IG Metall Aktionstag am 15. März – ein voller Erfolg?

Etwas über 80.000 Kolleginnen und Kollegen haben sich nach eigenen Angaben der IG Metall am Aktionstag in Hannover, Köln, Leipzig, Frankfurt und Stuttgart beteiligt. Auch wenn man das zuvor ausgegebene Ziel von 100.000 Teilnehmern nicht erreichte, wurde bereits wenige Tage vorher deutlich, dass der Aktionstag zumindest inhaltlich zu einem „vollen Erfolg“ werden würde.

Knapp daneben ist auch vorbei
100.000 sollten es werden, doch wirklich knapp war es am Ende dann nicht. Bei immerhin etwas über 80.000 Teilnehmer ist auch klar, dass bei diesem bundesweiten Aktionstag nicht von einem außerordentlichen Misserfolg gesprochen werden kann, allerdings muss der letztendlichen Differenz Rechnung getragen werden. Besonders, weil die IG-Metall-Führung unter Rückgriff auf einige Tricks sehr bemüht versuchte, diese Zahl so weit es geht nach oben zu schrauben. Denn schon mehrere Wochen im Voraus zeichnete sich in den Geschäftsstellen und Bezirksleitungen klar und deutlich ab, dass die gewünschten Mobilisierungszahlen nicht erreicht werden würden. Zunächst entschied man sich daher kurzer Hand, dass man den Aktionstag zu einer gemeinsamen Aktion mit der IG BCE ausdehnt. Zu milliarden-schweren Industriesubventionen hatte man zuvor bereits im Rahmen der „Allianz pro Brückenstrompreis“ zusammengearbeitet, sodass diese spontane Kooperation keine Überraschung war. Damit wurde der Mobilisierungspool um weitere 600.000 Gewerkschaftsmitglieder vergrößert. Doch waren zu diesem Zeitpunkt bereits einige Vorkehrungen getroffen: Seit Anfang des Jahres hatte die IG Metall bereits in verschiedenen Unternehmen in Deutschland Vereinbarungen mit der Arbeitgeberseite getroffen, in denen Vorteilsregelungen für die Teilnahme am Aktionstag bestimmt wurden. Bei der BOGE Elastmetall GmbH ging es sogar so weit, dass man in einem Haustarifvertrag die Zahlung einer so genannten „Anerkennungsprämie“ verhandelte, die nicht weniger als 200 Euro brutto umfasst. Boni wie diese, ob in Geld oder Zeit verrechnet, waren zwar bei weitem nicht die Regel, allerdings eben auch keine Einzelfälle. Ob man dabei bereits von „Bestechung“ sprechen kann?
Jedenfalls wurde in vielen Betrieben schon während der Streikkundgebungen der zurückliegenden Metall-Elektro-Tarifrunde mit der Werbung für den Aktionstag begonnen. Die Ansprache der Hauptamtlichen war dabei von Anfang an äußerst „energisch“. „Nur Tod ist eine Ausrede“, war ein Satz, der nicht nur von einem Bevollmächtigten der IG Metall wortgetreu so geäußert wurde. Doch auch diese Schärfe hatte bis Anfang-Mitte Februar nur mäßigen Erfolg in der betrieblichen Mobilisierung hervorgebracht. So startete in vielen Geschäftsstellen in den letzten Wochen vor dem 15. März noch einmal ein Mobilisierungs-Endspurt, der insbesondere daraus bestand, dass die Bevollmächtigten, Sekretäre und Angestellten der IG Metall in die großen Betriebe ausschwärmten und zusammen mit den betrieblichen Gewerkschaftsfunktionären einen letzten Kraftakt unternahmen – diesmal gewissermaßen unter Aufsicht des Hauptamtes –, noch einmal einige Dutzend Teilnehmer pro Betrieb zusammenzukratzen. Der große Erfolg blieb jedoch auch bei diesen Aktionen aus. Geschäftsstellen wie Bremen, die zu Anfang hofften 3.000 Kolleginnen und Kollegen mobilisieren zu können, mussten sich schlussendlich mit etwa 500 Mitfahrenden zufriedengeben. Auch in vielen anderen Regionen waren halbvolle Busse die Regel.

