Sozialismus light – die Sozialismus-Vorstellungen der Linken

Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren Revolutionäre, die 1918 den Krieg durch eine Revolution beendeten. Sie waren keine Reformisten wie die Linke.

Mit ihrem guten Abschneiden bei den Bundestagswahlen 2025 zeigt die Partei die Linke, dass antikapitalistische Positionen insbesondere in der Jugend wieder Zuspruch finden. Mit diesen Menschen wollen wir zusammen gegen den Kapitalismus und seine katastrophalen Auswirkungen kämpfen Zugleich ist es damit notwendig, sich noch gründlicher mit den Sozialismus-Vorstellungen der Linken auseinanderzusetzen, um Klarheit über den richtigen Weg zur Beseitigung des Kapitalismus zu schaffen.

Wir haben dazu 2 Veröffentlichungen der Linken beziehungsweise von entscheidenden Repräsentanten der Linken herangezogen. Zum einen die Broschüre von Bernd Riexinger und Raul Zelik: „Was ist Sozialismus heute? Warum wir den Kapitalismus überwinden müssen“, die über die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linken kostenlos verbreitet wird bzw. auf deren Homepage heruntergeladen werden kann. Zum zweiten das geltende Programm der Linken von 2011, das von ihrer Homepage heruntergeladen werden kann.

In beiden Dokumenten bekennt sich die Linke zum „Sozialismus“ beziehungsweise „demokratischen Sozialismus“ und kritisiert den Kapitalismus.

 

Kapitalismuskritik light

Doch diese Kritik ist nicht grundsätzlich, sondern eingeschränkt auf einzelne Aspekte des Kapitalismus. So sprechen sich Riexinger und Zelik gegen „rücksichtlose Marktkonkurrenz“ aus. Sie kritisieren, dass alles „in Waren verwandelt wird“ sowie „die Widersprüche zwischen den Klassen und die soziale Ungleichheit wachsen.“ Sie sprechen von „Überausbeutung“ (alles S.7). Sie stellen sich aber nicht grundsätzlich gegen Markt und Konkurrenz oder gegen eine normale Ausbeutung, was immer das sein soll. Sie wollen auch keine klassenlose Gesellschaft, sondern wenden sich lediglich gegen eine Zuspitzung der Widersprüche.

Im Programm der Linken klingt das ähnlich. Man ist dagegen, dass „vor allem der Profit regiert“ (S.4) und gegen „die Dominanz des Profits“ (S.5) – also nicht dagegen, dass es privaten Profit und damit Ausbeutung anderer Menschen gibt. Sie wollen „Marktsteuerung“ und „Wettbewerbskontrolle“ (S.5), also keine ernsthafte gesellschaftliche Planung der Wirtschaft. Dabei beruft sich die Linke auf „Marx, Engels und Luxemburg“ (S.7) und auf Karl Liebknecht (S.8).

Doch die Kritik von Marx und Engels wie auch von Luxemburg und Liebknecht am Kapitalismus sah ganz anders und grundlegend aus, eben revolutionär.

Schon im Kommunistischen Manifest heißt es:

„Die Waffen, womit die Bourgeoisie den Feudalismus zu Boden geschlagen hat, richten sich jetzt gegen die Bourgeoisie selbst.

Aber die Bourgeoisie hat nicht nur die Waffen geschmiedet, die ihr den Tod bringen; sie hat auch die Männer gezeugt, die diese Waffen führen werden – die modernen Arbeiter, die Proletarier…

Von allen Klassen, welche heutzutage der Bourgeoisie gegenüberstehen, ist nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre Klasse. Die übrigen Klassen verkommen und gehen unter mit der großen Industrie, das Proletariat ist ihr eigenstes Produkt…

Alle früheren Klassen, die sich die Herrschaft eroberten, suchten ihre schon erworbene Lebensstellung zu sichern, indem sie die ganze Gesellschaft den Bedingungen ihres Erwerbs unterwarfen. Die Proletarier können sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte nur erobern, indem sie ihre eigene bisherige Aneignungsweise und damit die ganze bisherige Aneignungsweise abschaffen. Die Proletarier haben nichts von dem Ihrigen zu sichern, sie haben alle bisherigen Privatsicherheiten und Privatversicherungen zu zerstören…

