Letzten Monat hat auch der letzte Büroeinrichter in unserer Gegend
die festangestellten Möbelmonteure entlassen, nur um sie dann als
selbständige Subunternehmer weiter zu beschäftigen – wenn überhaupt.
Ich habe das schon vor zwei Jahren durchlebt und mittlerweile einige Erfahrungen
mit der sogenannten Selbständigkeit.
Am
Anfang war der Stundensatz recht ordentlich und wenn es viel Arbeit gab,
war das Auskommen kein Problem. Nur mittlerweile ist die Arbeit recht
selten geworden. Klar, wenn die Banken und Versicherungen ständig
Stellen abbauen ist der Bedarf an Büromöbeln natürlich
gering. Unsere Leerzeiten werden immer größer und die Verdienstausfälle
immer drastischer und wie es die Logik so will, ist man schnell bereit
jede Arbeit zu jedem Stundenlohn anzunehmen was die "Löhne"
natürlich weiter ruiniert. Man ist gezwungen jede Stunde mitzunehmen,
auch wenn man nach 12 Stunden eigentlich gerne "Feierabend"
hätte.
Die Freiheit der eigenen Zeiteinteilung erlaubt einem die Selbständigkeit
nicht wirklich, da argumentiert wird, als Selbständiger hat man keinen
8-Stunden Tag. Oft werden Büros in Abwesenheit der Angestellten eingerichtet,
was bekanntlich das Wochenende ist und so ein normales Familienleben kaum
mehr möglich ist. Mittlerweile ist die Zahl der selbständigen
Monteure so groß, daß man schon deshalb keinen Auftrag mehr
ablehnen kann, da die Drohung, daß dann keine Aufträge mehr
erfolgen würden, durchaus real ist. Die Arbeit selbst ist körperlich
recht anstrengend, sodaß es schon vorkommt, daß man sich mal
den Rücken verhebt und so, neben der normalen Grippe, Ausfälle
durch Krankheit gar nicht so ungewöhnlich sind. In dieser Zeit hat
man natürlich auch einen totalen Verdienstausfall. Weitere einfachste
Errungenschaften, wie Urlaubsgeld oder überhaupt Urlaub fallen weg.
Natürlich habe ich alle diese Kosten mal aufs Jahr verteilt, einschließlich
privater Krankenversicherung, Berufsgenossenschaft, Kammerbeiträge,
Rentenversicherung und diverser anderer nötiger Versicherungen. Es
war keine Überraschung, daß man mit dem alten Tariflohn viel
besser dastand. Nebenbei steht man als Selbständiger bei Banken als
kreditunwürdig da, was größere Anschaffungen fast unmöglich
macht. Was ich wohl am meisten vermisse, ist der regelmäßige
Gehaltseingang am Monatsanfang oder zur Monatsmitte. Denn die Zahlungsmoral
gegenüber kleinen Handwerkern ist mehr als dürftig und manchmal
bekommt man sein Geld auch gar nicht. Oft wartet man zwei Monate auf sein
Geld, was man sich bei den laufenden Kosten gar nicht leisten kann und
die Banken sind die letzten die hierfür Verständniss haben.
Die Möbelverkäufer haben alle Vorteile, da sie die Leute nur
je nach Auftragslage anforden.
Wie man seine Familie ernähren soll interessiert sie nicht. Könnte
ich wieder als Angestellter arbeiten würde ich das nur liebend gerne
tun, doch in meinem Bereich gibt es diese Möglichkeit nicht mehr.
Einige meiner alten Kollegen verhalten sich so wie man es von einem Unternehmer
erwartet. Die sehen in ihren alten Kollegen nur noch Konkurrenten. Doch
die meisten wünschen sich halbwegs geordnete Verhältnisse. Denen
ist wie mir klar, daß wir wie zu Zeiten des Frühkapitalismus
als rechtlose Tagelöhner arbeiten. Zum Glück wächst hier
der Zusammenhalt. Wir können daher nur müde lächeln wenn
die ICH-AG als Antwort auf die Arbeitslosigkeit angepriesen wird. Zum
Glück gibt es ja noch eine andere Antwort.