Stuttgart: Rund 20.000 beim Protestival gegen Stuttgart 21

Die Stuttgarter Innenstadt war beim Sternmarsch und anschließendem Protestival gegen Stuttgart 21 am Samstag, dem 10. Juli, fast vollkommen blockiert. Auf der Hauptverkehrsader vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof war die Straße dicht. Aus drei Richtungen, Bad Cannstatt, Berliner Platz und Wilhelmsplatz kamen hier Sternmärsche an. Immer mehr Menschen quollen in den überfüllten Schlossgarten. Die Veranstalter, ein breites Bündnis, gaben an, dass 20.000 gekommen seien. Die Stuttgarter Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Stadt und dem Land auf nur 5.000. Die politische Gefälligkeit der Polizeiführung gegenüber den Herrschenden wurde dabei so offensichtlich, dass es schon lächerlich wirkte, wie sie den Protest und widerstand gegen Stuttgart 21 klein zu rechnen versuchten.

Das Bild auf den Straßen jedoch war anders. Die Stuttgarter war trotz tropischer Temperaturen von bis 37 Grad im Schatten mit Demonstranten voll. Neben den drei Sternmärschen kamen Menschen aus allen Richtungen per Bahn, zu Fuß, mit dem Fahrrad und und und. Überall erblickte man die Protestbuttons.

Sehr deutlich machten die zahllosen, meist selbst gebastelten Protestplakate, woher der Wind weht. Wut und Hass auf die Herrschenden kocht immer mehr hoch, die Milliarden für dieses sinnlose Projekt zum Fenster herausschmeißen und regelrecht in der Baugrube versenken wollen und nebenher ungeniert zeigen, was sie von Demokratie halten, wenn sie gegen den Volkswillen handeln.

So hieß es auf einem Transparent: „Bei Abriss: Aufstand!“ Gemeint ist der Abriss der Seitenflügel des denkmalgeschützten Hauptbahnhofes. Und dieses Transparent war kein „einmaliger Ausrutscher“. Es spiegelte sehr gut die Stimmung während der Demonstration und bei der Kundgebung im Schlossgarten wieder. Der Protest hat die Menschen weiter entwickelt. Die eigenen Erfahrungen mit Politikern haben ihnen gezeigt, in was für einer Gesellschaft wir wirklich leben. Für viele Menschen, die an den Protesten teilnehmen, ist es mittlerweile klar, dass wir nicht in einer Demokratie leben, sondern das Kapital in Gestalt von z. B. Banken, Baukonzernen und Immobiliengruppen in unserem Land die Macht haben und diese rücksichtslos gegen das Volk ausüben. Demokratie gilt nur so lange, wie das Volk brav mitmacht. Bei Stuttgart 21, wo über 70% der Bevölkerung dieses Bauprojekt ablehnen, wurde ein Bürgerentscheid verboten, den Oberbürgermeister Schuster (CDU) einmal bei seiner Wiederwahl versprochen hatte.

Schon bei den Stuttgarter Gemeinderatswahlen waren die Befürworter von Stuttgart 21 wie CDU und SPD knüppel hart abgestraft worden. Aber nur wenige Tage vor der Wahl waren die endgültigen Verträge unterzeichnet worden, um so vollendete Tatsachen zu schaffen. Mit jedem Trick der Herrschenden lernen die Menschen mehr über dieses politische System, werden mehr Menschen in den Protest hineingezogen.

Immer wieder haben die Herrschenden versucht, die Menschen in die Resignation zu treiben. Millionenschwere Propagandakampagnen sollten dem Widerstand den Wind aus den Segeln nehmen. Doch jede Propagandakampagne beflügelte den Widerstand. Als die Verträge besiegelt waren, verkündeten Politiker, Medien, Vertreter der Wirtschaft, Wissenschaftler, dass nun der widerstand keinen Sinn mehr mache und man „konstruktiv“ mitgestalten solle. Die Menschen durchschauten das Manöver und sagten: Jetzt erst recht! Der Widerstand wuchs und ist bis heute nicht zum Erliegen gekommen. Jeden Montag protestieren Tausende vor dem Hauptbahnhof. Überall gibt es Aktionen, Veranstaltungen. In der ganzen Stadt trifft man Menschen, die den Protestbutton tragen oder einen Aufkleber auf ihrem Fahrrad, Auto oder anderswo angebracht haben.

Die Menschen sind offener geworden. Das haben wir auch am Samstag erfahren. Die neueste Ausgabe von „Arbeit Zukunft“ ging weg wie warme Semmeln. Wir hatten viele ermutigende Gespräche.

Der Protest wird weiter gehen. Allerdings hat die Gegenseite nun angekündigt, den Abriss der Seitenflügel des Bahnhofs in den Sommerferien durchzuboxen. Der große Widerstand hat sie in Panik versetzt. Denn noch vor der Protestaktion am Samstag hatten sie verkünden lassen, dass sich der Baubeginn bis ins nächste Jahr verzögern würde. Nun versuchen sie mit neuen Tricks, ihre Pläne gegen die Menschen durchzusetzen. Sie hoffen, dass in den Sommerferien viele weg sind und sie so leichter durchkommen. Nach den Ferien soll dann alles vorbei sein, weil ja vollendete Tatsachen geschaffen wurden. Doch so, wie der Widerstand sich entwickelt, wird auch dieses plumpe Manöver scheitern.

dm

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