Das Proletariat, die unterste Schicht der jetzigen Gesellschaft, kann sich nicht erheben, nicht aufrichten, ohne daß der ganze Überbau der Schichten, die die offizielle Gesellschaft bilden, in die Luft gesprengt wird…

Indem wir die allgemeinsten Phasen der Entwicklung des Proletariats zeichneten, verfolgten wir den mehr oder minder versteckten Bürgerkrieg innerhalb der bestehenden Gesellschaft bis zu dem Punkt, wo er in eine offene Revolution ausbricht und durch den gewaltsamen Sturz der Bourgeoisie das Proletariat seine Herrschaft begründet.“

Der Unterschied zu der weichgespülten „Kritik“ der Linken am Kapitalismus ist offensichtlich. Marx, Engels, Liebknecht und Luxemburg waren revolutionär. Die Linke ist sozialdemokratisch.

 

Ja, der Kapitalismus ist schlimm

In ihrem Programm kritisiert die Linke völlig zu Recht „eine Weltordnung, in der alle fünf Sekunden ein Kind verhungert und mehr als eine Milliarde Menschen zu wenig zu essen und keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.“ (S.11) Zustimmen können wir ihr auch, wenn sie die „Teilung in ‚Frauen-´ und ‚Männerarbeit‘“ (S.12) und die Unterdrückung der Frau angreift. Ebenso stimmt: Deutschland ist eine Klassengesellschaft.“ (S.14) Abbau demokratischer Rechte und voranschreitende Faschisierung werden richtig genannt. Die heraufziehende ökologische Katastrophe wird angeprangert (S.19); ebenso die steigende Kriegsgefahr (S.20). Die Beschreibung der Mängel dieser Gesellschaft ist weitgehend korrekt. Da sind wir uns in den meisten Punkten einig. Doch reicht das? Offensichtlich nicht! Denn man muss auch einen Weg zeigen, wie das geändert werden kann und muss. Wenn aber weder im Programm der Linken noch in der Broschüre über „Sozialismus heute“ die Enteignung des Großkapitals erwähnt wird, dann ist es zwar eine Kritik des Kapitalismus, aber ohne Perspektive.

Ungerechtigkeiten dieses Systems kritisieren viele Parteien in ihren Programmen. Die SPD hat über Jahrzehnte viel Übung darin, Ungerechtigkeiten anzuprangern, die sie selbst mitzuverantworten hat, um dann an der Regierung diese Ungerechtigkeiten noch zu verschlimmern. Das beklagen der schlimmen Zustände ändert die Welt nicht.

Dazu hat die Arbeiterklasse eine lange Geschichte des Kampfes gegen diese Ungerechtigkeiten mit einem Haufen Erfahrungen. Das fängt an bei den Aufständen der Weber 1844, über die Bildung von Gewerkschaften, der Entwicklung des wissenschaftlichen Marxismus und Leninismus, der Schaffung erster revolutionärer Arbeiterparteien, der Pariser Kommune, den Revolutionen von 1917 und 1918, dem Kampf gegen Faschismus und Krieg, bis hin zu den Erfahrungen mit dem ersten Anlauf zum Sozialismus und der Zerstörung des Sozialismus durch den Revisionismus. Aus diesen Erfahrungen muss geschöpft werden, wenn man daraus lernen und das Ziel des Sozialismus erreichen will.

 

Sind die historischen Erfahrungen nutzlos?

Wenn man über Sozialismus spricht, dann sind selbstverständlich immer die konkreten Erfahrungen mit der Sowjetunion, DDR und vielen anderen Staaten gegenwärtig, die den ersten Anlauf zum Aufbau des Sozialismus machten. Doch hier fehlt bei der Linken jede ernsthafte Aufarbeitung und Auswertung. Riexinger und Zelik handeln diese Erfahrungen auf anderthalb Seiten ab. Gleich zu Anfang steht das Schlagwort „Stalinismus“ (S.9; im Programm der Linken S.10) wie ein Stoppschild da. Weiterdenken unerwünscht!

