Tarifrunde Metall und öffentlicher Dienst: Die Beschäftigten müssen die Krise bezahlen – Lohnsenkung!

Lange vor den diesjährigen
Tarifrunden, gleich zu Beginn der Krise verkündete der IG
Metall-Vorsitzende Huber, er wolle den Kapitalismus retten: „Sie
brauchen keine Angst haben vor dem Untergang der Marktwirtschaft, da
kann ich Sie beruhigen.”

Zugleich kritisierte er den „rein
profitorientierten Kapitalismus“
, als ob es einen Kapitalismus
ohne Profite geben könne. Er will keine Abschaffung der Profite,
sondern deren Rettung.

Mit der Tarifrunde 2010 setzte er diese
Linie von oben konsequent durch – unter Ausschaltung jeglicher
innergewerkschaftlicher Demokratie. Die sonst üblichen Vorschläge,
Diskussionen in Vertrauensleutekörpern, Resolutionen und schließlich
Forderungsaufstellung entfielen diesmal ganz.

IG Metall-Vorsitzender Huber setzte gar
durch, dass zu Beginn der Verhandlungen überhaupt keine Forderung
gestellt wurde. In Geheimverhandlungen wurde dann ein Abschluss
getätigt, der nach Abzug von Inflation, höheren Steuern und
Abgaben, gestiegenen Krankenkassenbeiträgen usw. ein kräftiges
Lohnminus bedeutet.

Die Entgelte erhöhen sich wie
folgt: Für Mai 2010 bis März 2011 gibt es eine Einmalzahlung von
320 Euro. Auszubildende erhalten 120 Euro. Die Auszahlung
wird in zwei Teilbeträgen jeweils zum 1. Mai 2010 und zum
1. Dezember 2010 erfolgen. Zum 1. April 2011
erhöhen sich die Entgelte um 2,7 Prozent. Diese Erhöhrung kann
zwei Monate vorgezogen oder um zwei Monate nach hinten
verschoben werden. Der Entgelttarifvertrag hat eine Laufzeit von
23 Monaten bis zum 31. März 2012.“

(Quelle:
http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/SID-0A456501-54C56324/internet/style.xsl/view_3488.htm)

Der Einmalbetrag von 320 Euro auf 11
Monate umgerechnet macht ein Handgeld – besser Schandgeld – von
29 Euro pro Monat aus. Und es geht nicht in die Tariftabelle ein. Was
eine „Erhöhung“ von 29 Euro pro Monat real bedeutet, dazu
braucht man keine große Rechnerei. Jede Kollegin, jeder Kollege weiß
selbst, was davon übrig bleibt: Ein Loch im Geldbeutel!

Ab 1. April 2011 gibt es dann eine
„Lohnerhöhung“ von 2,7%. Bei 23 Monaten Laufzeit entspricht das
einer „Erhöhung“ von 1,4% pro Jahr! Auch hier bleibt nur ein
Loch im Geldbeutel! Außerdem fragen misstrauische Kolleg/innen: Was
weiß ich, was angesichts der Krisenentwicklung in einem Jahr noch
gilt? Eines weiß man schon jetzt: Wie mittlerweile leider üblich
geworden, gibt es die Öffnungsklausel, die dem, Kapital erlaubt, die
Erhöhung bis zu zwei Monate hinauszuzögern. Darüber wird dann im
Betrieb verhandelt, wo man von der jedesmaligen Stärke der
Belegschaft und der Dreistigkeit des Kapitals abhängig ist. Pro
Forma hat man übrigens die Möglichkeit gegeben, diese Erhöhung
zwei Monate vorzuziehen.

Weiterer Bestandteil des Tarifvertrages
ist eine tarifliche Verlängerung der Kurzarbeit über die staatliche
hinaus. Viele Kollegen wollten das aus Angst vor dem Verlust ihres
Arbeitsplatzes. Doch sie müssen dafür auf rund 20% Lohn verzichten!

