Bundestagswahlkampf: Märchenstunde

Am 23. Februar 2025 soll die nächste Wahl zum Bundestag stattfinden. Nach dem Scheitern der „Fortschrittskoalition“ aus SPD, Grünen und FDP ist nun Wahlkampf angesagt. Versprechungen muss man nach der Wahl nicht einhalten. Da voraussichtlich keine Partei die Mehrheit bekommt und damit eine Koalition notwendig ist, kann auch jede Partei die Schuld für die gebrochenen Wahlversprechen bequem auf andere abschieben. Schauen wir uns an, was die Wahlprogramme (teilweise sind erst Entwürfe vorhanden) für die Arbeiterklasse bedeuten.

CDU/CSU: Sozialabbau und Krieg

Die CDU/CSU will, das hört sich schön an, die Sozialversicherungsbeiträge auf 40% senken. Das geht nur durch radikale Kürzungen bei Gesundheit und Rente oder man muss das Geld an anderer Stelle eintreiben. Dazu schweigt man.

Das Füllhorn für das Kapital ist dagegen voll und sehr konkret. Die Unternehmensteuer soll noch weiter auf 25% gesenkt, der Soli abgeschafft und höhere Abschreibungen sowie Verlustrechnungen zu weiteren Steuersenkungen führen.

Das sowieso löchrige Lieferkettengesetz soll ganz verschwinden. Das bedeutet: Freie Bahn für international schärfere Ausbeutung und Umweltzerstörung.

Bei der Energie setzt die CDU/CSU auf Atomstrom, dessen Produktion aus guten Gründen in Deutschland eingestellt wurde. Energie soll so angeblich billiger werden. Das sieht nur so aus, wenn man die Entsorgungskosten für mehrere tausend Jahre ausblendet. Das „christliche“ Motto der CDU/CSU ist: Nach uns die Sintflut!

Einen angeblich „Gerechten Sozialstaat“ will die CDU/CSU durch die Abschaffung des Bürgergeldes schaffen. An die Stelle soll eine deutlich geringere „Neue Grundsicherung“ treten und der Druck auf die Empfänger erhöht werden.

Der Polizei- und Überwachungsstaat soll mit Videokameras und automatischer Gesichtserkennung sowie totaler Kontrolle des Internets massiv ausgebaut werden. Wer so die Reichen reicher und die Armen ärmer machen will, der braucht einen „starken Staat“. Passend dazu soll der Kampf gegen „Linksextremismus“ verschärft werden. Das „Eigentum“ soll geschützt werden, also die Reichen.

Und als zweites Mittel, um von der arbeiterfeindlichen Politik abzulenken, dient Rassismus und Hetze. Die CDU/CSU will massiv abschieben, Asylverfahren in Drittstaaten auslagern, Leistungen für Asylbewerber kürzen. So schafft man sich einen Sündenbock, der dann für alles „verantwortlich“ gemacht wird.

Bei der Militarisierung gehen CDU/CSU voran: Wehrpflicht, mindestens 2% für Aufrüstung, Ausbau der Rüstungsindustrie.

Hat die CDU/CSU in ihrem Wahlprogramm sehr konkrete Forderungen für Steuersenkungen für die Reichen, für Aufrüstung und einen starken Polizei- und Überwachungsstaat, so gibt es dagegen bei Bildung, Gesundheit, Pflege und Wohnungsnot nur nette Versprechungen. Wie die vielen Versprechungen realisiert oder gar finanziert werden? Fehlanzeige!