Dass es am Ende immerhin doch noch 80.000 Teilnehmer wurden, hängt unter anderem damit zusammen, dass sich solche Betriebe als verhältnismäßig mobilisierungsstark erwiesen, in denen gerade konkrete Angriffe auf die Beschäftigten erfolgen. In der Regel handelt es sich dabei um Betriebe denen massiver Stellenabbau oder Werkschließung droht. Eine auffällige Ausnahme in diesem Muster stellte allerdings VW dar. Sowohl in Hannover als auch in Frankfurt erschienen außerordentlich wenig VW-Kolleginnen und -Kollegen. Das muss in direktem Zusammenhang mit dem Tarifabschluss Ende 2024 gesehen werden. Zum einen besteht für die VW-Arbeiter durch den Abschluss bereits gewissermaßen Gewissheit für die nächsten Jahre. Der Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen, das Ende von zwei Werken, Lohnkürzungen und Abbau von Ausbildungsplätzen stehen bereits fest. Zusammen mit dieser miesen Bilanz, bei der die Sparziele des Konzerns durch den Lohnverzicht der Belegschaft erreicht werden sollen, besteht somit aktuell also kaum noch Kampfbereitschaft unter den VW-Beschäftigten. Dass die IG Metall ihr selbstgestecktes Teilnahmeziel nicht erreichte, muss auch für alle anderen Betriebe im Kontext ihrer Politik der letzten Jahre betrachtet werden. Nicht nur wurde durch die Jahrzehnte der beinahe-streikfreien Tarifrunden eine passive Mitgliedschaft geformt, die es mehr gewohnt ist, dass Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte „in ihrem Namen“ für ihre Interessen „kämpfen“, als dass sie im Rahmen breiter Aktionen der gesamten Belegschaft zu aktiven Gewerkschaftern erzogen wurden. Auch die – um es diplomatisch zu formulieren – wenig vorteilhaften Tarifabschlüsse in den großen Branchen der IG Metall in den letzten 5 Jahren, haben Spuren im Bewusstsein der Gewerkschaftsmitglieder und Belegschaften hinterlassen. Dazu kommt, dass die Forderungen der IG Metall im Rahmen dieses Aktionstages in erster Linie den Unternehmen und Konzernen nutzen sollen (falls sie überhaupt dazu taugen, die Situation der Beschäftigten zu verbessern), was vielen Kolleginnen und Kollegen nicht verborgen geblieben ist.

Trotzdem ein voller Erfolg?
So zumindest blickt die IG Metall eine Woche später auf den Aktionstag zurück. „Dafür haben wir gemeinsam demonstriert“, titelt man selbstbewusst auf Instagram. Dabei bezieht man sich auf das 500-Milliarden-schwere Sondervermögen, welches gemeinsam durch CDU, SPD und Grüne eingebracht und anschließend in Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde. Nach Aussage der IG Metall hätten die 80.000 Teilnehmer „einen grandiosen Weckruf nach Berlin gesendet.“ Weiter: „Endlich ist die Politik aufgewacht und hat den Ernst der Lage erkannt.“  Dass sich CDU, SPD und Grüne allerdings schon wenige Tage vor dem Aktionstag zu diesem Schuldenpaket bekannt hatten, scheint in dem Fall eine untergeordnete Rolle zu spielen. Auf das Ergebnis kommt es an. Und das stimmt laut der IG-Metall-Führung. Denn zum einen entsprechen sowohl die umfangreichen Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaftsförderung als auch die (Teil)Öffnung der Schuldenbremse dem Forderungskatalog der IG Metall, auf dem auch der Aktionstag aufbaute (11-Punkte-Programm). Zum anderen entspricht auch die Höhe des Sondervermögens exakt der Forderung, die Christiane Benner (erste Vorsitzende der IG Metall) bereits im Januar 2024 ins Spiel brachte. Damals forderte sie „500 bis 600 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030“ „für den ökologischen Umbau der Industrie“.

