Plakat Kriegsanleihe: Von Eybl, Plakatmuseum Wien/Wikimedia Commons, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43339437
Mindestens 1 Billion € Sonderschulden wurden am Freitag, dem 21.3.25 im Bundesrat endgültig freigegeben. Was bedeutet das für die Arbeiterklasse und das Volk?
Bei einem Bundeshaushalt von 489 Mrd. Euro (Entwurf für 2025) betragen Zinsen und Tilgung schon 317,3 Mrd. Euro! Es werden sogar neue Kredite von 356 Mrd. Euro aufgenommen. Das bedeutet der Bundeshaushalt besteht zu über 60% aus Schuldentilgung und Zinszahlung. Das wird verschleiert, indem diese Zahlungen z.B. als Ausgaben für „Soziales“ oder „Verkehr“ oder „Bildung“ verbucht werden. Mit dem 1. Und 2.Weltkrieg sowie der Inflation von 1923 wurde das Vermögen der Sozialversicherung für Krieg und Profite verbraucht. Seither ist der Sozialbereich durch diesen Raub arm und lebt von der Hand in den Mund. Finanziert wird durch die Beiträge und weitgehend durch Kredite. Werden z.B. staatliche Subventionen für neue Stromtrassen gegeben, dann taucht das im Haushalt als „Umweltschutz“ auf und nicht als Industriesubvention. Ebenso ist es mit Subventionen für moderne Produktionsstäten wie beispielsweise bei Tesla Grünheide. Bringt das Arbeitsplätze, die aber an anderer Stelle dafür verloren gehen, dann geht das in den Sozialhaushalt. Bringt es „grüne“ Produktion, dann läuft es über den Umwelthaushalt, obwohl es jeweils Industriesubventionen sind. Dann sind Umwelt, Soziales usw. „teuer“, weil ein Großteil des Staatshaushaltes aus Schulden besteht. Faktisch werden Zins und Tilgung nur dadurch gezahlt, dass jedes Jahr noch höhere neue Schulden aufgenommen werden. Der Bundeshaushalt ist damit zu einem großen Teil zu einem Umschlagplatz für das Finanzkapital geworden, das durch immer neue und höhere Kredite den Staatshaushalt für seine Profite aussaugt.
Die Schulden des Bundes liegen jetzt bereits bei über 1,7 Billion Euro. Mit dem Sonder“vermögen“ steigen sie auf über 2,7 Billionen Euro. Dementsprechend werden für Zins und Tilgung dann faktisch der gesamte jetzige Bundeshaushalt benötigt. Da der Staatshaushalt Jahr für Jahr wächst, wird noch etwas übrigbleiben, aber immer weniger. Faktisch sind damit neue, höhere Kredite zwangsläufig nötig; ebenso werden massive Kürzungen bei Sozialem, Bildung, Wohnungsbau, Kultur und in vielen anderen Bereichen nötig sein.
Wer soll das bezahlen?
Schon wenn man die Frage stellt, liegt die Antwort auf der Hand: Die Arbeiterklasse und das Volk werden zahlen müssen. Erstens schaffen nur sie die materiellen Werte, von denen diese Gesellschaft existiert. Zweitens liegt die Macht nicht in ihren Händen, sondern in den Händen des Kapitals. Und das zahlt nicht, sondern saugt den Staat aus. Der Staatshaushalt ist zu einer Beute des Finanzkapitals geworden. Daher gibt es auch keine Pläne, das Kapital zu belasten, sondern nur zu entlasten.
Mit dem Sonder“vermögen“ für Aufrüstung und Infrastruktur wird das weit über das bisherige Maß hinausgehen. Wer sehen will, was Rüstungsausgaben von 3,4% des BIP bedeuten, der schaue auf die USA, die seit Jahrzehnten in diesem Umfang für ihr Militär ausgeben. Die zahllosen Kriege der USA in Vietnam, Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien usw. mit ihren irrsinnigen Rüstungsausgaben haben die sozialen Widersprüche in den USA selbst ins Extreme verschärft. Massenhafte Obdachlosigkeit, Millionen Menschen ohne Kranken- und Rentenversicherung, keinerlei Schutz bei Entlassungen, Armut und Elend für Massen. Dafür obszöner Reichtum für Musk, Bezos und die gesamte Ausbeuterklasse.
