auf&davon

Das von den EU-Regierungen verursachte Drama an den Küsten des Mittelmeers nimmt kein Ende. Mitte August starben nach einem Bericht der Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins der Spiegel 75 Menschen aus einer 80köpfigen Gruppe, die sich mit einem großen Schlauchboot auf den Weg von Libyen nach Italien gemacht hatte. Nach drei Tagen sei der Motor ausgefallen. Mehr als zwei Wochen dauerte es danach, so zitiert das Magazin die Überlebenden, bis die italienische Küstenwache das Boot entdeckte. In dieser Zeit seien die Schiffbrüchigen, die nach und nach verhungerten und verdursteten von mehreren Schiffen ignoriert worden. Die Küstenwache halte den Bericht für glaubhaft, schreibt der Spiegel.

Als Motiv für die unterlassene Hilfeleistung, die nicht nur unmenschlich ist, sondern auch internationalem Recht widerspricht, ist eine Mischung aus verbreiteter Stimmungsmache gegen die meist afrikanischen Flüchtlinge und Wanderarbeiter sowie Repressalien der italienischen Behörden zu sehen. Wie an dieser Stelle mehrfach berichtet, versucht die Staatsanwaltschaft auf Sizilien ein Exempel an den Vorsitzenden der Hilfsorganisation Cap Anamur, Elias Bierdel, und den Lübecker Kapitän Stefan Schmidt, zu statuieren. Schmidt hatte 2004 mit einem Schiff gleichen Namens, das im Auftrag der Organisation unterwegs war, 37 Afrikaner aus Seenot gerettet und nach einem dreiwöchigen Tauziehen auf Sizilien abgesetzt. Derzeit läuft gegen die beiden ein Prozess, in dem die Urteilsverkündung bereits mehrfach verschoben wurde, zuletzt auf den 7. Oktober. Offenbar entwickelt das Verfahren jedoch schon jetzt eine Einschüchterung potenzieller Lebensretter mit tödlichen Folgen.

Unterdessen hat die italienische Küstenwache am vergangenen Wochenende 75 afrikanische Flüchtlinge vor der Küste abgewiesen und nach Libyen gebracht. Die meisten, berichtet die Zeit, seien aus Somalia gewesen, drei zudem Minderjährige. Letztere dürfen nach italienischem Recht aber grundsätzlich nicht abgewiesen werden. Somalier haben außerdem, da sie aus einer Krisenregion kommen, einen Anspruch darauf, in Italien Schutz zu beantragen. Ende Mai hatte die EU-Kommission von den EU-Staaten gefordert, die Mittelmeeranrainer zu entlasten und einen Teil der Bootsflüchtlinge aufzunehmen.

Felix Otto, Aktivist von The Voice, einer Selbsthilfeorganisation von Flüchtlingen, ist aus Thüringen in sein Heimatland Kamerun abgeschoben worden, aus dem er aufgrund politischer Verfolgung hatte fliehen müssen. Ende März war er wegen der Verletzung der so genannten Residenzpflicht verhaftet und zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Residenzpflicht verbietet  Asyl- bewerbern für die Dauer ihres Anerkennungsverfahren, das sich über Jahre hinziehen kann, den Landkreis, dem sie zugeteilt wurden, zu verlassen. Wer zum Beispiel Preetz als Wohnort zugewiesen bekam, darf nicht ohne schriftliche Erlaubnis seinen Anwalt in Kiel be- suchen. Otto hatte wiederholt gegen diese schikanösen Bestimmungen verstoßen und musste damit nun sogar mit der Ausweisung büßen. Zuvor hatte ihm auch in Haft einer skandalösen Behandlung unterworfen: „Nicht nur zu Gerichtsterminen, sondern auch zu Arzt- und Krankenhausbesuchen wurde er gefesselt wie ein Schwerverbrecher geführt. Vor und nach einer gerichtlichen Anhörung am 24.6. unterbanden seine Wächter die Kontakte mit Freunden,“ berichten seine Mitstreiter von The Voice. In den Tagen vor der Abschiebung wurde versucht, jeden Kontakt zu untrebinden. Nach Angaben seiner Freunde legte man ihn selbst in der Zelle Hand- und Fußfesseln an und nahm ihm die Kleider ab. Otto wurde in einem Linienflug der Air France abgeschoben. In einer Erklärung von The Voice heißt es: „Wir sind besorgt um den Gesundheitszustand von Felix Otto, der in den letzten Wochen immer wieder in ärztlicher Behandlung war und um seine Sicherheit in Kamerun, in dem Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind und Oppositionelle systematisch  verfolgt werden. Als  abgeschobener politischer Asylsuchender gilt er als jemand, der dem Land ein negatives Image gegeben hat, und ist somit gefährdet.

Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut hat im Auftrag der Nordelbischen Kirche und der Gewerkschaft ver.di die Lebenssituation der in Hamburg lebenden Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus untersucht. Dabei kam es zu dem Schluss, dass in der Hansestadt 6.000 und 22.000 so genannter Illegaler leben, wie der NDR berichtet. Das sind deutlich weniger, als zuvor von der Kirche angenommen worden war, aber noch immer eine hohe Zahl Menschen, die unter prekärsten Bedingungen leben müssen. Etwa zehn Prozent von ihnen sind Minderjährig und müssten eigentlich zur Schule gehen.

Im bayerischen Fürth ist das dortige, höchst umstrittene „Ausreisezentrum“ geschlossen worden, wie die taz berichtet. Vor sieben Jahren war es vom damaligen Innenminister Günther Beckstein (CSU) eingerichtet und seitdem immer wieder von Menschenrechtlern und Flüchtlingshilsorganisationen kritisiert worden. Trotz des erklärten Ziels, die Flüchtlinge derart unter Druck zu setzen, dass sie „freiwillig“ ausreisen, haben das seit 2002 nur 55 der dort Untergebrachten gemacht. 148 Menschen sind hingegen aufgrund der harschen  Bedingungen untergetaucht. Als Grund für die Schließung wurde das Auslaufen des Mietvertrags angegeben, doch der taz-Korrespondent hält das für vorgeschoben. Die Politik gegen Flüchtlinge in Bayern habe sich Dank der CSU-Sozialministerin Christine Haderthauer gebessert.

Im Jemen, im Süden der arabischen Halbinsel gelegen, sind Tausende Zivilisten auf der Flucht, nach dem es erneut zu schweren Zusammenstößen zwischen Regierungstruppen und aufständischen Schiiten gekommen ist. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz fürchtet um dies Sicherheit der Menschen. Bei Redaktionsschluss hielten die Kämpfe im Nordwesten des Landes an.

Auch in Myanmar (Birma) sind nach Kämpfen Tausende auf der Flucht. Einige Zeitungen schrieben von bis zu 30.000 Menschen, die vor den Auseinandersetzungen zwischen den Truppen der Militärmachthaber und Kämpfern der Minderheit der Kokang, die für mehr Selbstbestimmung streiten ins benachbarte China geflohen sind. Nach Angaben der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua haben die Regierungstruppen die Aufständischen inzwischen geschlagen, die Kämpfe seien weitgehend beendet. 700 Rebellen sollen ebenfalls über die Grenze geflohen sein und sich den chinesischen Behörden ergeben haben. China, das für gewöhnlich eng mit dem myanmarischen Regime zusammenarbeitet, hat die Flüchtlinge in eigens errichtet Lagern in der Nähe der Grenze untergebracht. Die Kokang Kämpfer hatten sich geweigert, ihre Waffen abzugeben, weil sie um ihre Autonomie fürchten.

wop

(Erstveröffentlichung
in LinkX – Sozialistische
Zeitung für Kiel)

a