Am 15. März plant die IG Metall in fünf deutschen Städten einen Aktionstag durchzuführen unter dem Motto: „Mein Arbeitsplatz. Unser Industrieland. Unsere Zukunft!“ In Hannover, Stuttgart, Köln, Frankfurt und Leipzig sollen sich auf Wunsch des Vorstandes mindestens 100.000 Kolleginnen und Kollegen versammeln und ein klares Zeichen in Richtung der Politik setzen. Man hofft zu diesem Zeitpunkt durch diese Aktion noch Einfluss auf die Koalitionsbildung und den Inhalt des Koalitionsvertrages nehmen zu können.
Deutsche Industrie verliert den Anschluss?
Das inhaltliche Programm für den Aktionstag soll dabei das sogenannte 11-Punkte-Papier darstellen, welches der Vorstand der IG Metall bereits im Mai 2024 veröffentlichte. Darin wird erklärt, dass sich der internationale Wettbewerb zwischen den Konzernen zunehmend verschärft und Staaten wie die USA und China bereits groß angelegte Programme unterhalten, mit deren Hilfe sie versuchen ihren Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Ein Beispiel auf das auch das 11-Punkte-Papier zu sprechen kommt: der „Inflation Reduction Act“ der Biden-Administration. Zusammen mit dem „Infrastructure Investment and Jobs Act“ und dem „CHIPS and Science Act“ investieren die USA damit etwa 2 Billionen Dollar in ihre eigene Wirtschaft. Ein anschaulicher Beweis dafür, wie verzweifelt der US-Imperialismus versucht, im Wettrennen mit dem chinesischen Imperialismus, seinen Platz an der Spitze der Weltwirtschaft zu verteidigen. Doch angesichts dieses Wettrennens dieser beiden Imperialisten fürchtet der Vorstand der IG Metall: „Deutschland steht still, droht im globalen Wettbewerb den Anschluss zu verlieren.“
Und allerdings: Tatsächlich beobachten wir seit Jahren eine kontinuierliche, mitunter auch sprunghafte, Verschärfung des Wettbewerbs zwischen den verschiedenen Staaten, der die Welt zunehmend in zwei Lager teilt (siehe dazu Erweiterung der NATO und der BRICS), der zur Folge hat, dass nicht nur hunderte Milliarden in die jeweils eigene Volkswirtschaft gepumpt werden, sondern auch hunderte-milliarden-schwere, globale Infrastrukturprogramme in Gang gesetzt werden, um den jeweils eigenen Einfluss zu stärken und andere Staaten in Abhängigkeit zu bringen (siehe dazu das „One Belt, One Road“-Projekt, die „Build Back Better World“-Initiative oder die „Global Gateway“-Initiative), der zum rasanten Anstieg der weltweiten Rüstungsausgaben in den vergangen Jahren geführt hat und in dessen Folge die Anzahl der Kriege weltweit ansteigt.
Ebenso wird es für die deutschen Konzerne und den deutschen Staat in dieser angespannten internationalen Lage immer schwieriger, ihren Platz zu verteidigen und eine eigenständige Stellung zu bewahren. Ein Beispiel dafür ist die Stilllegung und spätere Sprengung der North-Stream-Pipelines im September 2022, die das deutsche Kapital nachhaltig von günstigem russischen Gas abschnitt und damit zum Anstieg der Energiekosten in Deutschland führte, was den „energieintensiven“ Unternehmen und Konzernen in Deutschland einen nennenswerten Wettbewerbsnachteil auferlegte. Das Szenario, das der IG Metall Vorstand in seinem 11-Punkte-Papier zeichnet, trifft also durchaus zu.
11 Punkte – für wen?
Ziel dieser 11 Punkte ist daher, „dass Deutschland ein erfolgreiches Industrieland bleibt.“ Schließlich würde ein „erfolgreiches Industrieland“ auch gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten bedeuten, oder?
Werfen wir zunächst einen genaueren Blick auf die 11 Punkte. Diese lauten:
- Deutschland muss Industrieland bleiben!