Und jeder weiß, dass in den
zurückliegenden Monaten bereits in zahllosen Betrieben so genannte
„Beschäftigungssicherungsvereinbarungen“ getroffen wurden, durch
die bereits Zulagen gekürzt, Weihnachts- und Urlaubsgeld verringert,
Arbeitszeit weiter flexibilisiert wurden. Das heißt in vielen
Betrieben müssen die Kolleginnen und Kollegen doppelt und dreifach
für die Krise des Kapitals zahlen.

Im öffentlichen Dienst ist das
Ergebnis der Tarifrunde ähnlich erschreckend. Hatte
Verdi-Vorsitzender Bsirkse zu Beginn der Verhandlungen noch so getan,
als ob er im Gegensatz zur IG Metall keinen Lohnverzicht sondern
einen harten Kampf wolle, sah die Realität dann ganz anders aus.
Nach ein paar Warnstreiks wurde ebenfalls in Geheimverhandlungen und
Schlichtung ein Minusabschluss ausgekocht.

Der Schlichtungsspruch sieht für
das Jahr 2010 eine Erhöhung der Entgelte um 1,2 % ab 1. Januar 2010
und für das Jahr 2011 mehrere Erhöhungen vor. Am 1. Januar 2011
werden die Entgelte um 0,6 % und am 1. August 2011 um weitere 0,5 %
erhöht; am 1. Januar 2011 erfolgt zudem eine Einmalzahlung in Höhe
von 240 €.“

(Quelle:
http://tarif-oed.verdi.de/tarifrunden/2010-bund-und-kommunen/schlichtung/schlichtungsspruch)

Das ist letztendlich noch weniger als
bei IG Metall.

Angesichts der bereits durchgeführten
Warnstreiks, die durchaus Sympathie in der Öffentlichkeit und in
manchen Medien genossen, macht sich an der Basis Frust breit. Eine
Kollegin aus dem Kindergartenbereich, wo es sehr schwierig ist,
Aktionen zu organisieren, äußerte verständnislos: „Erst
bringt Bsirske die Leute in Aktion, dann lässt er sie fallen. Toller
Erfolg! Jedes Mal wird es schwerer, die Kollegen zu mobilisieren!“

Rettet Lohnverzicht Arbeitsplätze?

Viele Kolleginnen und Kollegen haben
Angst vor Entlassungen. Deshalb war diesmal die Kampfbereitschaft,
soweit wir das verfolgen konnten, nicht so hoch. Vielen kam es nur
auf die Rettung ihres Arbeitsplatzes an.

Doch werden mit Lohnverzicht
Arbeitsplätze gerettet? Nein! Das Gegenteil ist der Fall!

In „Arbeit Zukunft“, Nr.1, 2010
zitierten wir den Daimler-Chef Zetsche:

Im nächsten Jahr werden wir die
Anstrengungen unvermindert fortsetzen. Allerdings wird es weniger
darum gehen, einfach die Ausgaben zu k
ürzen,
al
s sämtliche Prozesse, die im Unternehmen ablaufen,
weiter zu verbessern…

Bei den Produktionskosten haben wir
das Ziel, möglichst wenige Stunden für die Produktion eines Autos
zu benötigen. In den vergangenen Jahren haben wir die größten
Fortschritte in der Branche erzielt mit etwa 10% Verbesserung im
Jahr. Die Produktion der A-Klasse beispielsweise erfordert heute
weniger Stunden als ein VW Golf.“

Bei
30% weltweiter Überproduktion in der Autobranche soll der Ausstoß
noch erhöht und so die nächste, schlimmere Krise vorbereitet
werden. Und wenn Geld bei den Löhnen gespart wird, dann fließt
dieses Geld in
Rationalisierungsinvestitionen!
Es wird damit also weiterer Arbeitsplatzabbau vorbereitet. Wenn dann
die Beschäftigungssicherungsverträge zu Ende gehen, genug in neue
Produktionsstraßen investiert worden ist, dann werden Werke, die nun
gegenüber der neuen Maschinerie „unrentabel“ geworden sind,
geschlossen.