Wenngleich also rein chronologisch zurecht infrage gestellt werden kann, inwiefern es wirklich die Teilnahme der 80.000 Kolleginnen und Kollegen war, die den politischen Kurs der darauffolgenden Tage bestimmte, ist ein enger Zusammenhang zwischen den gewerkschaftlichen Forderungen und dem parlamentarischen Geschehen nicht von der Hand zu weisen. Doch wie kommt es dazu?

Sondervermögen und unendliches Militärbudget – für wen?
Es liegt offen auf der Hand: die Politik der IG-Metall-Führung und die der zukünftigen Regierung (CDU und SPD), zusammen mit den Grünen im Schlepptau, ähneln sich wie ein Ei dem anderen. Die einfache Erklärung dazu: sie verfolgen die gleichen Ziele. Das 11-Punkte-Programm der IG Metall gewährt aufschlussreiche Einsicht. Es soll die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitals im immer schärferen Wettbewerb mit dem chinesischen und US-amerikanischen Imperialismus gesichert werden. Dazu braucht es auf der einen Seite die Kernsanierung deutscher Unternehmen und Konzerne. Das heißt: Modernisierung mithilfe hunderter Milliarden an Steuergeldern; Rationalisierung in der Produktion mit tausendfachem Stellenabbau als zwingende Folge; Finanzspritzen für strategisch wichtige Brachen, beispielsweise durch den Brückenstrompreis; Abbau der bürokratischen Hürden für die Wirtschaft; Ausbau der Infrastruktur zugunsten eines verbesserten Warentransports; Fördermittel für die Steigerung des Warenabsatzes, beispielsweise durch mehr E-Ladesäulen und Leasing-Unterstützung (allerdings nur für Autos die nennenswert in Europa gefertigt wurden) um mehr E-Autos auf dem Binnenmarkt verkaufen zu können. Auf der anderen Seite gehört dazu die militärische Konkurrenzfähigkeit Deutschlands, die durch die Befreiung des Militärbudgets von der Schuldenbremse und ein gigantisches europäisches Aufrüstungspaket sichergestellt werden soll. Dass Aufrüstung, wie sie nun im gleichen Atemzug von Union, SPD und Grüne durch das längst „überwählte“ Parlament durchgeboxt wurde, nicht im Widerspruch zur Politik der IG-Metall-Führung steht, sondern ihr geradewegs entspricht, beweist die IG Metall durch das Papier „Industriepolitische Leitlinien und Instrumente für eine zukunftsfähige Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“, welches sie im Februar 2024 gemeinsam mit dem Wirtschaftsforum der SPD und dem Kapitalverband „Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ (BDSV) verabschiedete.

