Fast 12% Reallohnverlust in 5 Jahren! Schluss damit!

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) meldete Mitte August, dass in Deutschland die Reallöhne von 2003 bis 2008 um fast 12% gesunken sind. Damit liegt -Deutschland in der EU am untersten Ende. Während es beispielsweise in Irland im selben Zeitraum rund 22% Lohnsteigerung gab, ging es in Deutschland für Arbeiter und Angestellte steil bergab.

Die „Lohnerhöhungen“, die die Gewerkschaftsführer „erkämpften“, waren Bruttoerhöhungen. Durch steigende Steuern und Sozialabgaben waren die Nettolöhne deutlich geringer. So tragen Arbeiter und Angestellte z. B. seit 2005 einen „Sonderbeitrag“ zur Krankenversicherung von 0,9%, während der Anteil der Arbeitgeber daran nicht erhöht wurde. Die Reallöhne jedoch waren durch die Inflation immer im Minus.

Um bei den Löhnen und Gehältern wieder auf den Stand von 2003 zu kommen ist eine Bruttolohnerhöhung von rund 20% nötig. Denn bei jeder Lohnerhöhung steigen die Steuern überdurchschnittlich. 20% – das zeigt, wie dramatisch der Lohnverlust ist.

Das DIW stellt fest, dass es zum ersten Mal während einer Zeit des Wirtschaftswachstums zu Lohnsenkungen gekommen sei. Die Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und Kapitalvermögen seien dagegen außerordentlich stark gestiegen. Es sei zu einer „Umverteilung nach oben“ gekommen. So wurden im Jahr 2000 von den Erträgen der Wirtschaft 68% als Lohn oder Gehalt ausgezahlt worden. 2008 waren es nur noch 61%.

Als Ursache für die drastische Lohnsenkung nennt das DIW „die schwächere Position der Gewerkschaften“.

Geschwächt wurde die Position der Gewerkschaften unter anderem durch die Politik der SPD-Grünen-Regierung unter Schröder und der jetzigen großen Koalition aus SPD und CDU/CSU. Mit der Einführung von Hartz IV und Arbeitslosengeld II, mit Zwangsarbeit wie 1-Euro-Jobs wurde die Konkurrenz nach unten geöffnet und dem Kapital neue, ungeahnte Möglichkeiten zur Lohndrückerei eröffnet. Hinzu kommt der rasante Produktivitätsfortschritt, der immer mehr Arbeitskraft überflüssig macht und nicht mehr durch Arbeitszeitverkürzung ausgeglichen wird. Im Gegenteil durch wieder steigende Mehrarbeit wird die Zahl der überflüssigen Arbeitskräfte noch erhöht. Damit steigt die Konkurrenz noch stärker und der Wert der Ware Arbeitskraft, denn was anderes als eine Ware sind die Arbeiter und Angestellten in diesem System nicht, sinkt massiv.

Geschwächt ist die Position der Gewerkschaften allerdings auch durch ihren inneren Zustand. Da gibt es massenhaft in den Gewerkschaftsführungen Leute, die eng mit dem Kapital verbunden sind. Man denke nur an den langjährigen Vorsitzenden der Bahngewerkschaft Transnet Hansen, der schamlos in den Bahnvorstand wechselte und damit zeigte, dass sein Herz schon immer für die Kapitalseite geschlagen hat. Zuvor hatte er sich für die Umwandlung der Bahn in eine Aktiengesellschaft und den Börsengang eingesetzt und in der Gewerkschaft jeden Widerstand gegen die damit verbundene Rationalisierung, den Personalabbau, die Lohnkürzungen gebrochen. Wer solche Führer hat, braucht keine Gegner mehr. Und mit einer solchen Politik ist die Schwächung der Gewerkschaften kein Wunder.

