Nach 500 Jahren sorgt die herrschende Klasse, sorgen die Sieger im Deutschen Bauernkrieg auf den Mainzer Wochenmarkt noch heute dafür, dass die Glorifizierung des Adels und der Sieg der gottgegebenen Ordnung gegen alle Aufrührer, gegen alle Revolutionäre, gegen die Bauern nicht vergessen wird. Gemeint ist der Marktbrunnen, direkt vor dem Mainzer Dom im Mittelpunkt des heutigen Wochenmarktes. Er wurde 1526 von Erzbischof Albrecht von Brandenburg zur Erinnerung an die Niederlage der Bauern, an den Sieg des Feudalismus errichtet.
Die reaktionären Kernbotschaften sind als Bilder ausgeführt. Wer im Volk konnte schon lesen? Mit Comic-ähnlichen Zeichnungen sind so die Lehren der Herrschenden für ihre Untertanen leichter, demagogischer und über Jahrhunderte hinweg gut erkennbar zu vermitteln. So ist das Bild der aufrührerischen Revolutionäre gestaltet als ein betrunkener, Rotwein trinkender Bauer, mit rotem Hahn und einem Sack gestohlenen Gold–Dukaten.
Über allem schwebt der Spruch: „ O BEDENK DAS END“, verziert mit Totenkopf, Stundenglas und der Jahreszahl 1525.
Nicht zuletzt die Mainzer Besonderheiten aus 1525 sind noch heute erwähnenswert. Über die bisher üblichen 31 Forderungen der Bauern wurde von der Mainzer Bürgerschaft in einer Volksversammlung auf dem heutigen Schillerplatz öffentlich abgestimmt. Dabei wurde die bis dahin übliche Zahl von 31 um zwei weitere Forderungen ergänzt. Die bis dahin als Privileg der Kirchen und des Klerus vorhandene Sondersteuer auf den Weinverkauf und den Weinausschank wurde abgeschafft. Im Gegensatz zu anderen Städten wurden in Mainz die revolutionären Forderungen dem DOMKAPITEL durch den 20er Ausschuss mitgeteilt. Erstmals wurden Delegierte der 18 Mainzer Handwerksgilden bestimmt, ergänzt durch 2 Delegierte des Bürgertums. Sie traten zusammen als Vertreter der Stadt der fürstlichen Administration und dem Domkapitel gegenüber. Und dieser 20er Ausschuss erreichte die Übergaberegelungen der Stadt Mainz an die Revolutionäre des Bauernkrieges: Aushändigung von 15.000 Gulden. Zu ihrer Sicherheit mussten die Stadtschlüssel und das Geschütz der Martinsburg übergeben werden.
Nach der militärischen Niederschlagung des Bauernaufstandes unterwarfen sich die Mainzer Bürger jedoch zum 1. Juli 1525 ohne weitere Aktionen wieder ihrem Landesherren. Der Brunnen, den Erzbischof Albrecht von Brandenburg ausdrücklich der Mainzer Bevölkerung stiftete, war zuerst als Ziehbrunnen konzipiert und wurde zu einer wichtigen, zur einzigen Frischwasserquelle in der Innenstadt. Und hier zeigen sich die weiteren, hinterhältigen Pläne des Erzbischofs:
„Ihr habt Euren Aufstand, Eure Revolution zwar verloren, müsst aber euer Wasser bei mir, dem Sieger holen. Es gilt: Aufruhr lohnt sich nicht.“
Dies ist sehr ausführlich auf den Seitenteilen des Mainzer Marktbrunnen festgehalten – in lateinischer Sprache.
Aber mit all seinen Inschriften war und ist der Mainzer Marktbrunnen vor allem ein politisches Symbol. Der Bauernkrieg ist hier bildlich dargestellt, in einer Weise, die die Menschen zur Ordnung aufrief. Dieser Bauernaufstand war ein Jahr vor der Errichtung 1526 blutig niedergeschlagen worden. So handelt es sich bei diesem scheinbar freundlichen Angebot an die Bevölkerung, frisches Trinkwasser bereitzustellen, eigentlich um die Warnung, sich nicht noch einmal gegen die Herrschenden zu erheben. Der Bauernaufstand war in Mainz vor allem gegen die Privilegien des Adels und des Klerus gerichtet. Als Albrecht von Brandenburg den Aufstand niederschlug und sich so seine Machtposition wieder holte, wurde dieser Brunnen also vor allem als Machtdemonstration errichtet. Und hat die letzten 500 Jahre überdauert.
Hans Morgenroth