Lohnverzicht „rettet“ also auf Dauer keinen Arbeitsplatz, sondern
bereitet die Vernichtung weiterer Arbeitsplätze vor!

Tarifverträge, die daher die Krise mit Lohnzurückhaltung bekämpfen
wollen, sind real kein Schutz vor der Krise. Sie halten nichts auf.
Im Gegenteil! Sie helfen beim weiteren Abstieg der Arbeiterklasse,
bei der Erhöhung der Konkurrenz unter der Arbeiterklasse.

Diktatur statt
Demokratie!

Der Tarifabschlsss bei der IG Metall ist unter Anwendung
diktatorischer Machenschaften zustande gekommen. Gewerkschaftliche
Demokratie wurde weitgehend abgeschafft. Verdi macht immerhin eine
Mitgliederbefragung. Wir empfehlen dringend, dabei gegen den
Abschluss zu stimmen.

Wir wissen, dass die Lage in den
Betrieben und Gewerkschaften derzeit schwierig ist. Viele
Kolleg/innen haben unter dem Druck der Krise Angst vor Entlassungen
und sind daher oft zu Zugeständnissen bereit. In vielen Betrieben
kam es deshalb bereits zu Lohnzugeständnissen und so genannten
Arbeitsplatzsicherungsverträgen. Eine Mobilisierung in dieser
Tarifrunde wäre daher nicht so einfach gewesen. Zunächst einmal
hätte man die Ängste überwinden müssen.

Doch daran dachten die IG Metall-Führung und auch die Verdi-Führung
nicht. Im Gegenteil, sie nutzten die Lage aus, um über die Köpfe
hinweg zu verhandeln. Sie versuchten gar nicht erst, über ein paar
kleine Aktionen hinaus aufzurütteln, zu mobilisieren. Sie
untersuchten gar nicht erst, was die Kolleg/innen wollen, welche
Forderungen sie haben. Sie gaben den Kampf schon vorher auf und
schwächten damit die Kampfkraft der Gewerkschaften und
demoralisierten die Mitglieder.

Man hatte den Eindruck, dass insbesondere die Führung der IG Metall
bewusst diesen diktatorischen Weg gegangen ist, obwohl sie sich
ziemlich sicher sein konnte, dass ihre Abschlüsse bei einer
Urabstimmung beim jetzigen Bewusstseinsstand eine ausreichende
Zustimmung erhalten hätten. Offensichtlich befürchten die
Herrschenden und auch ihre willigen Helfer innerhalb der
Gewerkschaften, dass es bei einer Zuspitzung der Krise auch zu einer
Zuspitzung der Klassenkämpfe kommen wird. Und da ist es im Sinne der
Herrschaft des Kapitals gut, die Menschen rechtzeitig daran zu
gewöhnen, dass sie nichts zu sagen haben. Doch so wird die
gewerkschaftliche Demokratie immer weiter zerstört und ebenso die
Kampfkraft. Wer das nicht will, muss sich entschlossen gegen diese
undemokratischen Machenschaften wehren.

Wer kämpft,
kann verlieren! Wer nicht kämpft, hat schon verloren!

Die Tarifrunde 2010 hat gezeigt, wie richtig diese alte Parole der
Arbeiterbewegung ist. Denn auch, wenn es derzeit schwer gewesen wäre,
die Kolleginnen und Kollegen zu mobilisieren, wäre das notwendig und
möglich gewesen. Wie weit die Kampfkraft gereicht hätte, das hätte
man nur im Kampf feststellen können. Diese Chance ist bewusst
zerstört worden.

