Was treibt eigentlich die IG Metall?

Angesichts des großen Aufschwungs der Jugend- und Gewerkschaftsbewegung stellt sich die Frage nach der Rolle der IG Metall, die unbestreitbar immer noch eine der wichtigsten Organisationen der real existierenden Arbeiter/innen-Bewegung in Deutschland ist.

Am 17 Juni 2009 sind hunderttausende Jugendliche, Studenten, Schüler zusammen mit den von ver.di organisierten Streikenden aus den Kindertagesstätten, Kaufhäusern und Einzelhandel auf die Straße gegangen.

Aber wo ist die IG Metall? Von ihr war nicht viel zu sehen! Auch sonst waren die großen Kämpfe der letzten Woche von der geringen Beteiligung der IG Metall gekennzeichnet. Insbesondere in einem der Schwerpunkte der gegenwärtigen Bewegung, in Stuttgart, wo die IG Metall traditionell als „kämpferisch“ gilt, war das bitter zu vermerken.

Zumindest in der Region Stuttgart – über andere Regionen liegen uns in dieser Hinsicht kein Angaben vor – gab es aber doch eine Aktion, genau am 17. Juni 2009, als in Stuttgart zehntausende auf die Straße gingen.

Unter dem Motto „Aufstand der Anständigen“ rief die IG Metall Esslingen zu einer Demonstration am Nachmittag auf. Anlass dazu bildete die massive Krise in der Maschinenbauindustrie des Kreises Esslingen, in der es bis zu 90% Auftragseinbußen gibt. Leider zeigte sie sich eben nicht in der Lage, ihren Protest mit der zugleich laufenden Protestkundgebung der Jugend und von ver.di zusammen zu führen. Trotzdem war es immerhin positiv, dass sie an diesem Protesttag ebenfalls zur Aktion rief. Aber es war keine gemeinsame und dafür ein durchaus problematische Aktion.

Die Metallindustrie im Kreis Esslingen ist wegen ihrer Exportstärke besonders von der Wirtschaftskrise betroffen, im Maschinenbau mit Aufragseinbrüchen bis zu 80 %. Die meisten Betriebe haben bislang mit Kurzarbeit reagiert, aber die IG Metall befürchtet, dass viele spätestens im Herbst Liquiditätsprobleme bekommen und dann Personal abbauen werden. Schon in den letzten Monaten wurden in der Region rund 2000 Arbeitsplätze abgebaut, vor allem Leiharbeitnehmer/innen und Befristete. Und weitere Entlassungen sind bereits angekündigt, alleine beim Betonpumpenhersteller Putzmeister in Aich  bis zu 580 . Bei „Index-Traub“ stehen 500 Kolleginnen auf der Schleuder. Mit der Kundgebung wollte die IG Metall nach ihren Worten ein Signal setzen, dass sie sich gegen die Vernichtung von Arbeitsplätzen zur Wehr setzen wird.

Und so sind rund 1.500 Menschen, hauptsächlich Kolleginnen und Kollegen aus Betrieben des Kreises Esslingen dem Aufruf der IG Metall zum „Aufstand der Anständigen“ gefolgt. Zum Teil kamen sie mit Bussen aus den Städten und Ortschaften des Kreises. Sie demonstrierten durch die malerische Altstadt Esslingens für die Sicherung der Arbeitsplätze. Trotz unserer Kritik an der politischen Ausrichtung der Aktion haben unsere Mitglieder und Freunde sich selbstverständlich an der Aktion beteiligt.

Konkret forderte die Gewerkschaft die Einrichtung eines regionalen Fonds zur Sicherstellung der Liquidität der Unternehmen (so die Eigendarstellung der IG Metall; vgl.: http://www.esslingen.igm.de/news/meldung.html?id=32066, dort sind auch gute Bilder der Aktion!) und eine andere Zinspolitik der Banken! Während der Kundgebung fand eine „Art Wahl“ von IG-Metall-Vertretern für einen von der IG Metall geforderten Wirtschafts- und Sozialrat des Kreises statt. Vor mehreren Banken fanden Aktionen statt.

Die IG Metall fordert „Stunden entlassen, statt Menschen!“. Dazu sollte die weitere Nutzung von Kurzarbeit gehören, z. B. auch für die Auszubildenden, die Anfang nächsten Jahres auslernen, statt sie in die Arbeitslosigkeit zu schicken, ebenso wie die Nutzung eines Stipendium-Modells, mit dem sich junge Fachkräfte über eine längere Zeit qualifizieren können. Entschieden wendet sie sich  gegen die Rente mit 67 und fordert im Gegenteil die Schaffung von besseren Ausstiegsmöglichkeiten aus dem Berufsleben für ältere Arbeitnehmer. „Lasst die Älteren in Würde raus, damit die Jungen rein können“, rief Sieghard Bender, Geschäftsführer der IG Metall auf dem Esslinger Hafenmarkt den Kundgebungsteilnehmern zu.

