AUFSTAND DER BÜRGERLICHEN FRAU – BARBIE (2023)

DIE ROLLE DER BÜRGERLICHEN FRAU

BARBIE (2023) beginnt mit einer Hommage an die erste Szene aus „2001: A Space Odyssee“. In BARBIEs Version wird jedoch statt der evolutionären Bewusstseinsveränderung von Menschenaffen der Ursprung der Barbie mystifiziert. Zu Anfangs spielen kleine Mädchen mit Baby-Puppen, welche ihnen ihre Rolle als Mutter und Hausfrau näherbringen. Dann erscheint jedoch die Barbie-Doll – die erste Puppe mit Vorbild-Funktion. Die Mädchen zerschlagen ihre Puppen und wenden sich der Barbie zu, denn Barbie kann alles sein! Ob Krankenschwester oder Präsident, Astronaut oder Surfer. Außerdem ist sie unabhängig und selbstständig – sie hat sogar ihr eigenes Traumhaus!

Die Frau des Bürgertums, der herrschenden Klasse im Kapitalismus, müsste auf Grundlage ihrer Klassenzugehörigkeit eigentlich Eigentümerin sein. Sie kann jedoch diese Eigenschaft aufgrund ihrer Rolle als Frau im Patriarchat nicht verwirklichen. Als Frau ist sie dem Mann untergeordnet und wird auf ihre Rolle als Mutter, Hausfrau oder Geliebte reduziert. Barbie auf der anderen Seite vermittelt die Emanzipation der bürgerlichen Frau vom Bild der Hausfrau und Mutter und stellt sich dem bürgerlichen Mann ebenbürtig durch gesellschaftliche Teilhabe und Eigentum.

Sie zeigt, dass Frauen alles sein können. Als sie und Ken in der neuen Verfilmung von Greta Gerwig in die echte Welt reisen müssen erwartet sie, dass sie als Heldin gefeiert wird. Schließlich ist die Welt nach ihrem Vorbild geformt und hat damit alle Probleme von Frauen gelöst und sie glücklich gemacht. Oder?

DER KAMPF UM DAS ROLLENBILD

Doch sobald sie in der echten Welt ankommt, werden diese Erwartungen enttäuscht. Ihr wird hinterhergerufen und sie wird belästigt. Barbie fühlt sich direkt unwohl und unsicher. Sie ist außerdem überrascht, herauszufinden, dass die Führungspositionen bei Mattel, dem Konzern hinter Barbie, nicht von Frauen, sondern ausschließlich von Männern eingenommen werden. Der CEO leugnet ein solches Missverhältnis, indem er anführt, dass es vor längerer Zeit mal einen weibliche CEO gab und stellt den Konzern als liberal dar, indem er anführt, dass sie sogar „gender-neutrale“-Toiletten hätten. Die ganze Firma baue auf Frauen auf!

Der Film macht sich lustig darüber, dass angenommen wird, dass durch die Repräsentation und das Ideal durch Barbie die Stellung der Frau in der Gesellschaft als gelöst angenommen wird. Er deckt auf, dass das Gütesiegel „inklusiv“ für die moralische Überlegenheit missbraucht wird und nicht repräsentativ ist – das Kapital liegt immer noch in den Händen von Männern.

MEN RULE THE WORLD!

Ken erkundet derweil auf eigene Faust die Welt. Dort erfährt er bedingungslosen Respekt und erlebt eine Gesellschaft, in der Männlichkeit und Männer zelebriert werden. Ken studiert nun das Patriarchat, welches als Vorherrschaft von Männern beschrieben wird, und macht sich auf den Weg zurück ins Barbieland um dort das Patriarchat zu errichten. Die Kens übernehmen die Herrschaft und geben den Ton an, während die Barbies ihnen als Dekoration und Bedienstete zur Verfügung stehen. Viele der Bilder und Handlungen gleichen nun viel mehr der echten Welt. Als letzten Schritt planen die Kens, die Verfassung zu ändern und das politische System von den Kens für die Kens zu gestalten. Durch die Aufklärung der Barbies gelingt es Barbie und ihren Verbündeten jedoch, diesen Plan zu durchkreuzen und den Staat als einen Barbie-freundlichen zu erhalten.

