Israel, Syrien, Türkei – Naher Osten in Aufruhr

Die Ereignisse überschlagen sich fast, und alle haben irgendwie mit den Kämpfen und Rivalitäten imperialistischer Mächte zu tun.

 Schauplatz Israel / Gaza:

Am Dienstag, den 18. März bricht Israel – unter dem Vorwand, Hamas würde sich nicht an die Abmachungen des Gefangenenaustauschs halten – die ausgehandelte Waffenruhe und fliegt schwere Luftangriffe auf den ohnehin verwüsteten Gazastreifen. Bilanz: über 400 Tote und fast 600 Verletzte. Getötet wurde dabei auch der Regierungschef der Hamas, Essam-al-Dalis.

Die US-Regierung, die seit dem Regierungsantritt Trumps („Riviera des Ostens“ an der Küste von Gaza) noch mehr an der Seite Israels steht als unter Biden, war darüber „informiert“. zdf.heute berichtet am 19. März: „Israel habe sich vor den Angriffen mit der Regierung von US-Präsident Donald Trump und dem Weißen Haus beraten. US-Präsident Donald Trump habe Israel grünes Licht für die Wiederaufnahme der Angriffe auf die Hamas gegeben, zitierte das „Wall Street Journal“ einen israelischen Beamten.“

Schauplatz Syrien:


Fahndungsplakat der USA zum jetzigen syrischen Machthaber Al Jolani. Als Terrorist waren 10 Mio. US-Dollar auf seinen Kopf ausgesetzt. Heute ist er „Partner“.

Seit dem Sturz der Regierung Assads (dem wir keine Träne nachweinen!) herrscht in Syrien die dschihadistische Miliz HTS und deren Anführer und jetzige Präsident, Ahmed Al-Scharaa. Interessant: Die HTS wurde noch vor einigen Jahren sowohl vom Westen als auch von Russland als Terrororganisation eingestuft. Die USA hatten auf ihren Führer ein „Kopfgeld“ von 10 Mio. $ ausgesetzt. Auch die Vereinten Nationen berichten, dass trotz ihrer Distanzierung zu al-Qaida weiterhin schwere Menschenrechtsverbrechen begangen werden, darunter Folter, extralegale Hinrichtungen, Diskriminierung von Frauen und Minderheiten sowie die systematische Unterdrückung politischer Gegner, Journalisten und Aktivisten. In den von ihr kontrollierten Gebieten setzt sie eine restriktive Scharia-basierte Ordnung durch, die insbesondere Frauen und religiöse Minderheiten unterdrückt.

Aber sie stehen eben jetzt „auf der richtigen Seite“, pro-westlich und pro-USA. Da belässt man es dann auch trotz eines Massakers unter der alawitischen Bevölkerung Syriens bei lauen Protesten.

Der imperialistische Rivale Russland hat das Nachsehen: Er muss sich auf seinen Luftwaffenstützpunkt Khmeimim und den Marinestützpunkt in Tartus zurückziehen. Ein weiteres militärisches Eingreifen, wie es zur Zeit des „Kampfes gegen den IS“ möglich war, geht wohl aufgrund der Bindung von russischen Streitkräften im Ukraine-Krieg nicht mehr.

 

Schauplatz Türkei:

Vor Kurzem rief der seit 26 Jahren auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierte Vorsitzende der kurdischen PKK, Abdullah Öcalan, seine Organisation dazu auf, den bewaffneten Kampf einzustellen und die Waffen abzugeben. Wie viel Druck dabei auf Öcalan ausgeübt worden ist, wissen wir nicht – immerhin ist der türkische Staat und die türkische Justiz zu einigem fähig, wie sich jetzt bei der willkürlichen Festnahme des Oppositionsführers der CHP, Imamoglu, und vieler weiterer Oppositioneller zeigt. Um sein politisches Überleben als Präsident der Türkei (Imamoglu hätte gute Aussicht, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen die meisten Stimmen zu bekommen) zu sichern, geht Erdogan bis ans Äußerste. Zigtausende protestierender Demonstranten in vielen Städten der Türkei lassen ihn kalt. Es werden einfach Versammlungsverbote erlassen und die Polizei geht mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Demonstrierenden vor. Ein solches Regime, das mit Demokratie nichts am Hut hat, müsste man eigentlich ablehnen und sanktionieren. Aber nein: Für die westliche „Wertegemeinschaft“, speziell die NATO (die Türkei ist NATO-Mitglied) und die EU ist die Türkei Erdogans ein wichtiger Partner.

Zunächst hat sie sich schon einmal für die EU als nützlich erwiesen, Flüchtlinge vor allem aus Syrien (3 Millionen) und Afghanistan von den Außengrenzen der EU abzuhalten. Mit diesem „Flüchtlingsdeal“ hat sich der Autokrat aus Ankara seit 2011 10 Milliarden € von der EU geholt. Jetzt eröffnet sich für Ankara ein neues Betätigungsfeld für die NATO und auch die EU. Die Frankfurter Rundschau (FR) schreibt unter der Überschrift „Türkei erwägt Friedenseinsatz in der Ukraine: Auswirkungen auf die EU-Sicherheit“: „Angesichts wachsender Unsicherheit über die transatlantische Zusammenarbeit stehen die EU-Staaten vor der Herausforderung, ihre Abhängigkeit von den Sicherheitszusagen der USA zu überdenken. Eine engere Kooperation mit der Türkei könnte dabei eine Option sein. NATO-Generalsekretär Mark Rutte soll den EU-Mitgliedsstaaten bereits empfohlen haben, die Zusammenarbeit mit Ankara auszubauen. Rutte warnte zudem laut Nachrichtenagentur Reuters vor einer Abschottung europäischer Verteidigungsinitiativen gegenüber Nato-Staaten außerhalb der EU – darunter auch die Türkei.“

Für die USA bedeuten die Ereignisse im Nahen Osten, dass sie hier mehr Einfluss erhalten. Im Kampf um die Neuaufteilung der Welt haben sie Russland in dieser Region in eine schwache Position gebracht. Zugleich haben sie dem Seidenstraßenprojekt Chinas einen geopolitischen Riegel vorgeschoben und damit ihren derzeit wichtigsten Konkurrenten ebenfalls in die Schranken gewiesen. Das wird den Konkurrenzkampf der Großmächte weiter verschärfen.

Alle drei Beispiele zeigen, dass die Ereignisse auf diesem Teil des Planeten nicht losgelöst von der Weltpolitik geschehen, dass sie nicht einfach „schreckliche“ Ereignisse sind, sondern dass dahinter die rivalisierenden Interessen der imperialistischen Länder und – im Fall der EU – Machtblöcke stehen. Frieden unter den Völkern – ob im Nahen Osten oder sonst wo auf der Welt, kann es nur geben, wenn der Imperialismus beseitigt ist.

S.N.