Zur Konferenz der VKG in Frankfurt
Etwa 100 kämpferische Gewerkschafter/innen trafen sich am 8. und 9. Oktober 2022 in Frankfurt/Main. Geladen hatte die Vernetzung Kämpferische Gewerkschaften VKG.
Sehr lebendige Debatten im Schatten ungekannter Preisexplosionen, im Zeichen der Notwendigkeit, für arbeitende Menschen jetzt Tarifforderungen in ungekannter Höhe unmittelbar, 1:1, durchsetzen zu müssen, Sorge und Angst um das Überleben, um die täglich anwachsende Weltkriegsgefahr – all das gab der lebhaften Auseinandersetzung Tiefe und Ernst. Die Konferenz zeigte: Die Gewerkschaftslinke in ihren Schattierungen ist heute als kämpferische Gewerkschaftsströmung besser vernetzt. Sie hat sich stabilisiert und gewinnt wieder an Einfluss. Insofern ist der Bewertung durch die VKG zuzustimmen: Ein Schritt vorwärts!
Die Schlussresolution illustriert es: Es ist nicht mehr nur die Rede von „Die Gewerkschaften sollen dieses tun, die Gewerkschaften sollen jenes in die Wege leiten etc., sondern: die Verantwortlichen werden klarer benannt: Gewerkschaftsvorstände, leitende Gremien der Gewerkschaften. Denn die, die in Frankfurt zusammenkamen – sie sind ja selber Gewerkschaft, selber aktive Menschen. Wo es aber hapert? Die Interessen der Basis sind zu schwach aufgestellt, die Führungen der Gewerkschaftsorganostionen würgen immer wieder die nicht zu übersehende Kampfbereitschaft ab.
Im Titel der Abschlussresolution allerdings blieb es noch(?) beim „alten Modus“: „Nein zu Preisexplosion und Lohnverlusten: Die Gewerkschaften müssen die Gegenwehr organisieren!“ Die Gewerkschaften selbst müssen das Herz dieser Gegenwehr sein! Wenn aber die Führungen das nicht in die Hand nehmen?? Wie zur Zeit der IG Metall-Vorstand, der sich den Protesten des Herbstes verweigert? Dann müssen es die Kolleg/innen an der Basis in die Hände nehmen. Unterschätzen wir sie nicht! Die Konsequenz kann nur sein: Die Probleme und Erfahrungen der Basis müssen beim Namen genannt und von uns in klare Forderungen und Handlungsanweisungen umgewandelt werden, von den jungen wie den älteren Gewerkschafter/innen, zusammen mit den Kolleg/innen an der Basis, in Betrieben, Institutionen, Krankenhäusern oder Schulen. Das muss die Kraft werden, die die heutige Bürokratenherrschaft aushebelt.
Da tickt die Resolution durchaus richtig: Ausdrücklich ruft sie Kolleginnen und Kollegen auf, selbst die Initiative zu ergreifen, kämpferische Forderungen in Gewerkschaftsgremien oder auf Betriebsversammlungen einzubringen, Kolleginnen und Kollegen zu sammeln, mit denen wir gemeinsam Betriebsräte, Gewerkschaftsbüros oder Vertrauensleute aufzusuchen und örtliche Protestaktionen auf die Beine zu stellen. Die VKG selbst bietet in ihrer Resolution aktive Hilfe dazu an, Kontakte und Materialien: „Bildet lokale oder betriebliche Gruppen der VKG und geht als gemeinsamer Block auf die Demos und Aktionen! Wir schlagen dazu vor: Sollte es wirklich betriebliche Gruppen geben, dann sollten sie ihren Einfluss dazu nutzen, in Demonstrationen eigene Betriebsblöcke zu bilden unter eigenen Parolen, aus den betreffenden Betrieben. Ziel muss sein: die Belegschaften müssen vorangehen!
Dass viele junge und ausgesprochen militante, wortgewaltige Kolleg/innen da waren und viel lebendige Kampferfahrungen beisteuerten, ist eine sehr positive Entwicklung, auch wenn es noch ziemlich viele Rentner/innen unter den Gewerkschaftslinken gibt. Bestes Beispiel war die junge Ver.di-Vertrauensfrau, die über den Hafenarbeiterstreik in Hamburg als direkte Beteiligte und verantwortliche Aktivistin berichtete.
Die Forderungen der Resolution sind richtig, ein kämpferisches Manifest – der ganze Text ist nachzulesen unter: https:/vernetzung.org/wp-content/uploads/2022/10/Erklaerung-VKG-Preisexplosion-Lohnverluste.pdf . Wir wollen sie hier nicht referieren.
Und doch bleibt ein schaler Beigeschmack: Dieser brutale imperialistische Krieg stand zwar immer in Raum, aber nur wenige trauten sich wirklich an das Thema ran: So wie wir Genossen von AZ verlangten, endlich die Führungen der Gewerkschaften als Verantwortliche beim Namen zu nennen, so beantragten wir auch, diesen Krieg als brutalen Fakt für alle arbeitenden Menschen, als eine wichtige Ursache für zahllose Angriffe auf unsere Rechte und Errungenschaften beim Namen zu nennen. Erst recht, weil klassenkämpferische Kolleg/innen gerade jetzt die internationale Solidarität verteidigen und der empörenden nationalen Hetze entgegentreten müssen, die aktuell immer übler und weiter um sich greift, spaltet und zerrüttet. Egal ob deutscher, ukrainischer, russischer Nationalismus und Chauvinismus – die Klasse der arbeitenden Menschen kann diese Pest nicht brauchen, muss dagegen ankämpfen um der Einheit der Klasse willen.
Und die Entschließung der Konferenz? „…selten war so klar wie heute, dass es politische Entscheidungen, Aufrüstung, Krieg und die Zuspitzung zwischen den Großmächten sind, die die Krise befeuern...“ Das ist alles!? Krieg an dritter Stelle? Und die Kriegspolitik der Herrschenden? Wo die Hetze gegen Russland und russische Menschen allgegenwärtig ist? Und die dummen Sprüche der Herrschenden, dass wir uns einschränken müssten wegen „Putin“, während viele Kapitalisten jetzt gerade erst richtig loslegen mit Ausbeutung und Profitmacherei?
An anderer Stelle heißt es noch richtig: „Die anstehenden Tarifrunden… bieten die Möglichkeit, gegen die drohenden Reallohnverluste zu kämpfen. Die Frage des Kampfes gegen die Teuerung dürfen wir nicht den Rechten überlassen.“ Wer den Rechten entgegentreten will, braucht erneut Karl Liebknecht und seine Schlussfolgerungen im 1. Weltkrieg!
Es ist nicht zu übersehen! Würde dieser Krieg gebührend berücksichtigt, dann würde die brüchige und schwankende Einheit von Frankfurt auf eine harte Probe gestellt: Russlandfreunde und -Sympathisanten aus Kreisen der DKP (die in der VKG eine wichtige Rolle spielt), Russlandgegner aus trotzkistischen Kreisen, die durchaus stark vertreten sind, auch im neu gewählten Koordinierungsgremium, sie machen es schwierig, sich im Sinne Liebknechts darauf einzulassen, dass auch für die Vernetzung kämpferischer Gewerkschafter/innen der Hauptfeind im eigenen Land steht. Darauf müssen wir uns konzentrieren. Aber wir können es auch, wenn der Wille da ist! Ein Anwesender erinnerte auf der Konferenz daran, dass die Novemberrevolution in Deutschland ohne die Revolutionären Obleute in den Betrieben des Kaiserreiches niemals denkbar gewesen wären… Da liegt auch unsere Aufgabe!