Buchbesprechung: Das Monopol im 21. Jahrhundert

Ein viel versprechender Titel! Kann das Buch dieses Versprechen einer kritischen Betrachtung der Monopole in der heutigen Zeit einlösen?

Teilweise ja. Denn der Autor Hans-Jürgen Jakobs, ein bekannter Wirtschaftsjournalist, bringt eine Menge Statistiken und damit harte Fakten. Das Buch gibt damit einige Anhaltspunkte über die Entwicklung des Monopolismus.

So zeigt z.B. die Statistik über die größten Automobilhersteller weltweit deutlich, dass es mit dem E-Auto eine Machtverschiebung zwischen den Großkonzernen gibt und auch neue Mitspieler hochkommen. Ein Beispiel dafür ist Tesla, das bei den größten Automobilherstellern der Welt keine Rolle spielt, da immer noch Benziner und Diesel dominieren. Bei E-Autos jedoch hat Tesla bereits einen Marktanteil von 14% erobert und ist damit in diesem noch kleinen, aber rasant wachsenden Markt der größte Player. Beim Internet wird sichtbar, wie sich chinesische Konzerne allmählich hocharbeiten. Beim E-Commerce hat Alibaba einen Weltmarktanteil von 25% und bei Bezahlsystemen von 32%.

Allerdings muss man feststellen, dass der Autor die Statistiken manchmal nach seinem Bedarf zurecht geschnitten hat. So betrachtet er bei Erdgas und Rohöl zunächst nur Deutschland und kann damit seine These der weitgehenden Abhängigkeit von Russland untermauern. Wie schnell das vom deutschen Kapital geändert wurde, konnten wir in den letzten Monaten sehen.

Unabhängig von den Fakten wird es bei der Interpretation derselben aber schnell ausgesprochen einseitig. Jakobs malt immer wieder China und in kleinerem Maße Russland als die Teufel des Monopolismus an die Wand. So schreibt er bereits in der Einleitung (S.21):

Es läuft das Entscheidungsmatch um die Macht. In China hat das Monopol der Kommunistischen Partei das aufstrebende Monopol der Datenkapitalisten gezähmt und an die Kandare genommen… In den USA und Europa… quälen sich Präsidenten, Kanzler, Minister… (bei) dem Versuch einer Bändigung der Monopolisten, vielleicht auch Zerschlagung entgegen. Gesetzgebungsprozesse sind angelaufen. Kartellpolitik als Notwehr.“

Man muss schon sehr blauäugig sein, um bei unserer Regierung „Quälerei“ bei der Bändigung der Monopole festzustellen! Olaf Scholz und der Cum-Ex-Skandal, Maskendeal-Provisionen bei der CDU/CSU, der Oppositionsführer Friedrich Merz von der CDU als ehemaliger Topmanager von Blackrock, offener Lobbyismus für die großen Monopole bei der FDP. Hat der Autor davon nichts gehört? Die Zahlen untermauern die ökonomische Bedeutung der Monopole in Deutschland und weltweit. Die Politik ist offensichtlich Diener der Monopole.

Bestreiten lässt sich auch die „Analyse“, dass in China die so genannte KP (die schon lange nicht mehr „kommunistisch“ ist) die Kapitalisten „gezähmt“ hat. Im Gegenteil! Die KP Chinas ist seit Jahrzehnten Diener des chinesischen Kapitals, der den Aufstieg der Großkonzerne befördert und die ökonomische Macht des chinesischen Kapitals festigt. Mit allen Mitteln wie Subventionen, Wechselkursvorteilen, Infrastrukturinvestitionen weltweit, Gesetzgebung, Handelsbarrieren werden dem Kapital Vorteile verschafft und damit der ökonomische Aufstieg Chinas vorwärts gebracht. In China regieren die Interessen des Kapitals. Wenn dabei einzelne Kapitalisten untergehen, so gehört das zum Kapitalismus dazu.

Doch für die Mär von den bösen „Kommunisten“ und den „Demokratien“, die sich bei der Zähmung der Monopole „quälen“, ist es natürlich einfacher die Selbstinszenierung der KP Chinas als unumschränkter Herrscher zu übernehmen, statt kritisch zu hinterfragen und mit der Realität abzugleichen.

Auffällig ist auch, dass der Autor davon ausgeht, dass die „Marktwirtschaft“ durch die Monopole „deformiert“ (S.21) sei und wieder hergestellt werden müsste und könnte. Dass die Monopole gerade ein Ergebnis der Marktwirtschaft und des kapitalistischen Konkurrenzkampfes sind, wird außer acht gelassen.