In Deutschland sind wir bereits seit Jahren auf dem Weg dahin. Nur dank der über Jahrzehnte durch die Arbeiterbewegung erkämpften Rechte gibt es noch Schutz, der aber immer stärker abgebaut wird. Mit den Sonderschulden wird dieser Prozess rasch voranschreiten. Wenn Zins und Tilgung schrittweise ansteigen und dann rund 500 Mrd. Euro jährlich dafür an das Finanzkapital gezahlt werden müssen, dann geht das in diesem System nur durch radikalen Sozialkahlschlag.
Warum Kriegskredite und Aufrüstung?
Woher kommt dieser internationale Druck zu mehr Aufrüstung und Krieg? Die Sonderschulden sind ja kein Alleinstellungsmerkmal für Deutschland. USA, Russland, China und viele Länder in der EU pumpen immer mehr Geld in Aufrüstung. Man kann es also nicht einfach auf den „Irren“ Trump oder den „machtbesessenen“ Putin schieben. Beziehungsweise man darf dann ja auch fragen, besteht unsere Regierung aus „Irren“ und „Machtbesessenen“? Da ist sicher auch etwas dran, aber es ist keine Erklärung für den internationalen Trend zu Aufrüstung und Krieg.
1.200.000.000.000.000 US-Dollar oder 1,2 Billiarden US-Dollar – das ist das derzeit weltweit geschätzte Vermögen inklusive aller spekulativen Anlagen wie ETF, Bitcoin usw. Das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug demgegenüber knapp 80 Billionen US-Dollar, die Summe aller neu geschaffenen Werte, inklusive Dienstleistungen und Spekulation. Zum Leidwesen des Kapitals sind darin Löhne, Krankenkosten, Bildung und vieles mehr enthalten. Daher ist im jetzigen Stadium des Kapitalismus eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals von 3%, also knapp über der Inflation, kaum noch möglich. Damit lassen sich die Bedürfnisse des Kapitals nach Profit oder gar nach Höchstprofit nicht befriedigen. Hinzu kommt, dass durch die Jagd nach Höchstprofit die reale Kaufkraft der Massen weltweit sinkt, also Absatz und Profit immer schwieriger wird.
Das ist die reale Quelle des Rufs nach Rüstung, Rüstung und noch mehr Rüstung. Der Kampf um Märkte und Rohstoffe unter den Großmächten verschärft sich. Denn nur, wer billiger produziert und Märkte erobert, kann den Profit steigern. Für diesen Kampf, der ja durch Trump und Putin bei der Ukraine so offen präsentiert wurde (es geht um Rohstoffe und Einflusssphären), braucht man Aufrüstung und Krieg. Rüstung hat für das Kapital zudem den sehr erwünschten Nebeneffekt, dass da die Profite besonders hoch sind. Zudem braucht man dringend neue Absatzgebiete. Und nach dem Krieg kommt der teure Wiederaufbau, wo man erneut verdienen kann.
Im Kampf der Großmächte USA, Russland und China wird immer offensichtlicher, dass die EU und Deutschland da nur eine Nebenrolle spielen und sogar von Trump und Putin brutal zur Seite gedrängt werden. Für Deutschland als Industrieland droht dem Kapital, dass es von billigen Rohstoffen und Absatzmärkten verdrängt wird und leer ausgeht. Das ist der Hintergrund für die „Zeitenwende“, das Trommelfeuer an Kriegspropaganda und jetzt das 1-Billion-Sondervermögen. Das deutsche Kapital will sich stark genug machen, um beim Kampf der Großmächte mitzureden. Daher sollen auch die Arbeiterklasse und das Volk „kriegstüchtig“ gemacht werden, die Wehrpflicht wieder eingeführt werden. Man braucht Kanonenfutter. Zudem setzt das deutsche Kapital auf ein „vereintes Europa“, denn Deutschland allein ist zu klein, um eine Großmachtrolle zu spielen. Und um in Europa den Ton anzugeben, braucht man selbst mehr militärische Stärke.
