Foto: Fregatte Baden-Württemberg, wikimedia, von Ein Dahmer, CC-Lizenz
Aufrüstung noch und nöcher
Der russische Angriff auf die Ukraine war Startpunkt einer rasend schnellen Militarisierung Deutschlands, die von massivem Sperrfeuer aus Medien und Politik begleitet wurde. Angefangen bei dem wahnwitzig hohen Sondervermögen zur angeblichen „Stärkung der Verteidigungsfähigkeit“, war die Bundesregierung bald bei der offenen Propagierung der deutschen „Kriegstüchtigkeit“ angekommen. In der Tagesschau wird über den Zustand der deutschen Zivilbunker berichtet, während gleichzeitig die Chefetagen der deutschen Waffenindustrie die Sektkorken knallen ließen, da sich Umsätze und Aktienindexe über Nacht vervielfachten.
Allerdings bleibt es auf dem Weg zur völligen „Kriegstüchtigkeit“ nicht bei den leeren Worten der Kriegstreiber in Parlament, Redaktionsbüro und Chefetage. „Verteidigungs“minister Pistorius arbeitet offen an Konzepten zur Wiedereinführung der Wehrpflicht, die zukünftig mithilfe von Pflicht-Fragebögen realisiert werden soll. Wer allerdings die „Kriegstüchtigkeit“ Deutschlands erreichen möchte, der kann sich mit der zusätzlichen Rekrutierung einiger paar tausend Jugendlicher nicht zufriedengeben. Und so zeigt sich in den letzten Monaten immer deutlicher: Auch die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung legt einen klaren Fokus auf die geplante Aufrüstung und die allgemeine Kriegsbereitschaft Deutschlands. „Mobilmachung auf allen Ebenen!“ schlägt der Zeiger.
An der Spitze der massiven Aufrüstungsbemühungen der deutschen Bundesregierung steht offensichtlich das wahnwitzig hohe Sondervermögen von 100 Milliarden Euro aus dem Jahr 2022. Diese riesige Finanzspritze für die Bundeswehr markierte damals den Einbruch der scholz‘schen Zeitenwende und sollte den Arbeitern klar signalisieren, dass nun neue Zeiten anbrechen sollen. Zeiten der „neuen deutschen Führungsrolle“ in der Welt, wie es Lars Klingbeil, SPD-Vorsitzender, Mitte 2022 formulierte. Dicht gefolgt wird das Sondervermögen von der horrenden Erhöhung des jährlichen Militärbudgets im deutschen Bundeshaushalt. Währenddessen bieten die ununterbrochenen Waffenlieferungen an die Ukraine der Bundeswehr die Möglichkeit ihr altes Equipment aus den Arsenalen loszuwerden und mit den zusätzlichen Unsummen eine umfangreiche Modernisierung des deutschen Militärgerätes durchzuführen. Eine neue Truppe für die „neue Führungsrolle“ also. Gleichzeitig hat der Einsatz der westlichen Waffensysteme und Ausrüstung auch rüstungsstrategische Vorzüge. Bereits jetzt profitieren die Waffenproduzenten der USA und Deutschland passiv von der Erprobung ihres Kriegsgerätes unter maximal realistischen Bedingungen. Beispielsweise wird die neueste Version des amerikanischen Kampfpanzers Abrams „M1E3“ einige tiefgreifende Optimierungen in den Bereichen Munition, Waffensystem, Konstruktion, Gewicht, Antrieb, elektronische Assistenz- und Kommunikationssysteme und Tarnung unterzogen, die auf den Erfahrungen aus der Ukraine aufbauen. Die massive Aufrüstung die mithilfe der bereitgestellten Finanzmittel und auch mithilfe der militärstrategischen Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg bewerkstelligt wird, verhilft dem deutschen Monopolkapital an gleich mehreren Stellen zu gesicherter Auslastung der Produktionskapazitäten bei sicheren Gewinnen. Und das betrifft bei weitem nicht nur die Waffenproduzenten a la Diehl, Rheinmetall, Kraus-Maffei Wegmann und weitere. Insbesondere die Mikrochip- und Halbleiterindustrie ist in den letzten Jahren überall auf der Welt stark in den Mittelpunkt „verteidigungs“politischer Bemühungen gerückt. Wie elementar die Stellung dieses modernen Industriezweiges für die militärische Souveränität eines Landes ist, stellt der Krieg in der Ukraine seit über zwei Jahren unter Beweis. Direkt nach Kriegsausbruch verhängten die westlichen Staaten weitreichende Sanktionen gegen Russland, die allen voran auf die