Richtig beklagt Jakobs den Einfluss des Nobelpreisträgers für Wirtschaft, George Stigler, der die Monopole nicht als Übel sondern als Heilsbringer ansah und sich deshalb massiv für Deregulierung und Privatisierung einsetzte. Er war ein ideologischer Rammbock der großen Monopole. Mit der Verherrlichung der „segensreichen“ Wirkung der Monopole und der massiven Verbreitung dieser Ideologie in den Medien half er, die ökonomischen Interessen des Großkapitals weltweit durchzusetzen.

Die Konsequenz muss aber sein, über den Ursprung des Monopolismus im Kapitalismus, in der „Marktwirtschaft“, im Konkurrenzkampf nachzudenken. An dieser Stelle kneift Jakobs, indem er einfach behauptet, man könne zu den „guten alten Zeiten“ zurückkehren und unsere Politiker würden sich dafür „quälen“.

Für den Marxismus und insbesondere den Leninismus hat er nur Missachtung übrig. So stellt er sie sehr vereinfacht dar, sodass man deren Analysen nur noch ablehnen kann. Ein Beispiel für diese „Vereinfachung“:

Richtig stellt er dar, dass Lenin im Imperialismus eine Rentnerschicht sah, die nur noch von ihren Kapitaleinkünften lebt. Bei Lenin war aber, das geht aus dem Zusammenhang hervor, nicht der Rentner gemeint, sondern Kapitalisten, die von ihrer Kapitalrente leben. Doch dann vermischt er alles und stellt Lenins „Rentnerstaat“ auf ein Stufe mit der modernen „Versorgungsgesellschaft“. Der Staat sei „immer mehr zu einem steuernden Vorsorgestaat geworden“. (S.53) Nun sind mit dem „modernen Vorsorgestaat“ gerade nicht die Kapitalisten gemeint, die von ihrem Vermögen gemütlich leben, sondern die „Sozialleistungen“ wie Hartz IV, die erbärmlich niedrigen Renten, Wohngeld und ähnliches. Was daran vergleichbar sein soll? Wir wissen es nicht. Es dient bestenfalls zu einem Angriff auf den „Vorsorgestaat“, also Sozialabbau!

Jakobs einseitiger „Analyse“ führt dazu, dass er den Ökonomen Phillipe Aghion (S.380) zitiert: „Reichtum ist nicht das Problem. Ein Problem wird Reichtum nur, wenn man sich damit politischen Einfluss kauft, um die Erneuerung der Wirtschaft zu bremsen.“

Also: Wenn man sich politischen Einfluss kauft, um die Erneuerung der Wirtschaft voranzubringen, ist alles gut? Und wie soll es Reichtum ohne politischen Einfluss geben?

Er will den Kapitalismus verbessern und vom politischen Einfluss der Reichen befreien. Ein wackerer Ritter von trauriger Gestalt, der gegen die Windmühlenflügel kämpft, wie einst Don Quichotte.

Auf S.382 formuliert er sein „Programm“. So möchte er die Wettbewerbsbehörden besser ausstatten, eine neue Marktordnung mit Zerschlagung von Oligopolen, Förderung des Mittelstandes, Innovationspolitik usw. usf.

Eine „Förderung des Mittelstandes“ haben wir seit Jahren. Das Ergebnis: Wachstum der Großkonzerne zu Lasten der kleinen Selbständigen.. Mit jeder groß angekündigten „Reform des Wettbewerbsrechts“ sind die großen Monopole gewachsen. Illusionen ändern nicht die Realitäten des Kapitalismus!

Weil im Koalitionsvertrag „mehr als 60-mal das Wort ‚Wettbewerb‘ erwähnt“ wird, ist Jakobs Schlussfolgerung: „Die grundsätzliche Bereitschaft der Regierung kann also vorausgesetzt werden.“

Das ist bestenfalls naiv!

Interessant ist, dass selbst bürgerliche Wirtschaftsfachleute gezwungen sind, sich mit dem Monopol zu beschäftigen und dazu auch einiges Zahlenmaterial liefern. Aber auch mit den besten Zahlen scheint es für sie nicht möglich zu sein, die Realität zu erklären und zu verstehen. Sie schauen durch ihre rosarote Kapitalismusbrille.

Hans-Jürgen Jakobs, Das Monopol im 21. Jahrhundert – Wie private Unternehmen und staatliche Konzerne unseren Wohlstand zerstören, DVA, 432 Seiten, Hardcover, 36 Euro