Die Kriegskredite, beschönigend Sondervermögen genannt, sind also nötig um dem deutschen Kapital den Aufstieg zu einer führenden Großmacht in der EU und auch auf der Welt zu ermöglichen. Im sich verschärfenden Konkurrenzkampf der Großmächte ist militärische Stärke entscheidend. Und tatsächlich wächst damit die Kriegsgefahr. Das wird wiederum genutzt, um noch mehr Aufrüstung zu fordern und die Bevölkerung propagandistisch mit der drohenden Kriegsgefahr dazu zu bringen, noch mehr Aufrüstung zuzustimmen. Die Abstimmung im Bundestag und Bundesrat über das Sonder“vermögen“ war damit eine Weichenstellung zu mehr Aufrüstung und Krieg.
Dass ein Teil davon für „Infrastruktur“ sein soll, stellt keine Beruhigung dar. Denn für das Militär benötigt man funktionierende Straßen, Brücken, Schienen. Da das alles in Deutschland aufgrund der jahrzehntelangen Sparmaßnahmen für mehr Profit marode ist, ist es Teil eines Aufrüstungsprogrammes, um Deutschland wieder kriegstüchtig zu machen. Als Trostpflaster werden im Infrastrukturprogramm auch ein paar Kitas und sonstiges gebaut, doch das ist Augenwischerei.
Politisch ist es in einer solchen Situation für das Kapital wichtig, eine Stimmung der „nationalen Einheit“ zu erzeugen, wo Ausgebeutete und Ausbeuter angeblich in einem Boot sitzen und gegen den „Feind“ kämpfen. Die Guten gegen die Bösen. Nicht für Rohstoffe und Macht kämpfen wir, sondern für „Freiheit“ – das ist die offizielle Version und der moralische Druck.
Bei dieser Verschärfung der Widersprüche und der wachsenden Kriegsgefahr wird auch immer deutlicher, wer auf welcher Seite steht. So war es auch 1914 bei Beginn des 1. Weltkrieges, als alleine Karl Liebknecht im Reichstag gegen die Kriegskredite stimmte und dafür zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Die SPD beugte sich dem Druck und stimmte der Aufrüstung zu.
Heute gehörte die SPD mit Scholz und „Pistolius“ zu den treibenden Kräften für die neuen Kriegskredite. Auch die ehemals pazifistischen Grünen gehörten zu den aktiven Förderern der „Zeitenwende“. Gegen ein ökologisches Feigenblatt stimmten sie zu. Bei CDU/CSU und FDP war es sowieso keine Frage, wo sie stehen.
Die Linke, in deren Reihen es schon länger Auseinandersetzungen gibt, ob man mehr „Verteidigung“ braucht, kam als linkssozialdemokratische Kraft in die Klemme. Daher stimmte sie im Bundestag gegen die Kriegskredite. In den Länderregierungen von Bremen und Mecklenburg-Vorpommern hingegen machte sie deren Zustimmung im Bundestag möglich, indem sie die Füße stillhielt. Mit dieser Trickserei hat sie sich als „staatstragend“ und „regierungsfähig“ erwiesen. Doch zugleich spiegelt sich darin wider, dass die überwältigende Mehrheit der Mitglieder und Wähler der Linken gegen Krieg und Aufrüstung sind – wie 1914 bei der SPD. Daher gibt es auch massive Proteste gegen dieses Abstimmungsverhalten im Bundesrat. Das ist gut so! Denn das gibt die Möglichkeit, in einer gemeinsamen Front gegen Aufrüstung und Krieg ohne die „staatstragenden“ Kräfte zu kämpfen. Die Billigung der 1 Billion Euro Kriegskredite ist ein Angriff auf die Arbeiterklasse und das Volk und erfordert daher eine starke Front und einen entschlossenen Kampf. Denn die Arbeiterklasse und das Volk wollen nicht für die Profite der Reichen in den Krieg ziehen. Die Schwestern und Brüder, die auf der Gegenseite für ihre Herren in den Krieg gezwungen werden, sind nicht ihre Gegner. Ihr gemeinsamer Gegner ist das Kapital! Sie wollen auch nicht für dessen Machtinteressen, für Aufrüstung und Krieg mit der Zerstörung ihrer sozialen Rechte zahlen.
Mit der Abstimmung in Bundestag und Bundesrat ist dieser Kampf nicht zu Ende. Wenn die Konsequenzen für große Teile des Volkes spürbarer werden, werden sich immer mehr dagegen wenden. Der Widerstand gegen Aufrüstung und Krieg wird dadurch wachsen. In diesem Kampf brauchen wir keine „staatstragende“ Politik, sondern Entschlossenheit und Klarheit: Gegen Kapitalismus und Krieg!