Europa-Wahl: Die Krise des Systems ist sichtbar!

Die Europawahl-Ergebnisse in Deutschland haben gnadenlos die Krise des bürgerlich-kapitalistischen Systems und seine inneren Widersprüche offengelegt. Da werden rund 30% Stimmen für CDU/CSU als „grandioser Sieg“ gefeiert, dabei ist es Stagnation mit minimalem Zuwachs – trotz der totalen Unbeliebtheit der „Ampel“-Regierung. Und diese Unbeliebtheit zeigt sich deutlich in den Ergebnissen. Die SPD hat ihr schlechtestes Ergebnis bei der vorhergegangenen Europa-Wahl mit jetzt 13,9% noch einmal unterboten. Rund 400.000 Wähler/innen haben sich von ihr abgewendet. Die Grünen haben sich fast halbiert, 3 Millionen Wähler verloren und die FDP kam knapp über 5%. Die Menschen haben offensichtlich von dieser Regierung die Nase voll, wenden sich aber auch nicht in Scharen der CDU/CSU zu.

Gefährlicher Trend nach rechts

Die wachsende Unzufriedenheit hat jedoch nicht dazu geführt, dass sich Arbeiter und Teile des Volkes verstärkt nach links gewandt haben. Die Linke hat sich halbiert. Offensichtlich sind viele fortschrittliche Menschen von der realen Politik dieser Partei wie in Thüringen enttäuscht. Denn in der Praxis sehen sie bei der Linken gewöhnliche bürgerliche Politik, die mit linken Phrasen garniert wird. Es ist sicher kein Zufall, dass die AfD in Thüringen, wo die Linke mit Bodo Ramelow regiert, besonders stark zugelegt hat. Dass das Bündnis Sarah Wagenknecht 6,2% bekam und damit mit der CSU gleichzieht, ist kein Trost. Denn diese Partei ist nicht links. Sie spielt mit rechten Positionen und linken Phrasen. Sie lebt nicht von fortschrittlichen Inhalten, sondern von Sarah Wagenknecht.

Der Zustand der linken, fortschrittlichen Kräfte, die ungeheure Zersplitterung, die ideologische und politische Verwirrung und Desorientierung haben den rechten Kräften einen weiten Platz gelassen, sich als „Alternative“ vor allem in Gestalt der „Alternative für Deutschland“ zu präsentieren. Sie konnte über 2 Millionen Stimmen hinzu gewinnen und wurde zweite Kraft im EU-Parlament nach der CDU/CSU und vor SPD, Grünen, FDP.

Rechts ist die Alternative für die herrschende Klasse

Dass sich das bürgerlich-kapitalistische System keinen Linksrutsch wünscht, ist mehr als selbstverständlich. Es hat mit seinen Krisen zu kämpfen und für die Arbeiterklasse und die große Mehrheit der Bevölkerung keinerlei Fortschritt mehr zu bieten (siehe dazu auch den Beitrag: 1,2 Billiarden US_Dollar https://www.arbeit-zukunft.de/2024/06/03/1-200-000-000-000-000-us-dollar-oder-12-billiarden-us-dollar/)

Auf seine Krisen reagiert es mit Arbeitsplatzabbau, Reallohnsenkung, Sozialabbau und mittlerweile auch zunehmend mit Aufrüstung und Krieg. Das alles geht zu Lasten der Arbeiterklasse und der überwältigenden Mehrheit des Volkes. „Fortschritt“ gibt es nur noch in Phrasen oder spalterischen Pseudokämpfen ums Gendern und anderem. Es ist völlig klar, dass das Kapital mit seinen Krisen und Kriegen eine Hinwendung der Arbeiterklasse nach links oder gar zu einer revolutionären Politik nicht nur nicht will, sondern mit allen Mitteln zu verhindern sucht. Da kommen ihm Pseudoalternativen wie die AfD oder mit linkem Anstrich das BSW gelegen. Daher mediale Aufregung um die Asylfrage mit Propagierung rechter Positionen. Daher ständige spalterische Diskussionen um die „faulen“ Bürgergeldempfänger oder die „faule“ Jugend oder die teuren Renten oder die „unverschämten“ Lohnforderungen der Eisenbahner und und und. Spalte und herrsche! Da helfen AfD und BSW mit ihrer Hetze gegen Flüchtlinge. Und beide vertreten die „Einheit“ der deutschen Arbeiter mit dem deutschen Kapital – gegen die anderen. Solche Positionen tun dem herrschenden Kapital nicht weh, sie nützen ihm.