Das Patriarchat wird in erster Linie als Bewusstseinsfrage dargestellt. Es ist eine Idee, ein Glauben, an dem die Menschheit festhält, den man mit der richtigen Aufklärung und einem ehrlichen Eingeständnis auch wieder ablegen kann. Darauf aufbauend, könne man durch politische Reformen eine Gleichberechtigung der Geschlechter herstellen.

SIE IST EINE PERSON UND NICHT NUR EINE FRAU

Nachdem die Gleichstellung vor dem Gesetz nun vollzogen ist, bleibt nicht die Erkenntnis, dass Barbie keinem Ideal oder Rollenbild entsprechen muss, sondern, dass sie die Welt nach ihren Vorstellungen gestalten und über sich hinauswachsen kann. Sie schlussfolgert, dass sie nicht definiert wird durch die Dinge, die sie besitzt oder die man mit ihr assoziiert, sondern dadurch, dass sie schlicht und einfach ist. Barbie weiß jedoch nun nicht mehr, wo sie hingehört, welchem Ideal sie hinterherjagen soll und was ihre Rolle ist.

Barbie löst den Widerspruch zwischen dem Ideal, welches sie verkörpert und den Vorwürfen gegen sie auf, indem sie zu dem Schluss kommt, sie selbst zu sein und für Verbesserung einzustehen. Dabei tut sich jedoch die Frage auf, wie das genau aussieht. Laut BARBIE durch einen ehrlichen und emotional reifen Umgang miteinander, sowie eine gesetzliche Gleichberechtigung und Chancengleichheit. Durch das Wachrütteln der Barbies und das Heilen der Kens von ihrer toxischen Männlichkeit scheint die Welt repariert zu werden. Wir müssten uns lediglich auf unsere Menschlichkeit und Fähigkeit, die Welt zu verändern, besinnen.

CAPITALIST-BARBIE

Die Frau der herrschenden Klasse im Kapitalismus müsste auf Grundlage ihrer Klassenzugehörigkeit eigentlich Eigentümerin sein. Sie kann jedoch diese Eigenschaft aufgrund ihrer Rolle als Frau im Patriarchat nicht verwirklichen. Friedrich Engels nennt diese Beziehung die „goldenen Ketten“. Um diese abzuwerfen, hat die bürgerliche Frauenbewegung herausgestellt, dass Frauen fähig sind und Rechte verdienen. Die Standards, die inzwischen als Bedingung dafür an sie gesetzt werden, sind jedoch zu hoch und nun möchte sie sich von diesem Druck befreien.

Für die proletarische Frau ist dieser Kampf jedoch nebensächlich. Selbst wenn sie das Recht darauf hätte, Präsidentin zu werden, selbst wenn es ihr aufgrund ihres Frau-Seins nicht abgesprochen würde, selbst wenn an sie nicht diese Standards gestellt werden würden, wäre sie trotzdem nicht der CEO von Mattel, sondern die Arbeiterin, die in der Produktion der Puppe arbeitet, die ihr verspricht, sie könne auch reich sein. Die Tatsache, dass die Produktion der Barbie-Puppen hauptsächlich von Frauen getragen wird, schneidet der Film nicht an. 2018 wurde nach Ermittlungen in der Spielzeugproduktion in China aufgedeckt, unter welchen Bedingungen die Puppen produziert werden. Dabei wurde neben Zwangsüberstunden, einem Hungerlohn, katastrophalen hygienischen Bedingungen und fehlenden Schutzmaßnahmen auch vermehrt sexuelle Belästigung der größtenteils weiblichen Arbeiterinnen festgestellt.

Barbie ist ein Sinnbild der bürgerlichen Frau, die in ihrer Klasse um den Aufstieg kämpft. Im Bürgertum ist man immer der Konkurrenz zu anderen Teilen seiner Klasse unterworfen. Diskriminierung, also Benachteiligung, aufgrund verschiedener Faktoren, stellen ein Hindernis in dieser Konkurrenz dar. Die Arbeiterklasse und damit die arbeitende Frau lebt jedoch in einer anderen, nicht ganz so pinken Welt.