Es ist also klar: von der Führung der IG Metall kann auch unter der kommenden Regierung keine Politik im Interesse der Arbeiter erwartet werden. Bereits jetzt zeichnet sich das eindeutige Bild ab, dass die Interessen der zukünftigen Regierung und die der IG-Metall-Führung grundsätzlich den gleichen Kurs verfolgen. Dass es im Bezug auf die wahnwitzige Dimension der neuen deutschen Militarisierung von Zeit zu Zeit auch kritische Worte aus Richtung der IGM-Spitze geben kann, beweist Hans-Jürgen Urban mit seinem Auftritt auf dem Aktionstag in Frankfurt. Auch wenn er mit Aussagen wie „Freie Fahrt für Aufrüstung – nicht mit uns!“ eine oppositionelle Haltung gegenüber der Stoßrichtung von CDU, SPD und Grüne andeutet, fordert er dennoch nicht etwa Abrüstung, noch kritisiert er überhaupt die Erhöhung des Militärbudgets ganz grundsätzlich. Die Essenz seiner Ausführungen zur Aufrüstungsspirale: „Waffenproduktion *alleine* ist nicht die Lösung, gewiss aber ein Teil der Lösung und dann am besten europäisch organisiert.“ Doch auch damit spricht er dem deutschen Kapital aus der Seele, das schon lange davon träumt die EU zu seinem Instrument zu machen, wenn es darum geht deutsche Interessen überall auf der Welt durchzusetzen. Auch muss klar sein, dass solche „Oppositionsmanöver“ wie das von Hans-Jürgen Urban, seit Jahrzehnten zur bewährten Praxis der Gewerkschaftsführungen gehören. Es wird durch solche Auftritte der Eindruck erweckt, als gäbe es auch innerhalb der Organisation einen kritischen Umgang mit dem aktuellen politischen Kurs. Damit versucht man dem wachsenden Unmut innerhalb der deutschen Bevölkerung gegenüber der immer schärferen Eskalationspolitik des deutschen Staates zu begegnen und es in „geregelte Bahnen“ zu lenken. In Hannover versuchte man ähnliches, allerdings verzichtete man dort auf eine kämpferische Hülle. Dort hieß es in gewohnter IGM-Manier „Ausrüstung ja, Aufrüstung nein!“ Wo sich dazwischen jedoch eine Grenze ziehen lässt und inwiefern sich diese Begriffe inhaltlich unterscheiden, blieb jedoch auch bei dieser Gelegenheit wieder ein Geheimnis der Gewerkschaftsführung. Eine konsequente Opposition gegen die aktuelle Aufrüstung kann es also nur aus der Basis, das heißt aus den Betrieben, geben.

Aufstehen gegen Militarisierung und Kriegstreiberei
Immer mehr Menschen stören sich in Deutschland an der offenen Eskalationspolitik der bisherigen Bundesregierung, die sich allerdings wahrscheinlich auch unter der zukünftigen Regierung lückenlos fortsetzen wird. Mittlerweile ist beinahe der Hälfte (46 Prozent) für die Einstellung aller Unterstützungen, sowohl Waffen als auch Geld, an die Ukraine. Nur noch 28% befürworten beides. Drei Jahre des ergebnislosen Blutvergießens haben vielen Menschen die Klarheit gebracht, dass sich dieser Krieg nicht durch das befeuern der Gewaltspirale lösen lassen wird. Bereits seit zwei Jahren wünscht sich eine klare Mehrheit der Deutschen stärkere diplomatische Bemühungen. Ebenfalls eine eindeutige Mehrheit (60 Prozent) spricht sich klar gegen die Waffenlieferung an Israel aus.

Einem immer größeren Teil der deutschen Bevölkerung ist klar: Von den Waffenexporten profitieren ausschließlich die deutschen Waffenproduzenten. Durch sie wird kein Frieden geschaffen. Immer größer wird der Unmut gegenüber der Verschärfung der Kriegsgefahr, die sich unter anderem in der kriegstüchtig-Machung des Gesundheitswesens, in den Bemühungen zur Wiedereinführung der Wehrpflicht und in der Stationierung der US-Mittelstreckenraketen in Deutschland äußern. Die Menschen in Deutschland zahlen jedoch nicht nur mit ihrer Sicherheit den Preis für diesen Kriegskurs der deutschen Politik. Auch den massiven Schuldenberg, der jetzt zwecks Militarisierung aufgehäuft wird, wird die Arbeiterklasse durch höhere Steuern und Einsparungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge abtragen müssen.

Es gilt nun also einen Kampf dagegen zu führen. Besonders innerhalb der Betriebe und den gewerkschaftlichen Vertrauenskörpern gilt es, dazu eine Diskussion zu entfachen. Bis heute finden sich in den Satzungen der Gewerkschaften Grundsätze wie „Fernhaltung von […] militaristischen […] Elementen“. Diese Positionen, die dem objektiven Interesse aller Arbeiter in Deutschland entsprechen, gilt es zurück zu erobern und eine breite, gewerkschaftliche Friedensbewegung aufzubauen. Nur die gemeinsame Aktionen vieler Millionen Werktätiger kann dem imperialistischen, kriegstreiberischen Kurs ein Ende bereiten.