Ohne jede Begründung wird von Riexinger und Zelik der „Staatssozialismus“ (S.9) für alle Probleme und die Niederlage als Ursache genannt. Genaueres erfährt man – auch im Programm der Linken – nicht. Was man aus den historischen Erfahrungen der Arbeiterbewegung und des ersten Versuchs, den Sozialismus aufzubauen, lernen kann, dazu wird nichts gesagt.

So kann man Geschichte entsorgen. Mit einer materialistischen Geschichtsauffassung hat das nichts zu tun. Den Herrschenden genehme Phrasen sind leicht dahergeredet. Damit wird alles, was die Arbeiterklasse an Erfahrungen als Klasse an der Macht gesammelt hat, in die Schmuddelecke der Geschichte gestellt oder gleich im Abfall entsorgt. Hier ist nicht der Platz, um das Versäumnis der Linken nachzuholen. Wir haben dazu schon einiges veröffentlicht.

Allerdings ist vollkommen klar, dass eine Voraussetzung für den Sozialismus die Beseitigung des Kapitalismus – nicht seine „Bändigung“ – ist. Ebenso müssen die Herrschaftsverhältnisse grundlegend geändert, also die Arbeiterklasse zur herrschenden Klasse werden und eine Demokratie geschaffen werden, die diesen Namen wert ist. Karl Marx hat nach den Erfahrungen der Pariser Kommune, das Konzept der Diktatur des Proletariats entwickelt. Er betonte ausdrücklich, dass er sich in diesem Punkt in seinen Sozialismus-Vorstellungen korrigieren muss. Gemeint war damit die Herrschaft der Arbeiterklasse mit allen fortschrittlichen Schichten des Volkes und das endgültige Zerbrechen der Macht des Kapitals, die Herrschaft der großen Mehrheit über eine winzige Minderheit von Kapitalisten. Marx und Engels haben auch immer wieder die Notwendigkeit des Staates für eine Übergangszeit betont. Abgeschafft werden könne der nur, wenn die Voraussetzungen für eine kommunistische Gesellschaftsordnung geschaffen seien.

Aus den Erfahrungen in der Sowjetunion und in anderen sozialistischen Staaten können wir viel Positives lernen. Sie haben in die richtige Richtung gezeigt. Gescheitert sind sie unter anderem an der Unterschätzung des Widerstandes der Ausbeuterklasse. Ein weiterer Faktor war die Auswirkung von Privilegien auch auf Kommunisten, die den Opportunismus und Revisionismus gefördert haben. Aus all dem kann man lernen, wenn man es gründlich untersucht, statt mit Schlagworten wie „Stalinismus“ oder „Staatssozialismus“ eine Auswertung der Erfahrungen zu ersticken.

 

Verdrehung des Marxismus

Wer den Marxismus bekämpfen will, gibt sich am besten als „Marxist“ aus und verdreht ihn dann. Riexinger und Zelik behaupten, dass „der Kapitalismus historisch nicht auf freien Märkten, sondern auf kriegerischer Unterwerfung, kolonialer Ausplünderung und Versklavung beruhte…“ (S.12) Das hört sich entschiedener an als bei Karl Marx. Sie sind „entschlossenere Kritiker“ des Kapitalismus. Aber leider wird alles auf den Kopf gestellt. Marx und Engels haben sehr gründlich analysiert, dass der Kapitalismus den freien Markt brauchte. Die Warenproduktion und der freie Markt waren die Basis jeder kapitalistischen Entwicklung. Nur so konnten die im Mittelalter schwachen europäischen Staaten an Macht und damit letztendlich an militärischem Potential gewinnen. Wie wir aktuell sehen, benötigen Rüstung und Krieg ungeheure ökonomische Ressourcen. Und die müssen erst mal vorhanden sein, geschaffen werden. Auch für Versklavung benötigt man Waffen, die zuvor von einer Industrie produziert werden müssen. Engels hat sich dazu ausführlich im „Anti-Dühring“ in seinen Ausführungen zur Gewalttheorie geäußert. Er erklärt über viele Seiten, dass Ausbeutung nicht seine Ursache in „Ausplünderung“ und „Versklavung“ hat, sondern eben Resultat der ökonomischen Entwicklung, insbesondere der Produktivkräfte und des Mehrproduktes ist. Unkenntnis können wir Riexinger und Zelik nicht unterstellen, daher müssen wir annehmen, dass sie diese Analysen bewusst über Bord werfen und durch eine seichte sozialdemokratische „Kapitalismuskritik“ ersetzen.