Vehement kritisiert wurde die Politik der Banken. „Die Bankenmanager sind nicht dazu bereit, den Karren aus dem Sumpf zu ziehen, in den sie ihn selbst gesteuert haben“, so Helga Schwitzer, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der IG Metall auf der Kundgebung . Die IG Metall kritisiert, dass die Banken 17 Prozent und mehr Überziehungszinsen verlangen. Sie fordert konkret, dass Kurzarbeiter für bis zu 300 Euro Überziehung im Monat maximal drei Prozent bezahlen müssen. Vor mehreren Banken hängten die Demonstranten symbolisch alte Hemden auf, mit der Aufschrift „Mein letztes Hemd“.

Zentrale Forderung der IG Metall ist aber die Einrichtung eines regionalen Fonds, aus dem auch und gerade Unternehmen mit Liquiditätsproblemen Kredite bekommen können. „Aus dem zentralen Rettungsfonds der Bundesregierung wird kaum ein Unternehmen im Kreis Esslingen Gelder bekommen. Sie sind nicht systemrelevant. ..Wir wollen, dass ein regionaler Wirtschafts- und Sozialrat vor Ort entscheidet, wer Unterstützung erhält“, so Bender. Er forderte, dass ein bestimmter Prozentsatz der Bundesmittel an Regionalfonds zur eigenen Verwaltung übergeben und von dem „Regionalen Wirtschaftsrat“ vergeben wird.

Dieser Wirtschafts- und Sozialrat soll paritätisch besetzt sein mit Vertretern der Arbeitgeber, der Öffentlichen Hand und der Arbeitnehmer.

Schon sind interessierte Stimmen aus Kapitalkreisen der Region zu vernehmen!

Ein reformistisches Konzept!

Obwohl  sich die IG Metall in Esslingen sehr kämpferisch gibt („Wir gestalten Zukunft im Kreis Esslingen! Der Kapitalismus bringt sich selber um -…“- so ein Flugblatt der Esslinger IG Metall), fordert sie aber doch in klassisch reformistischer Weise „alle“ auf, „an Alternativen mitzuwirken mit dem Ziel: Die Wirtschaft muss den Menschen dienen.“

Sie fordert die Kolleg/innen, die Mitglieder, wie die Nichtmitglieder zwar richtigerweise auch auf, „sich zu organisieren und an Aktionen zu beteiligen.“ Dabei beruft sie sich (immerhin!) auf die Französische Revolution: „Seit der Französischen Revolution gilt: Jeder hat das Recht sich … frei zu entfalten … Deshalb muss Schluss sein mit dem Diktat des Marktes.“ Doch sie ist nicht in der Lage, eine richtige Ausrichtung zu geben.

Richtig bzw. durchaus einen Fortschritt im Rahmen der IG Metall finden wir manche der Esslinger Forderungen (Alle Zitate aus einem Flugblatt der Essliner IG Metall):

* Stunden entlassen statt Menschen:“

– Kurzarbeit mit Aufzahlung!

– Bei Kurzarbeit wird qualifiziert.

– Wenn Kurzarbeit nicht mehr geht: Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich, gestaffelt nach Einkommen, bis 3500 Euro voller Ausgleich…!

* Kein Abbau von Ausbildungsplätzen …sowie Übernahme nach der Ausbildung.“

Es ist bemerkenswert, wenn hier der Rückgriff auf Profite und Kapitalmittel gefordert wird! Das kommt selten vor! Gut ist auch der Angriff auf die Leiharbeit:

*  Das Arbeitsamt muss aufhören, Leiharbeitsfirmen zu fördern. Mittel müssen eingesetzt werden zum Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen!“, auch wenn die Forderung noch kein Verbot dieser Arbeitnehmerüberlassung beinhaltet. Immerhin prangert sie an, dass die Leiharbeiter/innen die ersten Krisenopfer sind.