SPD: Auf einmal sozial und tatendurstig

In verschiedenen kleinen, großen und Ampel-Koalitionen hat die SPD viele Jahre an Sozialabbau, Verschlechterung im Gesundheitswesen, bei Pflege und Rente, Bildungsmisere mitgewirkt. Nun entdeckt sie zur Wahl ihr „soziales Herz“. Laut ihrem Wahlprogramm will sie „kraftvoll“ in „unsere Bahn, unsere Straßen und Brücken“ investieren. Das Füllhorn scheint unerschöpflich. Sie will „anständige Löhne, bezahlbare Lebensmittel und erschwingliche Mieten“. Selbstverständlich fordert sie „stabile Renten, …gute Gesundheit und Pflege, …intakte Schulen und Kitas“, „günstigen Strom“, „Klimaschutz und Gleichberechtigung“. Angeblich hat sie jahrelang schwer dafür gekämpft, offensichtlich aber wenig erreicht. Daher tauchen solche und ähnliche Forderungen in Dauerschleife in allen Wahlprogrammen der SPD auf. Konkret wird es aber auch bei der SPD nur bei den Maßnahmen für das Kapital: Ein „Deutschlandfonds“ für öffentliches und privates Kapital für Investitionen, also mehr Geld für die Konzerne. Unternehmen sollen durch eine Steuerprämie für Investitionen und viele weitere Möglichkeiten entlastet werden. Zu Recht stellt die SPD in ihrem Wahlprogramm fest: „In Deutschland werden Einkommen aus Arbeit stärker als Vermögen besteuert.“ Da hätte sie schon lange etwas tun können. Auch jetzt wollen sie das nicht abschaffen, sondern „verändern und mehr Steuergerechtigkeit schaffen.“ Im Klartext heißt das: Wir werden da ein paar Schönheitskorrekturen vornehmen. Wenn aber gleichzeitig Unternehmenssteuern – siehe oben – gesenkt werden, dann haben die Reichen am Ende noch mehr. Für die Arbeiterklasse gibt es nur eine Seifenblase. Sie fordern „eine international koordinierte Mindeststeuer für Superreiche“. Hört sich toll an. Aber da die SPD weiß, dass das im Kapitalismus und bei der zunehmenden Verschärfung der Konkurrenz niemals realisiert wird, kann sie mit reinem Gewissen sagen: „Wir wollten ja so gern!“

Grüne: Blumig für Aufrüstung

Richtig erklären die Grünen zu Beginn ihres Wahlprogramms: „Die Preise sind gestiegen, und der Lohn der eigenen Arbeit wurde für viele durch Miete, Heizen und die nötigsten Ausgaben aufgebraucht.“ Ja! Aber was haben dann die Grünen jahrelang in der Regierung gemacht? Wie hieß noch einmal der Wirtschaftsminister? Damit man davon ablenken kann, folgt direkt nach diesem Satz „Putins Angriffskrieg“. Putin ist sicher schlimm. Aber ist der jetzt auch für die hohen Mieten verantwortlich? Und dass sich die „Klimakrise verschärft“, wie sie ebenfalls richtig schreiben, ist ja nicht neu. Aber was haben sie bei ihrem Kernthema getan? Sie behaupten, man sei „jetzt tatsächlich auf Kurs zum Erreichen der Klimaziele eingeschwenkt.“ Doch wissenschaftliche Institute beweisen das Gegenteil! Deutschland verfehlt selbst die kleinen Klimaziel, die sich der bürgerlich-kapitalistische Staat gesetzt hat. Schönfärberei! Sie wollen auch in „deutsche und europäische Sicherheit“ investieren, also mehr Aufrüstung und Krieg! „Die Bundeswehr ist ein Grundpfeiler unserer Wehrhaftigkeit.“, meinen die Grünen in ihrer militaristischen Grundhaltung. Ihr früherer Pazifismus ist passé.

Unternehmen sollen noch mehr „Raum bekommen“. Mehr Raum für die, die das Klima ruinieren? Mehr Raum für die, die Löhne drücken, Mieten unbezahlbar machen, alles dem Profit unterordnen? Ein bunter Blumenstrauß an leeren Versprechungen, dafür ein Herz für den Profit – das ist grüne Politik!

Sie beklagen, dass es „2,9 Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss“ in Deutschland gibt. Was haben sie dagegen getan? Abgesehen davon ist Bildung Ländersache. Aber auch in den Bundesländern, in denen die Grünen in der Regierung sind, ist Bildung oder gar Bildungsgerechtigkeit nicht besser, sondern schlechter geworden. Kürzungen für mehr Rüstung und Industriesubventionen.

Auffällig am Programm der Grünen sind die vielen blumigen Phrasen. Doch nirgends wird klar gesagt, was man wirklich machen wird. „Mehr Sicherheit“? Das hört sich harmlos an. Doch in der Realität setzen sich die Grünen für mehr Aufrüstung und Krieg ein. Beim Krieg in Gaza und Libanon stehen sie fest zu Israels Aggression.

FDP: Sozialabbau und Reiche reicher machen

Sie will „den Solidaritätszuschlag abschaffen“, der nur noch auf hohe Einkommen erhoben wird. „Die Unternehmenssteuerlast“ soll „auf unter 25 %“ gedrückt werden. Sozialabgaben sollen – wie bei der CDU/CSU unter 40% gedrückt werden. Es bedeutet zwangsläufig massiven Abbau bei Gesundheit, Renten, Pflege. Dafür soll es dort „kapitalgedeckte Elemente“ geben, also ran an die Börse und spekulieren. Da freut sich das Finanzkapital.