Da bei Riexinger und Zelik der Marxismus mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht aufhört, „übersehen“ sie Lenin, der die Herausbildung des Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus analysiert hat. Daher vermeiden sie auch jede ernsthafte Kritik am Imperialismus, sondern ziehen sich auf moralische Kategorien wie „Ausplünderung“, „Unterwerfung“ zurück, die aber nichts erklären oder analysieren, sondern die Zusammenhänge eher verschleiern.

Das wird besonders deutlich an ihrer „Erklärung“ des Faschismus:

„In diesem Sinne sind wir der Ansicht, dass die größte Bedrohung der Demokratie nicht von einer ideologisch begründeten politischen Bewegung, also den viel beschworenen «Feinden der liberalen Gesellschaft», sondern vom Kapitalismus selbst ausgeht. Oder präziser: Der Faschismus erwächst fast zwangsläufig aus jenem Wirtschaftsliberalismus, der die Demokratie tagtäglich unterminiert. In einem System, in dem Milliardär*innen wie Rupert Murdoch oder die Springer-Familie die öffentliche Meinung mit ihren Medienimperien systematisch beeinflussen können und in dem die Entwertung im Arbeitsprozess gleichzeitig Ideologien der Entmenschlichung produziert, ist die faschistische Eskalation unvermeidbar.“ (S.12)

Das klingt gut, ist aber falsch! Letztlich erklären sie die Medien zur Ursache des Faschismus. Auch hier wird alles auf den Kopf gestellt. Die Grundlage für jede Art von Monopol ist Kapital in entsprechender Höhe. Auch Medienmonopole sind nur aufgrund ökonomischer Macht möglich. Die Ökonomie ist die Quelle des Übels, nicht umgekehrt die Medien. Und der Faschismus droht nicht von der Medienmacht, sondern entspringt aus der Entwicklung des Kapitalismus. Dimitroff bezeichnete den Faschismus als die „terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ (Dimitroff, Bericht auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale). Dimitroff erklärte den Faschismus nicht aus der Stärke des Kapitalismus, sondern aus seinem Niedergang und seiner tiefen allgemeinen Krise:

Unter den Verhältnissen der hereingebrochenen überaus tiefen Wirtschaftskrise, der heftigen Zuspitzung der allgemeinen Krise des Kapitalismus, der Revolutionierung der werktätigen Massen ist der Faschismus zum breiten Angriff übergegangen. Die herrschende Bourgeoisie sucht immer mehr ihre Rettung im Faschismus, um die schlimmsten Ausplünderungsmaßnahmen gegen die Werktätigen durchzuführen, um einen imperialistischen Raubkrieg… vorzubereiten und durch alle diese Maßnahmen die Revolution zu verhindern….

Bezeichnend für den Sieg des Faschismus ist aber gerade der Umstand, daß dieser Sieg einerseits von der Schwäche des Proletariats zeugt, das durch die sozialdemokratische Spaltungspolitik der Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie desorganisiert und paralysiert wurde, andererseits aber die Schwäche der Bourgeoisie selbst zum Ausdruck bringt, die vor der Herstellung der Kampfeinheit der Arbeiterklasse Angst hat, vor der Revolution Angst hat und nicht mehr imstande ist, ihre Diktatur über die Massen mit den alten Methoden der bürgerlichen Demokratie und des Parlamentarismus aufrechtzuerhalten.“ (ebenda)