In seltener Offenheit hat der Chef der Deutschen Börse, Theodor Weimer, in einer „Wutrede“ die wirklichen Machtverhältnisse in dieser Gesellschaft klar gelegt. Er zitierte US-Gesprächs­partner anerkennend: „Ist uns doch völlig egal, welcher alte Mann Präsident ist. Wir als Unternehmer führen das Land.“ Egal ob Biden oder Trump regiert, faktisch regiert das Kapital. So ist es auch in Deutschland. Ob „Fortschrittskoalition“ oder CDU/CSU mit oder ohne AfD an der Regierung sind, das Kapital kann mit beidem leben und seine Interessen durchsetzen.

Nicht umsonst unterstützen in den USA gerade die reichsten Unternehmer wie Elon Musk, Tesla, PayPal-Mitbegründer Peter Thiel, Medienmogul Rupert Murdoch, Stephen A. Schwarzman, der milliardenschwere Vorstandsvorsitzende der Blackstone Group oder Jamie Dimon, Vorsitzender und Chief Executive Officer (CEO) von JPMorgan Chase, der größten US-Bank, den Wahlkampf von Donald Trump. Sie erhoffen sich Steuersenkungen für die Reichen, Privatisierungen und eine massive Deregulierung. Das bekommen sie auch mit Biden, aber Trump ist eben noch etwas radikaler und rücksichtsloser. Das Kapital hat also kein Problem mit einem Rechtsruck, im Gegenteil! Die rechte Hetze gegen Migranten, Gendern, Emanzipation usw. nimmt das Kapital aus der Schusslinie. Dann sind für alle Probleme nicht die herrschende Klasse und ihre politischen Vertreter verantwortlich, sondern eben die Ausländer, die „Emanzen“ usw. Zugleich profitiert das Kapital gerade in der Krise von Steuersenkungen, Privatisierungen und Deregulierung. Mit der Vertiefung der Krise und der Zunahme von Kriegen bis vor die Haustür braucht das Kapital massive Angriffe auf die Rechte der Arbeiterklasse und des Volkes und die Spaltung jeden Widerstandes.

Welchen brutalen Kurs das Kapital fährt, zeigen die Äußerungen des Verhandlungsführers der Metallarbeitgeber und Vizechefs von Südwestmetall, Harald Marquart, der schlicht und ergreifend für die nächsten Tarifverhandlungen eine Nullrunde fordert. Das sei schon zu viel, eigentlich müsste man die Löhne senken. Damit ein solcher Kurs durchgeht, sollen „radikale“ Kräfte verstärkt bekämpft werden. Dazu führen die Metallarbeitgeber bereits jetzt Gespräche mit der neuen Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg, Barbara Resch, und der IG Metall-Vorsitzenden, Christiane Benner. Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall: „Wir haben alle miteinander das gleiche Interesse und arbeiten aktiv daran, dass diese Radikalisierung gerade nicht in der Tarifrunde eine Rolle spielt.“ Offener lässt sich die Klassenzusammenarbeit nicht formulieren.

Welche Konsequenzen?

Bürgerliche Wahlen verändern nicht die Welt. Am Ende herrscht immer das Kapital, so auch bei den Wahlen zum EU-Parlament. Aber Wahlen sind ein wichtiges politisches Stimmungsbild. Da müssen wir sehen, dass die Spaltungspropaganda des Kapitals Erfolge auch in Teilen der Arbeiterklasse hat. Klagen hilft nicht. Es hilft auch nicht, unter den Kolleg/innen die Spaltung zwischen rechts und links voranzutreiben. Der einzige Weg besteht darin, die realen Probleme des Kapitalismus wieder in den Mittelpunkt zu rücken:

Reallohnverlust, massiver Sozialabbau, Inflation, Arbeitsplatzvernichtung, Bildungsmisere, Katastrophe im Gesundheitswesen, massiver Mangel an bezahlbarem Wohnraum, katastrophaler öffentlicher Nah- und Fernverkehr. Die Interessen der Arbeiterklasse müssen im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen – und das möglichst konkret und mit den Kolleg/innen zusammen. In dieser Arbeit wird für immer mehr Menschen deutlich, dass dieses System nicht mehr zu Fortschritt fähig ist, dass es keine Perspektiven bietet – außer Krise und Krieg. Damit wird auch klar, dass wir um jeden Millimeter Veränderung kämpfen müssen, aber zugleich dafür kämpfen müssen, dass dieses System durch eine andere, sozialistische Gesellschaft ersetzt wird.