die Abbruchfirmen nur innen im Nordflügel Strom- und Wasserleitungen, Türen, Treppen usw. doch wenn der denkmalgeschützte Bau endgültig geschleift werden soll, ist das der Tag X, an dem zigtausende aufstehen und ihren Bahnhof, ihre Stadt verteidigen werden – gegen die Mafia des Kapitals!