Dass die Bedrohung durch Faschismus und Faschisierung nicht im Wesentlichen aus den Medien von Robert Murdoch oder der Springer-Familie entspringt, sieht man daran, dass die Tendenz zu Faschisierung und auch zum offenen Faschismus derzeit weltweit sichtbar ist. Ob Jolani in Syrien, Erdogan in der Türkei, Putin in Russland, Trump in den USA, der starke Rechtsruck in Deutschland, das alles sind deutliche Zeichen, dass das Kapital weltweit immer stärker Druck, Gewalt, offenen Terror benötigt, um seine Herrschaft aufrecht zu erhalten. Das liegt nicht an Medien, einzelnen Familien oder Personen und auch nicht am Zufall, sondern ist ein Resultat des herrschenden Systems und seiner imperialistischen Phase. Innerhalb dieses Systems spielen natürlich Personen, Medien usw. eine Rolle, sind aber nicht die Ursache für die Entwicklung sondern ihr Ausdruck.

Doch, wer Lenins Imperialismus-Analyse ignoriert, muss dies eben durch Verweis auf die bösen Schurken wie Murdoch, Springer, Trump usw. ersetzen.

 

Wohin geht die Reise?

Die Linke will „Sozialismus“. Doch wie soll der aussehen und wie soll man dahin kommen?

Bei Riexinger und Zelik ist das einfach: „Sozialismus als die politische Bewegung, die sich der Verwertungslogik des Kapitals widersetzt und die Verwandlung aller Lebensbereiche und Räume in Waren stoppt. Oder wie es in Anlehnung an den englischen Begriff für Ware (commodity) heißt: Der Sozialismus ist eine «Dekommodifizierungs-Bewegung». Sein Ziel ist das gute Leben für alle…“ (S.14)

Das erinnert doch sehr an den guten, alten Sozialdemokraten und Revisionisten Eduard Bernstein (1850-1932), der den Opportunismus prägnant lobte: „Das Ziel ist mir nichts, die Bewegung ist alles.“

Sozialismus als politische Bewegung? Was soll das ein? Eine Erklärung gibt es, wie so oft nicht, stattdessen verschwommene Phrasen.

Dementsprechend fordern sie auch nicht die Enteignung der Medien, sondern deren „Demokratisierung“ (S.16-17). Gedanken von Bert Brecht über Rundfunk im Sozialismus unter der Herrschaft der Arbeiterklasse werden zu einem „Prinzip“ überhöht und ohne Herrschaft der Arbeiterklasse auf heute übertragen. Eine Erklärung, wie unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Machtverhältnissen die Medien „demokratisiert“ werden sollen, bleiben sie schuldig.

Im Programm der Linken steht als Alternative: „DIE LINKE beobachtet mit großem Interesse das Modell der ALBA-Staaten, die eine solidarische ökonomische Zusammenarbeit vereinbart haben.“ (S.21)

Das ist ein Wirtschaftsprojekt von Antigua und Barbuda, Bolivien, Dominica, Grenada, Kuba, Nicaragua, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Venezuela, das allerdings schon kurz nach seiner Gründung weitgehend tot war. Es basiert auch nicht auf „sozialistischen“ Alternativen, sondern auf normalem Kapitalismus mit Warenproduktion und -austausch. Nur dass sich hier kleine Produzenten als Kartell gegen große zusammengeschlossen haben. Funktioniert hat es nicht, weil sich die Marktgesetze und damit die Macht der großen Industriestaaten durchgesetzt haben. Statt solche Erfahrungen kritisch und materialistisch aufzuarbeiten und daraus ernsthafte Konsequenzen zu ziehen, wird es – wohlwissend um das Scheitern dieses Projektes –propagiert. So will die Linke auch keine klassenlose Gesellschaft wie Marx und Engels, sondern „eine von Klassenschranken befreite Gesellschaft.“ (S.22) Es darf also in ihrem „Sozialismus“ Klassen geben, die müssen angeblich nur durchlässig sein.

