Foto: Irma Gabel-Thälmann, geb.: 6.11.1919, gest.: 10.12.2000
Am 6. November 1919 wurde in Hamburg Irma Thälmann geboren, Tochter des Arbeiterführers Ernst Thälmann. Als 25-Jährige wurde sie von den Faschisten verhaftet und ins KZ Ravensbrück gebracht. Im Jahre 1945 wurde sie durch die Rote Armee befreit. In der DDR übte sie vornehmlich ehrenamtliche Tätigkeiten aus. Ihre Arbeit und ihre ganze Liebe galt den Kleinsten das Landes, den Kindern, den Pionieren der Republik. In einem Kinderbuch „Erinnerungen an meinen Vater“ hat sie über ihre Kindheit in der Weimarer Republik und ihr Leben mit Vater „Teddy“ geschrieben.
Nach 1990 wurde sie wieder politisch aktiv. War ihr Leben bis dahin eines im „goldenen Käfig“, wie sie sich einmal ausdrückte, „erwachte“ sie nach dem Anschluss der DDR an Westdeutschland: das Wüten des Kapitalismus, das Niederwalzen der Industrie, Landwirtschaft usw. schmerzte sie zutiefst. Der Zerstörung von Wohnungen, Polikliniken und ihrer geliebten Kindergärten wollte sie nicht tatenlos zusehen.
Die Lügen über ihren Vater brachten sie zur Weißglut. Ihre Wohnung machte sie zum Museum für Teddy. Sie schloss sich Anfang der 90iger Jahre einer Organisation an die den Namen „KPD-Rote Fahne“ trug – gegründet in der DDR von DDR-Bürgern, die im Staatsapparat gearbeitet hatten bzw. aus der SED kamen. Hier glaubte sie ihre Heimat gefunden zu haben. Die Biografien der Leute waren ihr vertraut. Doch diese Partei wurde am „grünen Tisch“ gegründet und nicht im Klassenkampf geboren. Es bestanden keine Verbindungen zu den Werktätigen. Ihre Mitglieder verbanden nur ihre DDR Biografien. Eine theoretische Aufarbeitung des Sozialismus war nicht vorhanden, geschweige denn die Aufarbeitung der Frage, wie es zum Zusammenbruch kommen konnte. Irma arbeitete aktiv in dieser Organisation und glaubte an sie. Doch es kamen Zweifel auf. Sie durchschaute allmählich den Verein, seine führenden Kräfte. Die Widersprüche verschärften sich.
In Irma erwachte langsam ihr Klasseninstinkt. Hinter den bombastischen Reden verbargen sich nur allzu oft Phrasen. Sie trennte sich von vielen „guten Genossen“. In dieser Zeit der Erkenntnis lernte ich Irma Gabel-Thälmann kennen. Ich diskutierte mit ihr viel und ausführlich über die Vergangenheit und Gegenwart. Wir vereinbarten eine gemeinsame politische Arbeit. Im Zusammenhang mit den Kämpfen der Kolleginnen und Kollegen des Thälmannwerkes in Magdeburg führten wir eine Solidaritätsveranstaltung durch. Irma war darüber sehr erfreut, sagte zu und kam. Sie lernte die damals noch bestehende „Internationale Jugend“ kennen und war erfreut von deren Einstellung und
Aktivitäten. Im Laufe der Jahre entwickelte sie ein inniges Verhältnis zu dieser revolutionären Jugendorganisation. Wann immer ich sie traf, war ihre Frage: „Und was macht die IJ?“
Soweit es uns möglich war und sie es gesundheitlich durchstehen konnte, arbeiteten wir zusammen.
Zum 80igsten Jahrestag der Gründung der KPD wollte sie unbedingt nach Magdeburg kommen.Ihr Gesundheitszustand machte es aber nicht möglich. Ein Grußschreiben wurde verlesen und die über 200 Gäste applaudierten.
Wenige Monate vor ihrem Tod trafen sich Magdeburger IJ`ler noch einmal mit ihr zu einem Interview. Sie erzählte von ihrer Jugend, von der Lage der Arbeiterjugend, dem Leiden, dem Hunger und Elend. Aber auch von der Solidarität unter ihnen, vom Kampfeswillen. Die Zeit als Roter Pionier prägte ihren Charakter. Die kollektive Erziehung war für sie prägend. Doch nicht nur Politik, theoretisches Pauken bestimmten das Pionierleben. Spiel, Spaß und Freude an der Natur waren Teil des Pionierlebens. Die Formung zum klassenbewussten Menschen erfolgt nun mal in der Praxis und nicht nur durchs Studieren. Sie kritisierte immer wieder die Aktivitäten der Pioniere in der DDR, den Hang den Kindern eine künstliche Welt vorzugaukeln. Sie fand es immer absurd, wenn die Pioniere in der DDR sagten, sie wollen wie Ernst Thälmann leben und so sein wie er. Das ist Unsinn, sagte sie. Die Formung eines Menschen geschieht im Leben, in der Praxis und nicht durch irgendwelche „Treueschwüre“. Wo bleiben denn heute die Millionen „kleiner Thälmanns“, fragte sie einmal. Dieses Interview mit ihr war wahrscheinlich auch ihre letztes. Für mich war es eines der bewegendsten. Ihr Augenleiden – grüner Star – hinderte sie immer mehr noch aktiv zu bleiben. Ihr Leben war nicht das einer „großen Frau“, die in der Politik glänzte. Sie war immer ein einfaches Mädchen und später Frau und Mutter. Sie hatte ein „proletarisches“ Herz. Sie glänzte nicht durch theoretisches Wissen; sicheres Zurechtfinden im ideologischen Durcheinander ermöglichte ihr das richtige Klassengefühl. Lange Zeit erkannte sie auch nicht das sie missbraucht wurde. Ihr Klasseninstinkt (übrigens sprach auch Enver Hoxha davon, das dieser ihm half, die Chruschtschowianer erstmals zu erkennen) zeigte ihr aber letztlich, wer die wahren Freunde und Genossen sind. Am 10. Dezember 2000 verstarb Genossin Irma Thälmann in Berlin. Auf dem Friedhof der Sozialisten in Berlin ist sie beigesetzt.
Rot Front, Genossin Irma!
Von Hosteni