Pressemitteilung, Göttingen, 23.04.2010
Das zumindest behauptet die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Anfang April von den Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke, Halina Wawzyniak und Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE gestellte Kleine Anfrage "Bewertung der Roten Hilfe e.V. durch das Bundesamt für Verfassungsschutz" (Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Drucksache 17/1327, 06.04.2010). In ihr sollten vom Deutschen Bundestag 30 Fragen zur angeblichen Verfassungsfeindschaft unserer linken, strömungsübergreifenden Solidaritätsorganisation beantwortet werden.
Letztendlich beantwortet wurden allerdings nur 7 Fragen, wobei die Fragen 2 bis 24 und 26 bis 27 kurzerhand und ohne Rücksicht auf Sinnzusammenhänge "zusammengefügt" wurden. Von Bedeutung für unsere Organisation jedoch ist die parlamentarische Einschätzung, dass wir jede Gelegenheit nutzen, "das deutsche Rechtssystem" als Instrument der »politischen Unterdrückung« und der »Gesinnungsjustiz« zu diskreditieren. In dem Sinne stellt sie [die Rote Hilfe] polizeiliches Handeln und gerichtliche Entscheidungen als willkürlich, grund- und menschenrechtswidrig oder als Aufhebung der Gewaltenteilung dar. Zugleich wertet sie [die Rote Hilfe] die gegen die bestehende Ordnung gerichteten strafbaren Handlungen als Ausdruck »demokratischen« Widerstands. (BT-Drucksache 17/1327)
Im Übrigen komme es für die Einschätzung einer Organisation als extremistisch nicht darauf an, dass jede Aktivität und Äußerung für sich allein betrachtet diese Klassifizierung rechtfertige – von Bedeutung sei die "Gesamtschau aller dazu vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte" (ebd.). Und diese "Gesamtschau" führe im Falle unserer Antirepressionsorganisation zu eindeutigen Ergebnissen, auch wenn hier unklar bleibt, wovon die "Befragten" eigentlich sprechen. Zumindest spricht die Rote Hilfe in ihren eigenen öffentlichen Verlautbarungen weder von "gegen die bestehende Ordnung gerichteten strafbaren Handlungen" noch von einem wie auch immer gearteten "demokratischen Widerstand".
Tatsächlich führt die Bundesregierung weder für diese beiden Behauptungen irgendwelche Originalzitate der RH an noch sieht sie sich in der Lage, irgendwelche sonstigen brauchbaren Textpassagen zusammenzuklauben, die sie für ihre "Gesamtschau" verwendet haben will. Die in den Verfassungsschutzberichten angeführten Sätze taugen jedenfalls nicht zu einer Verurteilung als "verfassungsfeindlich", sondern belegen ausschließlich eine kritische Haltung gegenüber staatlichen Repressionsorganen und Gesetzesverschärfungen. Kein Wunder also, dass die Antwort auf die Kleine Anfrage in fast allen Punkten ausweichend ausfällt: diese gezielte Vermeidung von klaren Aussagen wirft wieder einmal ein deutliches Licht auf die obskuren Methoden des Inlandsgeheimdiensts, der durch die bloße Erwähnung von Organisationen in seinen Verfassungsschutzberichten diese zu "Verfassungsfeinden" abstempelt und damit der erweiterten Kriminalisierung durch andere Staatsorgane preisgibt.
Und obwohl der Berufsverbotsfall "Michael Csaszkóczy" höchstrichterlich gezeigt hat, dass sogar eine Mitgliedschaft im Bundesvorstand der Roten Hilfe durchaus mit der Ausübung einer Beschäftigung im Öffentlichen Dienst vereinbar ist und sich nicht nachteilig auf die Berufswahl auswirken darf, kommt der Deutsche Bundestag zu folgendem Schluss: "Die Zugehörigkeit zu einer als links- oder rechtsextremistisch einzuschätzenden Organisation und deren Unterstützung kann im Einzelfall für fehlende Verfassungstreue und damit gegen eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst sprechen. Es kommt aber stets auf das gesamte Persönlichkeitsbild und auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an. Pauschale Aussagen zur Vereinbarkeit einer Mitgliedschaft in der RH und einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst lassen sich insofern nicht treffen."
Und mit dem folgenden Statement sind wir dann plötzlich wieder mittendrin in der "Gesinnungsprüfung", die uns sehr bekannt vorkommt:
"Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten; bei politischer Betätigung haben sie die Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren. ‚Ein Dienstvergehen liegt‘ vor, wenn Beamte aus ihrer politischen Überzeugung Folgerungen für ihre Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der BRD, für die Art der Erfüllung ihrer Dienstpflichten, für den Umgang mit ihren Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne ihrer politischen Überzeugung ziehen."
Das ist tatsächlich eine aus dem Bundesbeamtengesetz destillierte Kampfansage an alle, die aus ihrem Engagement beispielsweise gegen politische Repression, gegen grund- und menschenrechtswidriges Verhalten oder gegen Polizeigewalt keinen Hehl machen, sich bei ihrer angeblich freien Berufswahl für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst entschieden haben – und trotzdem zur Roten Hilfe, der mitgliederstärksten linken Antirepressionsorganisation der BRD, gegangen sind.
Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V.
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Anmerkung der Redaktion von Arbeit Zukunft:
Vermutlich weil es sich um eine Mitteilung des
Bundesamtes für Verfassungsschutz handelt,
wurde der Öffentlichkeit die Drucksache
vorenthalten. Wer lessen möchte was die
Öffentlichkeit wissen darf, kann es hier
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