Im Paradies der Gedanken bedeutet für Riexinger und Zelik „Sozialismus, die öffentlichen Systeme zur materiellen Grundversorgung zu verteidigen und auszubauen.“ (S.17) Sie nennen das «Infrastruktursozialismus». Aber das neue Wort soll nur den alten sozialdemokratischen Reformismus verdecken. Sozialismus geht für sie im Kapitalismus, wenn nur „die öffentlichen Systeme zur materiellen Grundversorgung“ verteidigt und ausgebaut werden. Damit man bloß nicht an eine revolutionäre Umwälzung denkt, betonen sie ausdrücklich: „Dieser Infrastruktursozialismus ist aber nicht gleichbedeutend mit Verstaatlichung.“ (S.18) Also keine Enteignung des Kapitals, sondern Mitbestimmung! „Genau das wäre die Essenz von Sozialismus: demokratische Gemeinwirtschaft.“ (S.18)

Nun hat die Arbeiterbewegung viele Erfahrungen mit demokratischer Gemeinwirtschaft und kollektivem Eigentum: Neue Heimat, Coop, BfG. Doch das ist lange her und bei vielen sicher in Vergessenheit geraten. Die Linke legt offensichtlich wie schon beim Sozialismus keinen Wert, diese Erfahrungen zu nutzen.

Die „Neue Heimat“, ehemals dem DGB gehörender größter Wohnungsbaukonzern in der BRD, Coop gewerkschaftlicher und genossenschaftlicher Lebensmittelgroßkonzern, BfG (Bank für Gemeinwirtschaft im Besitz des DGB und von Einzelgewerkschaften) entwickelten sich von Zusammenschlüssen zur gegenseitigen Hilfe zu Großkonzernen. Nach vielen Skandalen mit Korruption, Bilanzmanipulation usw. verschwanden sie bis 1988. Der Skandal um die „Neue Heimat hat die Gewerkschaften 1 Mrd. DM gekostet. Bei Coop verloren die Beschäftigten ihre Betriebsrenten. Die Überreste der drei gemeinwirtschaftlichen Betriebe gingen an Großkonzerne.

Auch bei den gemeinwirtschaftlichen Unternehmen aus der BIO-Bewegung wie Demeter, Naturland, Bioland sieht man, das gemeinwirtschaftliche Unternehmen im Kapitalismus dem Profitprinzip unterworfen sind. Was sozial anfängt, unterliegt den Gesetzen des Marktes, der Konzentration, der Monopolbildung, der Konkurrenz.

Illusionen über Gemeinwirtschaft werden verbreitet, ohne die aktuelle Realität überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. So schreiben Riexinger und Zelik: „Die sozialistische Bewegung kämpft dafür, dass Care-Arbeit umverteilt und gemeinwohlorientiert organisiert wird. Einrichtungen zur Versorgung von Kindern, Kranken, Pflegebedürftigen und Alten gehören in öffentliche oder gemeinwirtschaftliche Hand. Die dort Beschäftigten müssen unter guten Bedingungen und gut bezahlt arbeiten können.“ (S.27-28) Gemeinwirtschaft gibt es in diesem Bereich seit über hundert Jahren: DRK, Caritas, Diakonie und viele lokale Vereine für Pflege und Krankenversorgung. Merkwürdigerweise kämpfen aber auch hier die Kolleginnen und Kollegen für Tarifverträge, für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen. Alles unterliegt dem Druck der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Wer die Machtfrage und die Klassenfrage nicht stellt, landet beim Opportunismus.