Man muss aber klar die Illusionsmacherei zurückweisen, wenn z. B. wie beim „Aufstand der Anständigen“ die Schaffung eines regionalen Fonds, der aus den Krisenmitteln der Bundesregierung gespeist wird, zur Forderung der Arbeiter/innen gemacht wird oder werden soll. Oder in dem schon mehrfach zitierten Flugblatt:„Bei drohender Insolvenz beteiligen sich Regionalbanken an dem Erhalt von Betrieben und Ausbildungsplätzen.“

Hier wird illusorisch die Möglichkeit einer an den Interessen der Arbeiter/innen ausgerichteten Verwendung von Kreditmitteln („Regionalbanken“? „Sparkassen?“) als möglich vorgegaukelt. Hier wird alles unter den Teppich gekehrt, was die gesamte kapitalistische Gesellschaftsordnung ausmacht: die Eigentumsfragen im Falle der Kreditgewährung, das gesamte Refinanzierungsgetriebe, dem jede „Regionalbank“ wie andere Banken auch ausgesetzt ist, und die sie an die Kreditbedingungen des Finanzkapitals ketten (Baseler Abkommen) und die eine „arbeitsplatzbewusste“ Verwendung von Kreditmitteln nicht nur nicht fördern, sondern ausschließen.

Keine Finanzhilfe an ein kapitalistisches Unternehmen kommt als eine „nützliche“ Summe Geld daher, sondern stets und sofort als Kapital, dessen Verwertung sofort das volle Programm der Kostensenkung, der Rationalisierung, der Entlassungen und der Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft gebiert. Anstatt, dass die menschenfeindliche und ausbeuterische Gesetzmäßigkeit allen Kapitals entlarvt wird, vertuscht die IG Metall diese, ob bewusst oder unbewusst. Diese Linie muss deshalb kritisiert werden, und die Debatte darum muss weiter getrieben werden über den Kapitalismus hinaus.

Wo sind die „Arbeiterforderungen“?

Wie schädlich diese Linie ist, zeigte sich in Esslingen auch darin, dass es kaum Forderungen gab, die eindeutig die Interessen der Arbeiterklasse in der Krise ausdrücken. Wo wurde wenigstens gefordert: Reduzierung der Arbeitszeit auf 30 oder wenigstens 32 Stunden bei vollem Lohn und Personalausgleich!? Diese Forderung ist unumgänglich und notwendig. Sie folgt aus der Krisenlogik: Gerade die kapitalistischen Unternehmen, die es schaffen werden, aus der Krise heraus wieder durchzustarten, werden diejenigen sein, die auf einem neuen Niveau der Produktivität, total durchrationalisiert und kostengünstigst strukturiert dastehen. Das sind diejenigen, die Gewinne auch mit geringeren Absatzzahlen als vor der Krise erwirtschaften können, es sind die, die erfolgreich vor ihren Konkurrenten Menschen hinausrationalisiert haben und den Kern für die nächste Arbeitslosenwelle geschaffen haben.

Deswegen brauchen wir die Arbeitszeitverkürzung! Diese strategische Forderung hat Bestand auch gegenüber dem Einwand, das Kapital könne das nicht bezahlen. Wenn das wirtschaftlich stimmen sollte, dann ist das ein mehr als deutlicher Hinweis, dass das Kapital eben keine Zukunft für die arbeitenden Menschen geben kann! Das erfolgreiches kapitalistische Wirtschaften und Menschliche Zukunft sich mehr und mehr ausschließen! Und deswegen abgeschafft gehört – aus der Arbeiterklasse heraus und von ihr!

Wir werden diese Kritik in der IG Metall diskutieren müssen! Es war nach uns zugegangenen Berichten in den Betrieben gar nicht so einfach, für die Esslinger Aktion zu mobilisieren. Die Kolleg/innen rochen sieben Meter gegen den Wind, dass hier kein klarer Interessenstandpunkt der Arbeiter/innen und Angestellten vertreten wird. „Wir demonstrieren doch nicht für billige Kredite für unsre Unternehmer!“ Das war eine real gehörte Kritik aus den Betrieben!

So kommt diese Linie bei klassenkämpferischen Menschen an! Da hilft auch wenig, wenn die IG Metall argumentiert, dass die Banken ihr billig für 1,25% Zinsen billig geliehenes Geld selber für10 bis 17 % Zinsen auch an einfache Arbeiter (z.B. beim Dispokredit) verleihen. Es ist eine Frucht der zu niedrigen Löhne und Einkommen, wenn Arbeiter/innen sich verschulden, um zu überleben,  und deswegen Zinsbelastungen haben. Deswegen heißt es Äpfel mit Ananas vergleichen, wenn man Schulden und Zinssätze des Kapitalisten mit denen des Arbeiters vergleicht. Für den einen ist das Kapitalbeschaffung, für uns ist es meist nackte Not!

Deshalb muss das reformistische Konzept der IG Metall kritisiert werden: Es trennt sie nicht nur theoretisch, sondern – wie man sieht – auch praktisch von der wachsenden Massenbewegung, die sich für kämpferische Forderungen auf Kosten des Kapitals einsetzt!

ft