Die türkische Regierung setzt ihre Repressionen gegen fortschrittliche Kräfte und kritische Stimmen fort. Am Mittwoch, den 26. Oktober, wurde die Vorsitzende des türkischen Ärzteverbandes (TTB), Şebnem Korur Fincancı festgenommen. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft in Ankara wurde Fincancı wegen des Verdachts „Propaganda für eine Terrororganisation“ verbreitet zu haben festgenommen.
Die 63-jährige Medizinerin ist Professorin für Forensik an der Universität Istanbul und Kolumnistin für die Tageszeitung Evrensel. Fincancı dokumentiert seit 30 Jahren Fälle von Folter und Misshandlungen in der Türkei. Sie ist eine der bekanntesten Menschenrechtsaktivistinnen und war eine der Hauptautorinnen des Istanbul-Protokolls, was als Standardwerk der Vereinten Nationen zur Untersuchung und Dokumentation von Folter gilt.
Für ihren Einsatz für Frieden und Menschenrechte wurde ihr 2018 der Hessische Friedenspreis verliehen.
Die unermüdliche Kämpferin für Menschenrechte wurde zuvor schon im Juni 2016 und 2018 wegen „Terrorpropaganda“ festgenommen. Auch dieses Mal lautet die Begründung „Terrorpropaganda“, weil sie vor einer Woche eine unabhängige Untersuchung zur Chemiewaffennutzung der türkischen Armee in der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak gefordert hatte.
Die Verhaftung von Fincancı nahm die Regierung als Anlass gegen den seit langem unbequemen Ärzteverband TTB vorzugehen. Erdoǧan erklärte, der Verband habe nicht das Recht, das Wort „türkisch“ im Namen zu führen. Wenn nötig, werde man den Namen gesetzlich ändern und die Leitung des Verbandes einem „Treuhänder“ übergeben.
Sowohl Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı, wie auch der Ärzteverband TTB, dessen Vorsitzende Fincancı ist, sind ein wichtiger Teil der Demokratiebewegung in der Türkei.
Angesichts der nahenden Wahlen wird die Erdoǧan-Regierung alles daran setzen, mögliche „Hindernisse“ zum Wahlsieg mit allen Mitteln aus dem Weg zu räumen, jegliche oppositionelle Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Doch die Entwicklungen in der Türkei deuten darauf hin, dass die Regierung es dieses Mal nicht so leicht haben wird.
Wir verurteilen aufs Schärfste die Repressionen der türkischen Regierung gegen fortschrittliche Kräfte und fordern die Freilassung von Şebnem Korur Fincancı.
DIDF Bundesvorstand
Köln, 27.10.2022