Korrespondenz

Ca. 70 Zuhörer bei Veranstaltung von Wasserforum Stuttgart, Weltladen Zuffenhausen und Zukunftswerkstatt Zuffenhausen
Das Wasser ist öffentliche Aufgabe!

Ca. 70 Menschen kamen am Freitagabend in den Saal des
Franz-Josef-Fischer-Hauses in Stuttgart-Zuffenhausen, um sich über den
Verkauf der Trinkwasserversorgung Stuttgarts zu informieren. Luzia
Schuhmacher vom Weltladen Zuffenhausen begrüßte im Namen des Weltladens
und der Zukunftswerkstatt die Referenten und Zuhörer. Auf dem Podium
saßen Gabriele Reinwald als Moderatorin sowie Barbara Kern, Jens Loewe
und Gerhard Siegwart vom Wasserforum Stuttgart als Referenten.
Barbara Kern berichtete zunächst über den Verkauf des Stuttgarter
Wassers. 2002 beschloss der Gemeinderat eine Vorlage über den „Abschluß
eines notariellen Vertrags zwischen der Stuttgarter Versorgungs- und
Verkehrsgesellschaft mbH (SVV) und der Energie Baden-Württemberg AG
(EnBW) über den Verkauf des Geschäftsanteils der SVV am Stammkapital
der Technischen Werke der Stadt Stuttgart GmbH (TWS) an die EnBW” (aus
der Beschlussvorlage für den Gemeinderat). Damit war das Stuttgarter
Wasser verkauft. Die EnBW ist der drittgrößte Energiekonzern in
Deutschland. An der EnBW hält wiederum die EdF (Electricité de France)
34,5%. EnBW und EDF wollen an die Börse. Dann kann mit der Stuttgarter
Wasserversorgung weltweit spekuliert werden.
Die Folgen der Privatisierung waren Entlassungen bei der EnBW und ein
Absenken der Investitionen, um so mehr Profite machen zu können. Wurden
bisher beispielsweise jährlich 1% des Wasserleitungsnetzes erneuert,
sind es mittlerweile nur noch 0,2% – ein Fünftel der bisherigen
Erhaltungsinvestitionen. Dadurch verschlechtert sich allmählich der
Zustand der Stuttgarter Wasserversorgung. Barbara Kern führte aus, dass
bei Privatisierungen als Argument angegeben werde, „Private seinen
billiger und besser”. Doch überall, wo in Deutschland und weltweit die
Wasserversorgung privatisiert worden sei, seien die Preise gestiegen,
die Investitionen gesunken, und die Wasserqualität habe sich
verschlechtert.
Gerhard Siegwart informierte über den Zusammenhang zwischen
Privatisierung der Wasserversorgung und der EU bzw. der geplanten
EU-Verfassung. Er meinte, in dem EU-Verfassungsentwurf seien die
Interessen der Wirtschaft der Hauptaspekt. Im Artikel 4, der die
„Grundfreiheiten” festlegt, stehe an erster Stelle der freie Personen-,
Waren- und Dienstleistungsverkehr, nicht etwa das Recht auf freie
Meinungsäußerung, auf Post- und Fernmeldegeheimnis usw. Bei Handel und
Dienstleistungen sehe der EU-Verfassungsentwurf vor, dass die EU die
grundlegende Gesetzgebungskompetenz erhalte und nationales bzw.
kommunales Recht nachrangig sei. Eine Folge sei, dass der gesamte Markt
für Dienstleistungen wie Wasser, Energie, aber auch Schulen,
Gesundheitswesen usw. geöffnet und privatisiert werden müsse. Er
forderte auf, gegen ein solchen Ausverkauf des öffentlichen Eigentums
und den EU-Verfassungsentwurf Widerstand zu leisten.
Jens Loewe stellte die Auswirkungen der Liberalisierung und
Privatisierung der Wasserversorgung im Rahmen der Weltwirtschaft dar.
Dies sei international vorangeschritten. Weltbank und Internationaler
Währungsfonds würden Entwicklungsländer zwingen, ihre Grundversorgung
wie Wasser, Energie zu verkaufen. Als Folge davon stünde beispielsweise
auf den Phillipinen ein Gesetzentwurf zur Entscheidung an, wonach
internationale Konzerne, die auf den Phillipinen die Wasserrechte
gekauft hätten, das Recht erhalten sollen, Chemikalien in Wolken zu
spritzen, damit diese abregnen und ihre Wasserreservoire füllen. In
Indien wurde bereits der Fluss Sheonath privatisiert. Polizisten
bewachten das Flussufer. Frauen, die einen Eimer Wasser holen wollten,
wurden wegen Diebstahls angezeigt. Aufgrund massiver Proteste mußte
diese Privatisierung rückgängig gemacht werden. Nun plant der
französische Wasserkonzern Suez, die halbe Kapazität des Flusses Ganges
(635 Mio. Liter Wasser) aufzukaufen und weiterzuverkaufen. Dafür wird
bereits der Tehri-Damm gebaut und 100.000 Menschen zwangsumgesiedelt.
Er warnte davor, das Wasser in die Hand großer Konzerne zu geben, die
nur Profite machen wollen. Die Entwicklung in der Welt zeige, wohin die
Reise gehe, wenn man sich nicht wehre.
In der folgenden, sehr lebhaften Diskussion wurde von mehreren
Teilnehmern die Europäische Union als reaktionäres, undemokratisches
Gebilde angegriffen. Die EU sei ein Zusammenschluss im Interesse des
Kapitals. Die EU-Verfassung werde vor allem von dem Bündnis der beiden
stärksten europäischen Großmächte, Deutschland und Frankreich
vorangetrieben. In der EU-Verfassung sei eine europäische Militärmacht
und jährliche Steigerungen der Militärausgaben festgeschrieben. Die
Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und Dienstleistungen sei
Bestandteil der Angriffe des Kapitals, das ständig nach neuen
Möglichkeiten suche, sich profitabel zu verwerten. Man müsse diese
Zusammenhänge sehen und deshalb sowohl lokal gegen den Verkauf des
Stuttgarter Wassers als auch überregional gegen die neue EU-Verfassung
kämpfen. Nicht umsonst verweigere die deutsche Regierung wie schon bei
der Einführung des Euro eine Volksabstimmung. Alle fortschrittlichen
Kräfte müssten über die geplante EU-Verfassung aufklären, für deren
Ablehnung eintreten und eine Volksabstimmung fordern. Es sei möglich,
eine Mehrheit zu erreichen, die die EU-Verfassung ablehne. Es wurde
ebenso aufgerufen, eine Unterschriftensammlung für den Rückkauf des
Stuttgarter Wassers zu unterstützen.
Informationen zum Thema Wasser unter: www.unser-aller-wasser.de
Informationen der Zukunftswerkstatt unter: www.zukunftswerkstatt-ev.de