Aktionäre kassieren – Kolleginnen und Kollegen zahlen!
Nach monatelangen zähen Verhandlungen zwischen IG Metall und Betriebsrat einerseits und dem VW-Management andrerseits kam kurz vor Weihnachten ein Tarifabschluss zwischen IG Metall-Führung und den VW-Bossen zustande. Dieser kam zuletzt nach einem „70-stündigen Verhandlungsmarathon“, so IG Metall-Verhandlungsführer Torsten Gröger, zustande. Da stand ja auch jemand ganz schön unter Druck: Die VW-Bosse, die angesichts drohender sinkender Rendite ihr „Sanierungs“-Konzept durchziehen wollten, bestehend aus Entlassungen, Betriebs-Stilllegungen und Lohn- bzw. Gehaltskürzungen. Andererseits die IG Metall, die eine „sozialverträgliche“ Einigung mit dem Unternehmen anstrebte, aber durch die Wut und kämpferische Haltung der Kolleginnen und Kollegen zu einer härteren Gangart gezwungen war.
Nachdem der Konzernvorstand im Sommer sämtliche Tarifverträge mit der IGMetall gekündigt hatte und im Grunde nur noch über das „milliardenschwere Sparpaket für den Umbau des Autoherstellers“ (Handelsblatt) verhandelt werden konnte, gingen die Beschäftigten in zwei Warnstreiks mit jeweils über 100.000 Kolleginnen und Kollegen auf die Straße. In einer Pressekonferenz von IGM und Betriebsrat dankte BR-Vorsitzende Daniela Cavallo ausdrücklich den Beschäftigten: „Es war eine Riesenunterstützung“. Diese Kampfbereitschaft der Beschäftigten hat sicher dazu geführt, dass die VW-Bosse nicht mit ihren unverschämten Forderungen durchgekommen sind. Sie wollten mehrere Standorte schließen, massenhaft Stellen streichen und darüber hinaus noch einen Lohn- bzw. Gehaltsabzug von 10%! Und das obwohl der VW-Konzern nach Abzug von Steuern 2023 einen Gewinn von 17,9 Milliarden Euro erzielte, von denen der Konzernvorstand 9 Milliarden an die Aktionäre ausschüttete.
Was ist nun das Ergebnis der Tarifverhandlungen?
Torsten Gröger nannte bei der Pressekonferenz in Hannover drei „rote Linien“, über die die IG Metall bei den Verhandlungen mit VW nicht hinausgegangen sei: keine Massenentlassungen, keine Eingriffe in das laufende monatliche Entgelt und ein Zukunfts-Tarifvertrag (keine Kündigung vor 31.12.2030).
Sehr bezeichnend sprach Gröger auf der Pressekonferenz über „gemeinsame Krisenbewältigung“ (Hervorhebung von uns), was unterstellt, Beschäftigte und VW-Bosse hätten doch irgendwie gemeinsame Interessen. Genau das gibt der erzielte Kompromiss aber nicht her. Denn im Ergebnis zahlen die Beschäftigten drauf!
VW und IG Metall haben sich auf eine „Jobgarantie“ bis Ende 2030 verständigt. Gleichzeitig will Volkswagen nach eigenen Angaben in diesem Zeitraum mehr als 35.000 Stellen abbauen. Der Stellenabbau solle „sozialverträglich“ erfolgen. Wie das gehen soll, steht noch auf einem anderen Blatt. Wahrscheinlich wird es Druck und „Verlockungen“ geben, um die Kolleginnen und Kollegen z.B. in Altersteilzeit, in Auffanggesellschaften usw. zu bringen. Für die übrigen Beschäftigten steigt damit der Arbeitsdruck, denn es soll ja weiter gewinnbringend produziert werden.
Mit „keine Standorte schließen“ stimmt das auch nicht so:
Osnabrück: Bis Mitte 2027 wird in Osnabrück das T-Roc Cabrio gefertigt. Derzeit werden Optionen für „eine andere Verwendung des Standorts geprüft“. Damit bleibt neben einem Verkauf an andere Eigner, Investoren bzw. einen anderen Konzern auch die Möglichkeit einer Schließung auf dem Tisch! Jedenfalls sieht Sicherheit für die Jobs anders aus. Dasselbe gilt auch für den Standort Dresden: Ende 2025 wird die Fahrzeugfertigung in der Gläsernen Manufaktur eingestellt. Die Volkswagen AG erarbeitet Alternativoptionen. Hierzu gehört auch die Möglichkeit einer Beteiligung der Volkswagen AG an einem Konzept Dritter.
Zudem einigten sich VW und die IG Metall darauf, dass es bis 2027 keine Entgelterhöhungen geben soll. Das monatliche Entgelt bleibt laut der Gewerkschaft unberührt, das heißt, es wird nicht erhöht. Das bisher gezahlte erhöhte Urlaubsgeld entfällt für die kommenden Jahre. Im Vergleich zum Tarifabschluss bei Metall und Elektro eine Einkommenseinbuße von satten ca. 5,5%!
Insgesamt ist das für die Beschäftigten ein schmerzhafter Tarifabschluss: Stellenstreichungen und Einbußen bei Löhnen und Gehältern.
Der Abschluss geht somit gegen die Interessen der Beschäftigten bei VW und ist der Linie der Sozialpartnerschaft, die den IG Metall-Vorstand beherrscht, gefolgt. Und die steht, wie es Kollege Gröger auch ausspricht, für „gemeinsame Krisenbewältigung“. Aber die VW-Bosse und die Kolleginnen und Kollegen haben eben keine gemeinsamen Interessen. Unser Interesse ist es, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben und ein Einkommen, mit dem man anständig leben kann. Ihr Interesse ist es, möglichst viel Profit aus unserer Arbeit herauszuschlagen.
Es wäre trotz alledem der falsche Schluss, der IG Metall aus Ärger und Frust den Rücken zu kehren. Denn unorganisiert bist Du noch viel mehr der Willkür des Unternehmers ausgeliefert als in einer großen Gewerkschaft. Dass Kampf und Widerstand zusammen mit der Gewerkschaft möglich sind, das haben die zwei großen Warnstreiks gezeigt.
Die fortschrittlichen und kämpferischen Kräfte in der IG Metall müssen sich zusammenschließen und gemeinsam gegen die klassen-versöhnlerische Haltung der IG Metall-Führung ankämpfen.
S.N.