2. Bekenntnis der Arbeitgeber zu Standort und Investitionen nötig
3. Jetzt für morgen investieren
4. Mehr Spielraum und Gerechtigkeit bei der Finanzierung
5. Wer Förderung will, muss Regeln einhalten
6. Die Mobilitätswende massiv beschleunigen
7. Die Energiewende entschlossen angehen – energieintensive Unternehmen entlasten
8. Arbeit für besseres Klima braucht qualifizierte Fachkräfte
9. Arbeit und Ausbildung in der Region stärken
10. Weniger Bürokratie – aber richtig!
11. Sozialen Kahlschlag verhindern – Für einen starken und zukunftsfesten Sozialstaat!
Was sich im Wesentlichen hinter allen diesen, zum Teil durch sozialdemokratischem Sprech verschönerten Überschriften verbirgt, ist die Forderung nach umfangreichen Subventionen und Entbürokratisierung zugunsten der deutschen Wirtschaft. Also ein direkter Gegenentwurf zu den inhaltsgleichen US-amerikanischen und chinesischen Konjunkturprogrammen. In guter sozialdemokratischer Manier und in ihrem Selbstverständnis als „Co-Manager“ möchte die IG Metall mit diesem 11-Punkte-Papier also beweisen, dass sie eine bessere Wirtschafts- bzw. Industriepolitik machen kann, als es die Arbeitgeber, das heißt die Kapitalseite, aktuell tut. Besser in dem Sinne, als dass mit Hilfe dieser 11 Punkte die Wettbewerbsfähigkeit, also die Profitabilität, der deutschen Konzerne verbessert werden könne und damit der Platz des deutsche Kapitals im internationalen Wettrennen um einen Platz an der Sonne gesichert werden könne. Doch wie passt die Absicht, Deutschland immer noch tiefer in das zwischenimperialistische Wettrennen hineinzuziehen und die Profitabilität der deutschen Konzerne zu steigern, mit den Interessen der Arbeiter in Deutschland zusammen?
Industriepolitik vs. Arbeiterpolitik
Im Grunde gar nicht. Denn entgegen der Verklärungen der Sozialdemokratie, die für Deutschland eine „neue Führungsrolle“ vorsieht, werden die Maßnahmen zur Steigerung der Profitabilität zwangsläufig auf dem Rücken der Arbeiter ausgetragen werden müssen, ob in der einen oder der anderen Form. Ein anschauliches Beispiel für diese Tatsache bieten die Geschehnisse bei VW. Denn um die Umsatzrendite bis 2026 von 3,5 auf 6,5% zu erhöhen, verabschiedete VW ein Sparprogramm in Höhe von 10 Milliarden Euro. Die Folgen dürften hinlänglich bekannt sein: Nach Abschluss der Tarifverhandlungen steht fest, dass 35.000 Arbeitsplätze abgebaut werden, dass in den nächsten ein bis drei Jahren mindestens zwei Werke geschlossen werden, dass die Wochenarbeitszeit um ein bis zwei Stunden erhöht wird und dass die Beschäftigten fünf Jahre auf Lohnerhöhungen und drei Jahre auf Lohnbestandteile verzichten müssen. Es wird deutlich: Zur Steigerung der Gewinne gehören in erster Linie Rationalisierungsmaßnamen, Arbeitsverdichtung, Lohnkürzungen und die Entgrenzung der Arbeitsbedingungen.
Doch das 11-Punkte-Papier nutzt einen besonderen Kniff, um diesem Umstand vermeintlich aus dem Weg zu gehen: Steigerung der Profite durch Bezuschussung aus staatlichen Kassen. Doch zum einen schließt das solche aggressiven Angriffe auf die Belegschaft wie im Falle von VW keineswegs aus. Diese Angriffe wird es immer geben, denn im Kampf der Konzerne um Rendite und Absatzmärkte wird jede Profitsteigerung dringend benötigt, sei es auch eine noch so kleine Nachkommastelle.
Zum anderen bedingen auch die dutzenden Milliarden an Wirtschaftssubventionen eine Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arbeiter, wenngleich über einen „kleinen“ Umweg. Finanziert werden diese dutzenden Milliarden an geplanten Mehrausgaben – Christiane Benner forderte Anfang 2024 bereits ein 600-Milliarden-Sondervermögen für die Wirtschaft – nämlich selbstverständlich nicht durch die Erhöhung der Steuerlast für das Kapital. Denn eben das möchte man ja mit diesen Maßnahmen bevorteilen. Stattdessen wird in anderen Bereichen des Bundeshaushaltes gekürzt, allen voran im sozialen Bereich. Die Krankenhaus-„Revolution“ von Lauterbach, die Kürzung des Gesundheitsbudgets im Bundeshaushalt 2024 um 33%, die Angriffe auf das Asylrecht, die Streichung von Geldern für Jugendbildung, Wohngeld, BAföG, Bundesfreiwilligendienst und vieles mehr. All diese Kürzungen machen sich zwangsläufig im Leben der arbeitenden Bevölkerung bemerkbar. Es kann keine Industriepolitik geben, die nicht zulasten der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter geht. Spätestens indem das Befeuern des zwischenimperialistischen Wettrennens auch die Kriegsgefahr in der Welt allgemein, aber auch in Deutschland speziell, steigert, wendet sich die Industriepolitik, die im Rahmen des 11-Punkte-Papiers verfolgt wird, gegen das Interesse der Arbeiter in Deutschland.
Hier unser Flugblatt zum Aktionstag am 15. März 25: igm-aktionstag-2-seiten-ohne