Regionalwahlen in Frankreich: Votum gegen Regierungspartei UMP

Korrespondenz

Mit Versprechungen, und diversen Kampagnen hat die französische Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy in letzter Zeit unterschiedliche Versuche unternommen, von den vielen Problemen des Landes abzulenken. Bei den Regionalwahlen Mitte März verlor die UMP in 23 von 26 Regionen des Landes und musste herbe Verluste hinnehmen.

Wie in vielen anderen europäischen Ländern, hat die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise auch die Situation in Frankreich weiter verschärft. Die Probleme Frankreichs wie Arbeitslosigkeit, besonders die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die allgemeine Wohnungsnot, können durch die klammen Haushaltskassen immer unzureichender abgemildert werden, in der Bildungs- und Gesundheitspolitik zeichnet sich die Krise durch ausbleibende Investitionen immer deutlicher ab. Schon Ende letzten Jahres, anlässlich der Halbzeit von Präsident Nicolas Sarkozys fünfjähriger Amtszeit stellte sich ein Popularitätstief für den Präsidenten und seine Partei UMP ein. 63 Prozent der Franzosen sprachen sich bei Meinungsumfragen unzufrieden über Sarkozys Politik aus. Mit vielen Einschnitten für die Arbeiterklasse und Bevölkerung einerseits und Steuergeschenken für die Besserverdienenden und für das Kapital hat die Regierungspartei den Unmut aktiv immer weiter forciert.

Im Vorfeld sind die Regionalwahlen von der UMP trotzdem nicht allzu ernst genommen worden, weil sich auch die Sozialistische Partei (PS), wie viele andere sozialdemokratische Parteien in Europa, im schon länger anhaltenden Sinkflug befindet. Durch Kampagnen, wie etwa zur nationalen Identität, durch populistische Stellungnahmen, zu Vorhaben wie Minarettverbot, Burka-Verbot und Schleierverbot in öffentlichen Einrichtungen, versuchte die Regierungspartei von den eigentlichen Problemen des Landes abzulenken und die islamische Minderheit im Land ins Zentrum der öffentlichen Diskussionen zu rücken. Gleichzeitig stimmte Sarkozy zuletzt immer wieder „anti-kapitalistische“ Töne an, sprach häufig von einer Stärkung der staatlichen Aufgabengebiete und vom Primat der Politik, über eine Kontrolle und Regulierung des Finanzkapitals u.s.w. . Die Art und Weise, wie die Diskussion über ein Burka-Verbot geführt worden ist, dürfte in erster Linie der rechtsextremen Partei Front National Stimmen eingebracht haben, die auf insgesamt 9,3 Prozent kamen. All die Versuche der Regierungspartei UMP die Stimmung im Lande positiv aufzuwerten stellten sich also entweder als unwirksam oder als politisch durchsichtig heraus. So sind die staatlichen Interventionen aus der objektiven Situation heraus notwendig geworden, um das kapitalistische System ökonomisch zu stabilisieren und nicht etwa deshalb, weil die UMP sich auf einmal antikapitalistisch gewandelt hätte! Schließlich erhielt diese Politik bei den Regionalwahlen eine klare Absage, – die UMP erhielt 35,4 Prozent der Stimmen. Aber nicht nur die Regierungspartei, sondern das gesamte parlamentarische System in Frankreich wurde durch eine sehr schwache Wahlbeteiligung nicht gerade mit Vertrauen gestärkt. Gerade mal 47 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten sich beim ersten Wahlgang, beim zweiten Wahlgang beteiligten sich mit 49 Prozent kaum mehr Menschen am Urnengang, obwohl auf kommunaler Ebene durchaus wichtige Entscheidungen im Umfeld der betroffenen Menschen gefällt werden. In den bürgerlichen Medien wurde die „Linke“ als großer Gewinner der Regionalwahlen dargestellt. Die Linke ist ein Sammelbegriff in den bürgerlichen französischen Medien, in der Sozialdemokraten und Grüne einfach in ein großes Bündnis mit anderen linken Organisationen miteingeordnet werden. Im Vorfeld der Wahlen haben sich in Frankreich gemeinsame Listen (Listes „Ensemble“) aus verschiedenen linken Organisationen gebildet, an denen sich neben anderen auch unsere Bruderpartei, die marxistisch-leninistische PCOF, beteiligten. Für die PCOF war dies eine gute Möglichkeit, ihre Politik breiten Kreisen fortschrittlicher Arbeiterinnen und Arbeiter zu präsentieren und sich tiefer in der Arbeiterbewegung zu verankern.

Im zweiten Wahlgang kam es zu einer Ausweitung des Bündnisses, PS und Grüne bezogen die Front de Gauche taktisch, mit Absprachen über die jeweilige Unterstützung von Wahlkandidaten etc. mit ein. Nach den Wahlausgang, den viele Parteivertreter links von der UMP als großen Erfolg feierten, machten sich unter Mitgliedern der PS, Grüne und Linksfront althergebrachte Illusionen breit. Insgesamt hatte das Bündnis 54,1 Prozent erreicht. Man rechnete einfach alle Kräfte mit ein, fühlte sich bestätigt und gestärkt und so war es nicht verwunderlich das die reformistischen und revisionistischen Kräfte alte Theorien aufwärmten. So war unter ihnen beispielsweise von einem Neuversuch eines dritten Weges zwischen Kapitalismus und Sozialismus die Rede. Als Voraussetzung, bzw. als einen Schritt hierfür, sieht man eine Regierungsübernahme an. Doch gibt es viele klassenkämpferische Kräfte innerhalb der Listen, die einen anderen Weg beschreiten: die Mobilisierung der Arbeiterklasse.

Viel wirkungsvoller als Illusionen über einen dritten Weg sind nämlich Proteste gegen das Kapital selbst. Ein guter Anfang war hierfür ein Nationaler Streik-und Aktionstag gleich nach den Regionalwahlen, den viele als „Dritten Wahlgang“ bezeichneten. Der Ausstand betraf den landesweiten Eisenbahnverkehr, den städtischen Nahverkehr, die Post, die Schulen und die Krankenhäuser. Gestreikt haben ebenso Beschäftigte der Privatwirtschaft. Eine große Uneinigkeit bestand jedoch noch unter den verschiedenen Gewerkschaften, die zu keiner echten Aktionseinheit fanden.

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