Erklärung der europäischen Mitglieder der Internationalen Konferenz der marxistisch-leninistischen Parteien und Organisationen
Die Ergebnisse der Europawahlen haben die Krise des bürgerlich-kapitalistischen Systems und seine inneren Widersprüche gnadenlos offengelegt. In vielen Ländern war die Zahl der Nichtwähler und der Stimmenthaltungen sehr hoch, manchmal höher als die Stimmen für die stärkste Partei. In Frankreich, Italien und Dänemark sank die Wahlbeteiligung auf knapp über die Hälfte der Wahlberechtigten; in Deutschland nahm ein Drittel nicht an den Wahlen teil. Das allein spricht schon für die fehlende Unterstützung und das mangelnde Vertrauen der Arbeiter und Menschen in die EU-Monopole und ihre Regierungen und Institutionen. Das imperialistische EU-Projekt von zunehmender reaktionärer Offensive, Militarisierung und Krieg führt zu Enttäuschung, Unsicherheit und Protest in der Bevölkerung. Es war eine Protestwahl gegen die arrogante, arbeiterfeindliche neoliberale Politik, die Skandale und die Angriffe auf die Arbeiterklasse, die Kleinbauern, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die Rechte der Frauen und die Jugend, die die verschiedenen Regierungen in Europa führen.
Gefährlicher Trend nach rechts
Die wachsende Unzufriedenheit hat jedoch in vielen Ländern nicht dazu geführt, dass Arbeitnehmer und Teile der Bevölkerung für die Sozialdemokratie gestimmt haben. In vielen Ländern haben die rechtspopulistischen Parteien sowie offen oder nur getarnt faschistische Parteien ihren Stimmenanteil erhöht. Die ultrareaktionären und halbfaschistischen Parteien verstehen es geschickt, die Enttäuschung der Massen über ein krisengeschütteltes kapitalistisches System auszunutzen. Dies ist die Spezialität des Faschismus. Die Wähler haben in erster Linie gegen das herrschende System und die Regierungen protestiert, nicht für eine rassistische und faschistische Agenda. Die alten bürgerlichen und reformistischen Parteien sind zu rechtsextremen Positionen übergegangen. Die Kernthemen der rechtspopulistischen Parteien, wie Flüchtlingsphobie, Nationalismus und Faschisierung der Gesellschaft, sind Teil des politischen Establishments und der allgemeinen Politik der meisten Parlamentsparteien geworden. Sie haben sich im parlamentarischen Spiel normalisiert, wo es ein hohes Maß an Konsens und eine starke bürgerliche Klassenallianz gibt.
In den nördlichen EU-Ländern waren es die links-populistischen Parteien, die die Stimmen der Unzufriedenheit mit der neoliberalen kriegstreiberischen Politik der Regierungen und der EU auf sich gezogen haben. Aber weder die rechten noch die linken Parteien werden einen wirklichen Wandel zugunsten der Arbeiterklasse und des Volkes herbeiführen, da sie nur das Kräfteverhältnis zwischen den bürgerlichen Parteien verändern.
Die Rechte ist die Alternative für die herrschende Klasse
Es ist mehr als offensichtlich, dass es im bürgerlichen kapitalistisch-imperialistischen System, das sich in einer tiefen Krise befindet, keine Grundlage für sozialen Reformismus gibt. Es kämpft mit seinen Krisen und hat der Arbeiterklasse und der großen Mehrheit der Bevölkerung keinen Fortschritt mehr zu bieten.