Doch ohne überhaupt nur mit einem einzigen Wort auf die realen Erfahrungen mit Gemeinwirtschaft einzugehen, wird von Riexinger und Zelik unverdrossen propagiert: „Sozialismus ist eine demokratische Gemeinwirtschaft“ (S.31), in der „unterschiedliche – kollektive, aber auch individuelle – Eigentums- und Nutzungsformen koexistieren.“ (ebd.) Sie berufen sich auf das ehemalige KPD-Mitglied Karl Korsch, der 1950 in seinen „Thesen über den heutigen Marxismus“ meinte, alle Versuche, „die marxistische Doktrin als Ganzes und ihrer ursprünglichen Funktion als Theorie der sozialen Revolution der Arbeiterklassen wiederherstellen zu wollen“, sei eine „reaktionäre Utopie“. Dementsprechend fordern Riexinger und Zelik auch nicht mehr die Abschaffung des Kapitalismus. Ihr „Sozialismus“ besteht in „unterschiedlichen Eigentumsformen“ (S.33), die „in Austausch miteinander treten.“ (ebd.) Das sollen dann keine Marktbeziehungen mehr sein, aber es soll „einige Märkte dazwischen“ (S.34) geben. Es ginge nicht darum, Märkte abzuschaffen, sondern „wie viel Raum eine Gesellschaft den Märkten einräumen will.“ (S.35)

In der „solidarischen Wirtschaftsordnung, wie DIE LINKE sie anstrebt, haben verschiedene Eigentumsformen Platz: staatliche und kommunale, gesellschaftliche, private und genossenschaftliche Formen des Eigentums.“

Wie Karl Marx in „Lohn, Preis, Profit“ zeigt, ist Markt immer mit Konkurrenz und Profit verbunden. Das führt immer zu Konzentrationsprozessen, zu Pleiten, zu Druck auf die Arbeiterklasse, zu Ausbeutung. Das zeigt die oben angeführte Erfahrung mit gemeinwirtschaftlichen Unternehmen. Auch wenn sie aus einer humanen Motivation gegründet wurden, unterliegen sie den Gesetzen des Marktes.

Der „Sozialismus“ der Linken ist daher kein Sozialismus, sondern die über hundert Jahre alte sozialdemokratische Politik der Reformen im Kapitalismus und der ständigen Propagierung von Illusionen. Da heute die SPD eine offene Partei des Kapitals mit nur geringfügiger sozialer Schminke geworden ist, ist neben ihr viel Platz für linkssozialdemokratische Politik. Diesen Platz füllt die Linke. Mit Marxismus, Sozialismus und revolutionärer Politik hat das aber nichts zu tun.

Das zeigt sich auch in der praktischen Politik. Die Linke setzt sich wie die Gewerkschaftsführungen vehement für Subventionen ein; angeblich zur „Rettung“ von Arbeitsplätzen. In der Realität werden damit tatsächlich neue Arbeitsplätze geschaffen, aber an anderer Stelle dafür mehr alte, nicht so produktive Arbeitsplätze vernichtet. Denn Subventionen für Investitionen sind im Kapitalismus da, um rationeller zu produzieren, also mit weniger Arbeit mehr Produkte herzustellen.

Besonders krass zeigt sich die linkssozialdemokratische Haltung bei der aktuellen Verabschiedung des „Sondervermögens“, das real Sonderschulden für Aufrüstung bedeutet. Im Bundestag hat die Linke dagegen gestimmt. Im Bundesrat machte die Linke eine Zustimmung möglich, weil sie in den Landesregierungen von Bremen und Mecklenburg-Vorpommern, an denen sie beteiligt ist, auf einen Einspruch verzichtete. Ihr Schweigen war eine faktische Zustimmung. Es ist verständlich und gut, dass viele Wähler und Mitglieder der Linken darüber empört sind.

So erfreulich es ist, dass viele Menschen die kapitalismuskritischen Positionen der Linken mit ihrer Mitgliedschaft oder Wählerstimme unterstützen, so notwendig ist es, Klarheit über den Kapitalismus und seine Abschaffung herzustellen. Wir reichen all diesen Genossinnen und Genossen die Hand zum gemeinsamen Kampf gegen Kapitalismus, Faschismus und Militarismus. Hier sind wir uns einig! Im gemeinsamen Kampf werden wir uns solidarisch für einen revolutionären Weg einsetzen, der nicht die über 150-jährige Tradition des Reformismus fortsetzt, sondern zur Abschaffung des Kapitalismus und zu einer Gesellschaft führt, in der die Arbeiterklasse und das Volk die Macht ausüben.