Das extrem umweltschädliche Fracking sowie Atomkraftwerke sollen kommen. Billig ist da nichts, weil die Allgemeinheit die ungeheuren Folgekosten für die Schäden tragen muss. Klimaschutz soll abgebaut werden.

Das arbeiterfeindliche Programm wird in der Haltung zu Flüchtlingen besonders krass deutlich: „Einwanderung nach klaren Regeln: in den Arbeitsmarkt, aber nicht in die sozialen

Sicherungssysteme“. Schuften dürft ihr, aber soziale Rechte gibt es nicht. Mit solchen rechtlosen Billigstarbeitskräften lassen sich auch die Löhne und Arbeitsbedingungen für alle anderen nach unten drücken.

Passend zum Sozialabbau will die FDP Aufrüstung und Krieg. Sie verlangt „die unverzügliche Lieferung des Marschflugkörper Taurus“ an die Ukraine und die „sicherheitspolitische Zeitenwende“, also massive Aufrüstung. Sie wollen das 2%-Ziel für die Bundeswehr noch übertreffen und „die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Streitkraft in Europa machen“. Passend wollen sie die Gangart mit Russland und China verschärfen. Gleichzeitig fordern sie „mehr Realismus in der Außenpolitik… und weniger …moralischen Zeigefinger“. Im Klartext: Mit uns genehmen Diktaturen arbeiten wir gern zusammen. Scharfmacherisch fordern sie in der explosiven Lage im Nahen Osten für Israel „völkerrechtlich garantiertes Recht auf Selbstverteidigung“ und „Rüstungsexporte ein legitimes Mittel der Außen- und Sicherheitspolitik“.

AfD: Hass, Spaltung und freie Bahn fürs Kapital

Die angebliche Partei des kleinen Mannes ist eine aggressivere Variante der Verteidiger des Kapitals. Sie will Vorrang für den Wettbewerb, Grundsteuer, Vermögens- und Erbschaftsteuer abschaffen. Mit „Eigenverantwortung der Bürger stärken“ ist gemeint: Sozialabbau. Bei Renten, Gesundheit, Pflege verspricht die AfD sehr viel. Angeblich will sie beispielsweise das Rentenniveau erhöhen. Sie verrät aber nicht, wie dieses Wunder im Kapitalismus real werden soll. Das Bürgergeld wollen sie radikal kürzen und den Druck auf die Empfänger erhöhen. Sie fordern mehr Sanktionen durch die Jobcenter. Dazu hetzen sie über eine angebliche „Masseneinwanderung in den Bürgergeld-Bezug“. Dabei wissen sie, dass Flüchtlinge gar kein Bürgergeld bekommen. Den sozialen Wohnungsbau wollen sie abschaffen, dafür mehr Wohngeld zahlen, was im Markt zu höheren Mieten führt.

Für manche erscheint die AfD z.B. bei der Ukraine als „Friedenskraft“. Doch sie will vor allem eine Stärkung des deutschen Imperialismus als führende Kraft in Europa: „Die AfD unterstützt das sicherheitspolitische Konzept einer strategischen Autonomie Europas und seiner Ausprägung zu einem eigenen Machtzentrum in der sich verändernden Weltordnung.“ Sie will eine „Wiederherstellung der Wehrfähigkeit Deutschlands“, also Aufrüstung und Großmachtpolitik. Sie will „den Ausbau einer autonomen und leistungsfähigen wehrtechnischen Industrie in Deutschland.“ Die Bundeswehr soll „ einen starken Korpsgeist“ haben. „Die Tugenden des Soldaten sind Ehre, Treue, Kameradschaft und Tapferkeit.“ Also offener Militarismus!

Wer Sozialabbau und Militarisierung will, braucht einen Sündenbock. Bei der AfD sind das, wie auch bei anderen bürgerlichen Parteien, Flüchtlinge, Migranten, Ausländer. Hass und Hetze sollen ablenken und spalten.

Seifenblasen der Linken

Die Linke will Harmonie statt Klassenkampf: „Eine Gesellschaft, in der man sich gegenseitig zuhört und unterstützt, in der alle gesehen und gehört werden.“ Sie phantasieren: „Es ist möglich. Ein Leben, in dem alle ein sicheres Einkommen haben, die Mieten bezahlbar sind und nicht jeder Supermarkteinkauf zum Schock an der Kasse führt, ist möglich. Ein Leben, in dem Konflikte friedlich gelöst werden und Klimapolitik nicht auf Kosten der Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen geht, ist möglich. Ein Leben, in dem jeder Mensch die gleichen Rechte hat, ist möglich.“

Ohne überhaupt über die realen Möglichkeiten in dieser Gesellschaft zu sprechen, fordern sie einen bunten Strauß von Maßnahmen: Mietendeckel, Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel abschaffen, Marktmacht von großen Supermarktketten brechen, Heiz- und Strompreise bezahlbar, mehr Geld für Kinder und Familien, höhere Renten, Schuldenbremse weg, investieren in Bildung, Brücken, Bus und Bahn und die Wirtschaft, soziale Klimapolitik, Recht auf Asyl. Wie illusionär das ist, kommt krass in der Forderung „Reichtum für uns alle“ zum Ausdruck.