Es reagiert auf seine Krisen, indem es Arbeitsplätze abbaut, Reallöhne senkt, Sozialleistungen kürzt und zunehmend aufrüstet und Krieg führt. All das geht auf Kosten der Arbeiterklasse und der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung. Der „Fortschritt“ existiert nur noch in Phrasen. Es ist ganz klar, dass das Kapital mit seinen Krisen und Kriegen, mit seinen Agenten in der Arbeiterklasse nicht nur nicht will, dass die Arbeiterklasse entschlossen ihre eigenen Interessen verteidigt oder gar eine revolutionäre Politik betreibt, sondern versucht, dies mit allen Mitteln zu verhindern. Da kommen populistische und faschistische Pseudoalternativen gerade recht. Daher der Medienrummel um die Asylfrage und die Propagierung rechter Positionen. Daher die ständigen spaltenden Diskussionen über die „faulen“ Sozialhilfeempfänger oder die „faule“ Jugend oder die „teuren“ Renten oder die „unverschämten“ Lohnforderungen der Arbeiter und so weiter und so fort. Teile und herrsche! Die populistischen und faschistischen Parteien helfen mit ihrer Hetze gegen Flüchtlinge. Und beide stehen für die „Einheit“ der Arbeiter mit dem eigenen Kapital – gegen die anderen. Solche Positionen schaden dem herrschenden Kapital nicht, sie nützen ihm.
Der Chef der Deutschen Börse, Theodor Weimer, legte die wahren Machtverhältnisse in dieser Gesellschaft offen. Er zitierte US-Investoren: „Es ist uns egal, welcher alte Mann Präsident ist. Wir als Unternehmer regieren das Land.“ Unabhängig davon, ob Biden oder Trump regiert, in Wirklichkeit regiert das Kapital. Das ist auch in Europa so. Ob die „Progressiven“ oder die Konservativen, die Liberalen mit oder ohne die Unterstützung populistischer und faschistischer Parteien an der Regierung sind, das Kapital kann mit beiden leben und seine Interessen durchsetzen.
Aber in vielen Ländern nutzt die Bourgeoisie die Angst der Arbeiterklasse und der fortschrittlichen Kräfte vor einem Rechtsruck, um sie hinter bürgerliche Positionen zu bringen. In Frankreich hat Präsident Macron das Parlament aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen. Damit will er auch die Angst vor M. Le Pen und der RN ausnutzen, gleichzeitig seine eigene Verantwortung negieren und weiterhin eine neoliberale reaktionäre Politik, die in vielen Punkten von rechtsextremen Positionen inspiriert ist, gegen die Arbeiter- und Volksbewegung durchsetzen.
Was sind die Schlussolgerungen?
Wahlen ändern das kapitalistische imperialistische System nicht. Am Ende gewinnt das Kapital fast immer seine eigenen Wahlen, was die EU als ein Projekt des Kapitals unterstreicht. Aber Wahlen sind ein wichtiger Indikator für die politische Stimmung. Die Wahlen zum EU-Parlament haben die große Unzufriedenheit mit der neoliberalen Politik und dem imperialistischen Krieg gezeigt. Aber auf der anderen Seite führten sie in einigen Ländern zu einer Stärkung der rechten Kräfte aufgrund der Schwäche der progressiven Kräfte und der kommunistischen Bewegung.
Unsere Antwort ist, die wirklichen Interessen der Arbeiter und des Volkes in den Mittelpunkt zu stellen:
Reallohnverluste, massiver Sozialabbau, Inflation, Arbeitsplatzvernichtung, Bildungsmisere, Katastrophe im Gesundheitssystem, massiver Mangel an bezahlbarem Wohnraum, katastrophaler öffentlicher Nah- und Fernverkehr. Der unnachgiebige Kampf zur Verteidigung der wirtschaftlichen und politischen Interessen der Arbeiterklasse muss im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen – so konkret wie möglich und gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen. In dieser Arbeit wird immer mehr Menschen klar, dass das kapitalistisch-imperialistische System nicht mehr fortschrittsfähig ist, dass es keine Perspektiven bietet – außer Krise, Armut und Krieg. Das macht auch deutlich, dass wir um jeden Millimeter positiver Veränderung für die Arbeiterklasse kämpfen müssen, dass wir unsere marxistisch-leninistischen Parteien und Organisationen stärken müssen, um im Kampf um die Abschaffung dieses Systems und seine Ersetzung durch eine sozialistische Gesellschaft voranzukommen.
- Kommunistische Arbeiterpartei Dänemark (APK)
- Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei in Deutschland (Arbeit Zukunft)
- Kommunistische Arbeiterpartei Frankreichs – PCOF
- Kommunistische Plattform, für die Kommunistische Partei des Proletariats Italiens
- Partei der Arbeit, Türkei (EMEP)