Doch der Kampf gegen die Folgen der kapitalistischen Krise geht
weiter. Da ist es wichtig, Konsequenzen zu ziehen und eine richtige
Orientierung für diesen Kampf innerhalb der Gewerkschaften und der
Betriebe zu erarbeiten.

Zunächst einmal ist die Verteidigung der innergewerkschaftlichen
Demokratie dringend notwendig! In der IG Metall ist es notwendig
gegen dieses Vorgehen scharf zu protestieren. In Verdi muss gegen
diesen Abschluss mobilisiert werden.

Um innerhalb des kapitalistischen Systems wenigstens kleine, wirksame
Dämme zu errichten, die wenigstens etwas gegen die Angriffe des
Kapitals ausrichten können, ist es nötig, dass die Gewerkschaften
zwei Forderungen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen:

Mindestlohn!

Dafür müssen die Menschen in geduldiger Überzeugungsarbeit
gewonnen und mobilisiert werden. Denn ein allgemein gültiger
gesetzlicher Mindestlohn würde dem Lohndumping, dem immer weiteren
Absinken der Arbeiterklasse wenigstens eine absolute Untergrenze
entgegensetzen. Je höher ein solcher Mindestlohn wird, umso mehr
bremst er die Anstrengungen des Kapitals, die Löhne immer weiter zu
senken. Dabei ist zunächst einmal der Streit über die Höhe, ob
7,50 Euro oder 10 Euro sekundär. Wichtig wäre, eine Grenze der
Verteidigung zu ziehen, die das Kapital nicht mehr so leicht
überwinden und noch tiefer drücken kann. Diese Grenze müsste je
nach Kampfkraft so hoch wie möglich errichtet werden.

Arbeitszeitverkürzung!

Auch hier ist zunächst einmal die Höhe der Arbeitszeitverkürzung
nicht das Wichtigste. Wichtig wäre, dass so dem Druck der
kapitalistischen Rationalisierung etwas Wirksames entgegen gehalten
wird. Denn, wenn immer weniger Ware Arbeitskraft benötigt wird, weil
die kapitalistische Rationalisierung rasch voran schreitet, dann muss
Arbeitszeitverkürzung dies je nach Kampfkraft der Arbeiterklasse
mehr oder weniger abfangen.

Mit einer Durchsetzung dieser Forderungen ließe sich der Abwälzung
der Krisenlasten etwas entgegensetzen. Dazu müssten Gewerkschaften
nicht mehr in den engen Bahnen von Tarifen denken, sondern politisch
und gesellschaftlich gegen den Kapitalismus aktiv werden. Die
Durchsetzung solcher Forderungen würde der Arbeiterklasse auch
wieder Mut machen.

Doch dafür ist eine Mobilisierung notwendig, die von den
Gewerkschaftsführern, die eng mit dem Kapital verbandelt sind und
die Klassenzusammenarbeit zur Rettung des Kapitalismus suchen, nicht
erwartet werden kann.

Wer entschlossenen Kampf will, muss deshalb innerhalb der
Gewerkschaften und der Betriebe aktiv werden, aufstehen und alle
Kolleginnen und Kollegen um diese Forderungen sammeln. Überall in
den Betrieben und Gewerkschaften müssen Mitgliederversammlungen,
Diskussionrunden und die Vertrausensleutegremien dafür genutzt
werden. Sie müssen künftig wieder stärker den Alltag der
Gewerkschaften prägen. „Nutzt Eure Rechte als Mitglieder, statt
resigniert zu gehen!“ – das muss zur Richtschnur werden. Das
bedeutet entschlossene Aufklärungs- und Mobilisierungsarbeit und
zugleich Bekämpfung aller Tendenzen, die Gewerkschaften zu Bewahrern
des Kapitalismus zu machen, wie sie IG Metall-Chef Huber vertritt.
Solche Gewerkschaftsfeinde müssen ihre Macht und ihren Einfluss
verlieren und aus der Gewerkschaft raus!