Sie reden viel von „Abrüstungsverträgen, Kooperation, Diplomatie und friedlicher Konfliktlösung“ ohne ein Wort über Imperialismus und Kapitalismus. Das ist alles sehr schön, aber zugleich völlig unverbindlich. Wenn man dagegen das reale Verhalten der Linken stellt, wenn sie wie in Thüringen oder in Berlin Regierungsmacht hatte, zerplatzen die Illusionen wie Seifenblasen.

BSW: Arbeiter und Kapital gemeinsam?

Richtig beklagt das BSW viele Missstände in Deutschland. Damit sind sie nicht allein. Denn auch alle anderen Parteien von CDU/CSU, SPD, FDP, Linke bis hin zur AfD weisen teils zu recht auf Missstände hin. Und wie alle anderen führt auch das BSW in die falsche Richtung. Sie „stehen für eine Rückkehr der Vernunft“, eine nichtssagende Floskel. Sie beklagen, dass „viele Märkte nicht mehr funktionieren.“ Also wollen sie einen funktionierenden Kapitalismus? Eine nette Illusion! Ebenso illusionär wollen sie „eine innovative Wirtschaft mit fairem Wettbewerb, gut bezahlten sicheren Arbeitsplätzen, einem hohen Anteil industrieller Wertschöpfung, einem gerechten Steuersystem und einem starken Mittelstand“. Dazu fordern sie weniger Klima- und Umweltschutz, dafür „die Entwicklung innovativer Schlüsseltechnologien“. Sie wollen zurück zur „sozialen Marktwirtschaft“, obwohl sie feststellen, dass es diese nicht mehr gibt. Sie wollen den Kapitalismus nicht abschaffen, sondern „eine faire Leistungsgesellschaft“. Kapitalismus war und ist niemals „fair“. Das BSW redet von Friedenspolitik, verlangt aber gleichzeitig: „Die Bundeswehr hat den Auftrag, unser Land zu verteidigen. Für diese Aufgabe muss sie angemessen ausgerüstet sein.“ Also mehr Rüstung. Bei Migration fällt dem BSW ein, dass das zu mehr Konkurrenz in der Arbeiterklasse führt. Das stimmt! Aber die Antwort lautet beim BSW nicht Einheit, Kampf gegen Spaltung, Solidarität. Stattdessen wollen sie wie alle anderen Zuwanderung begrenzen. Es ist entlarvend: Gegen das Kapital will man nichts machen, sondern Arbeiter und Kapital gemeinsam für ein wirtschaftlich und politisch starkes Deutschland in ein gemeinsames Boot holen. Aber die Zuwanderer will man bekämpfen.

Was tun?

Nimmt man alle Wahlprogramme der großen bürgerlichen und links-sozialdemokratischen Parteien, so vertritt keine die Interessen der Arbeiterklasse. Es gibt Schattierungen und Unterschiede vor allem bei den Versprechungen und Illusionen. Letztlich wollen alle ein starkes, kapitalistisches Deutschland. Es zeigt sich auch der Rechtsruck der bürgerlichen Politik. Was früher nur Positionen der AfD waren, ist zu Positionen fast aller geworden. Einen grundsätzlichen Bruch mit Ausbeutung, Militarisierung, Abbau demokratischer Rechte oder gar eine andere, sozialistische Gesellschaft will keine der großen antretenden Parteien. In dieser Situation können wir keine Wahlempfehlung geben. Im Einzelfall kann es jedoch sinnvoll sein, vor Ort Kandidaten die Erststimme zugeben, die durch ihr Verhalten zeigen, dass sie sich für die Interessen der Arbeiterklasse einsetzen. Wenn sie mehr Stimmen erhalten, stärkt das auch ihr Gewicht und ihre Möglichkeiten.

Langfristig gibt es jedoch nur einen Weg: Aufbau einer breiten klassenkämpferischen Front, die als Bündnis aller fortschrittlichen Kräfte antritt und damit dem Klassenkampf eine Stimme im Parlament gibt.