Wir erleben das jetzt schon zum wiederholten Mal: die Wut der Kolleginnen und Kollegen über die Blockadehaltung der Arbeitgeber ist groß, die Streikbereitschaft ebenso, aber ziemlich schnell sind sich die Tarifkommissionen einig: ein schneller Kompromiss muss her.
Noch in unserer April-Ausgabe schrieben wir: „Am 23.03.23 gab es in vielen Städten Warnstreiks im öffentlichen Dienst. Die Empörung über das Mini-Angebot der Arbeitgeber ist groß. Deshalb gab es eine breite Mobilisierung.“ Landesbezirksleiter Martin Gross von Ver.di Baden-Württemberg gab sich kämpferisch: „Ohne Streik lässt sich nichts verändern!“
Aber, wie gesagt, nach letzten Warnstreiks am Freitag, dem 21.04. kam es am Samstag zur Einigung zwischen den Arbeitgebern und Ver.di. Was war die Forderung und wie wurde abgeschlossen?
Die Forderung war klar: Sockelbetrag mindestens 500 Euro monatlich und 10,5% mehr mit 12 Monaten Laufzeit.
Das Verhandlungsergebnis liegt krass daneben. Der Sockelbetrag beträgt jetzt 200 Euro und für Azubis 150 Euro im Monat. Darauf kommt eine Tariferhöhung von 5,5 %. Aber das alles erst ab März 2024. Heißt praktisch, erst einmal ein Jahr ohne Lohn- und Gehaltserhöhung. Das ist glatter Lohnraub! Daran ändert sich auch nichts, wenn die Gesamtsteigerung (200 Euro + 5,5%) mindestens bei 340 Euro pro Monat liegen muss. Ver.di gibt die durchschnittliche Lohnerhöhung mit 11,5% an. Auf 24 Monate und nach einem Jahr Lohn- und Gehaltsverzicht und der momentanen Teuerung ist das zu wenig.
Inflationsausgleich = Mogelpackung
Versüßt soll dieses Ergebnis – also erst mal nichts – durch den so genannten Inflationsausgleich von 3.000 Euro werden. Davon werden 1.240 Euro im Juni 2023 ausgezahlt und dann monatlich weitere 220 Euro bis zum Februar 2024. Das sind dann aber auch schon wieder deutlich weniger als die 340 Euro Mindeststeigerung ab März 2024.
Das Ganze hat zwei Haken: Der Inflationsausgleich ist nicht tabellenwirksam und geht damit nicht als Lohnerhöhung in die Lohn- und Gehaltstabellen ein. Er ist steuer- und abgabenfrei, das heißt, es werden z.B. keine Beiträge an die Rentenkasse abgeführt – das Geld fehlt uns später bei der Rente.
Im Interview mit „buten und binnen“ gibt die Ver.di-Sprecherin de Jong auf die Frage “Was ist das größte Opfer, das Sie als Gewerkschaft machen mussten?“ zu: „Dass wir einen Inflationsausgleich haben, der über 14 Monate läuft, und sich das nicht auf die Löhne in den Tabellen auswirkt. Die Beschäftigten bekommen ja im Juni 1.240 Euro rückwirkend ab Januar und dann 220 Euro monatlich bis einschließlich Februar 2024. Das ist steuerfrei, aber wirkt sich nicht auf die Rente der Beschäftigten aus, das wirkt wie eine Einmalzahlung und in der Tabelle steigt das Einkommen erst ab März 2024.“
24 Monate Laufzeit: NEIN!
Der größte Hammer aber ist die Laufzeit des Tarifvertrags von 24 Monaten. Das hat Ver.di bis jetzt immer abgelehnt und die Kolleginnen und Kollegen erst recht. Niemand weiß, wie sich die Inflation entwickelt. Der jetzige Tarifabschluss, wenn er denn endgültig in Kraft tritt, bedeutet Lohn- und Gehaltseinbußen. Wir lehnen ihn deshalb ab.
Der Tarifvertrag gilt für Angehörige Tausender verschiedener Berufe – unter anderem für Frauen und Männer, die als Erzieher, Busfahrer, Angestellte von Bädern, Feuerwehrleute, Kranken- und Altenpfleger, Verwaltungsangestellte, Klärwerksmitarbeiter, Förster oder Ärzte arbeiten. Es geht um die Einkommen von mehr als 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber etwa bei Müllabfuhren, kommunalen Krankenhäusern oder Stadtverwaltungen und 134.000 Tarifbeschäftigte des Bundes.
Alle gewerkschaftlich Organisierten können in einer Urabstimmung über diesen Tarifabschluss abstimmen. Wir raten allen Kolleginnen und Kollegen:
Stimmt mit NEIN!