Deshalb sind einzelne kämpferische Aktionen zwar gut, aber nicht ausreichend. Grundlegende Veränderungen in den Gewerkschaften sind nötig. Leute, die die Positionen des Kapitals vertreten und dessen machen, die selbst Aktionäre sind und Millionenvermögen haben, gehören nicht in die Gewerkschaft und schon gar nicht an deren Spitze. Wer nicht weitere Lohnverluste erleiden will, der muss sich dafür einsetzen, dass solche Leute aus den Gewerkschaften verschwinden, der muss sich dafür einsetzen, dass die Gewerkschaften nicht nur mit einer Aktion Dampf ablassen, sondern ernsthaft und entschlossen für die Interessen der Arbeiter und Angestellten kämpfen.

Dazu ist es auch nötig, die Gehälter der Gewerkschaftsfunktionäre zu begrenzen. Sie sollten die gleichen Tariflöhne erhalten, wie die Gewerkschaftsmitglieder, für die sie arbeiten. Ihre Löhne sollten mit den Erfolgen, die sie durch Tariflohnerhöhungen erzielen, steigen. Sie sollten keine Extrawurst erhalten. Und wem das nicht passt, der sollte gleich zum Arbeitgeberverband wechseln und sich dort Arbeit suchen.

Des weiteren ist es nötig, die gewerkschaftliche Demokratie zu beleben. Tarifabschlüsse sollten beispielsweise nur noch mit Zustimmung der Mitglieder geschlossen werden. Auf allen Ebenen müssen die Politik und die grundlegenden Ziele der Gewerkschaften offen und breit diskutiert und die notwendigen Maßnahmen für eine kämpferische Durchsetzung ergriffen werden.

Auch die Haltung der Gewerkschaftsmitglieder muss sich ändern, wenn sie nicht weiterhin so geschröpft werden wollen. Es bringt nichts, auf andere zu hoffen und zu vertrauen. Nur mit der eigenen Kraft kann man etwas erreichen. Die Arbeiter und Angestellten müssen sich klar darüber werden, dass nur sie selbst ihr Schicksal ändern können. Weder das Kapital noch die Regierung werden ihnen helfen. Im Gegenteil! Nach den Wahlen werden diese den Arbeitern und Angestellten die volle Rechnung für die Krise vorlegen.

Leider haben viele Gewerkschaften Zwei-Jahres-Tarifverträge abgeschlossen und damit dem Kapital langfristige Sicherheit gewährt. Gegen eine solche Politik muss in den Gewerkschaften Sturm gelaufen werden. Vertreter einer solchen Politik müssen gnadenlos zur Rechenschaft gezogen werden. Wo immer möglich, muss in den Betrieben ein Kampf um einen Lohnnachschlag geführt werden. Dort, wo jetzt Tarifvertragsverhandlungen anstehen, müssen die harten Fakten auf den Tisch und entsprechende Forderungen aufgestellt werden.

Besonders dreist ist die Haltung der Unternehmer, die nun mit Verweis auf die Krise offene Senkung sogar der Bruttolöhne einfordern. Ende Juli verlangte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Hundt, dass „wir nächstes Jahr in wichtigen Branchen ein Lohnminus vereinbaren.“ (lt. FAZ, 29.7.09) Dazu ergänzte er, die Gewerkschaften „hätten bisher tarifpolitisch vernünftig gehandelt.“ Na klar! 12% Reallohnminus und satte Profitsteigerungen von 2003 bis 2008, das ist für das Kapital „vernünftig“, für die Arbeiter und Angestellten jedoch eine Katastrophe. Und der BDA-Hauptgeschäftsführer setzte gleich noch eins drauf. Er forderte zusätzliche „Kostenentlastungen“ z. B. Durch Kürzungen bei der geförderten Altersteilzeit. Die Phantasie des Kapitals bei Lohnkürzungen kennt keine Grenzen.

Wer jetzt noch hofft, mit einem Schmusekurs oder mit „wirtschaftspolitischer Vernunft“ gewerkschaftliche Positionen durchsetzen zu können, der muss blind oder gekauft sein.

Deshalb:

Schluss mit Illusionen!

Entschlossener Kampf gegen weitere Lohnsenkungen, für reale Lohnerhöhungen!

dm