internationalen Chip- und Halbleiter-Lieferketten abzielten, von denen Russland in hohem Maße abhängig ist. Denn um weiterhin hochmoderne Waffen- und Kommunikationstechnik fertigen und damit den Krieg weiterführen zu können, sind Mikrochips und Halbleiter heutzutage unverzichtbar. Bereits wenige Zeit später gingen Meldungen von bemerkenswert umfangreichen Aufkäufen chinesischer Geschirrspülmaschinen ein, mit denen Russland angeblich versuche die Chip-Embargos der westlichen Staaten zu umgehen. Ob „einfache“ Infanterie-Ausrüstung, elektronische Zielassistenz-, Kommunikations- und Ortungssysteme in Truppentransportern, Kampfpanzern, Kampfjets und Drohnen oder als Bordelektronik in den hochmodernen Lenkraketen: Mikrochips sind für die moderne Kriegsführung von elementarer Bedeutung und aus diesem Grund ist die Bundesregierung auch in diesem Feld zu umfangreichen Finanzspritzen bereit. Dem Chiphersteller Intel waren für den Bau einer Produktionsstätte in Magdeburg bereits 10 Milliarden Euro zugesagt worden. Zuletzt hatte Intel den Bau der Fabrik gestoppt, die Haltung der Bundesregierung liegt weiter offen zutage. Nicht ohne Grund formuliert Bundeskanzler Scholz Ende Mai 2024 das Ziel: „Deutschland will das Zentrum der Halbleiterindustrie in Europa werden.“
Auch die Stahlindustrie, deren rüstungsstrategische Wichtigkeit nicht weiter erörtert werden muss, konnte sich in den letzten Monaten über die Zusage milliardenschwerer Subventionen freuen. Mit über 7 Milliarden will sie die vier großen Stahlkonzerne bei der Modernisierung der Produktionsanlagen „unterstützen“. Hatte es die Bundesregierung in letzten Jahren erfolgreich geschafft, tausende Stahlarbeiter vor den Karren dieser Subventionsmaßnahmen für ThyssenKrupp Steel, AcelorMittal, Stahl-Holding-Saar und die Salzgitter AG zu spannen, so drohen genau diese Stahlkonzerne nun mit tausendfachem Stellenabbau. Stahl braucht es für Panzer, Stahl braucht es für Schiffe. Zu welchem Zweck diese Milliardengeschenke an die Konzerne wohl sind? Zur Sicherung von Arbeitsplätzen definitiv nicht.
Und auch im Schiffbau setzt sich der „kriegstüchtige“ Kurs der Bundesregierung fort. Unter dem Deckmantel des „zivilen Schiffbaus“ erklärte sich Bundeskanzler Scholz vor wenigen Wochen bereit, den für die Produktion von gigantischen Kreuzfahrtschiffen bekannten Meyer-Konzern mithilfe von 400 Millionen Euro zu „retten“. Was als „Rettung von tausenden Arbeitsplätzen“ getarnt wurde, stellt sich in Wahrheit als nächster großer „kriegstüchtiger“ Coup der Ampel-Koalition heraus. Denn hinter dem bekannten Image der Papenburger Werft versteckt sich längst ein Konzern mit weiteren Werften in Turku (Finnland) und Rostock. Und es ist die „Neptun Werft“ in Rostock, die bereits jetzt zwei „Marinebetriebsstoffversorger Klasse 707“ (Tankschiffe) für die Bundesmarine fertigt. Nicht nur sichert der Staat mit dieser „Rettung“ also die bereits laufende Fertigung von Kriegsschiffen ab, sondern sichert sich gleichzeitig den Einfluss auf die gewaltige Werft in Papenburg, die groß genug ist, um Schiffe in der Größe der größten US-amerikanischen Flugzeugträger zu fertigen. Ein Schelm wer hier an die „neue deutsche Führungsrolle“ denkt.
Es gibt keine Ebene und keinen Bereich mehr, die von der rasanten Militarisierung der Bundesregierung verschon bleibt. Selbst die „zivile“ Wirtschaftspolitik stimmt immer offensichtlicher in den Kriegsreigen des deutschen Imperialismus ein. Die Arbeiterklasse bezahlt den Preis dafür. Ob in Gestalt der unverschämten Ausplünderung der sozialen Kassen, der Bildung und der Gesundheit oder in Gestalt der steigenden Kriegsgefahr, die durch die Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen endgültig deutschen Boden erreicht hat. Die Bundesregierung schützt nicht die Arbeiterklasse vor einer „äußeren Bedrohung“. Sie schützt die Interessen der deutschen Monopole und des deutschen Imperialismus und zwar auf Kosten der Arbeiterklasse.