Wahl vorbei – Kampf geht weiter!

Mit der höchsten Wahlbeteiligung seit 1990 fand der Wahlkampf seinen Abschluss. Darin zeigt sich, wie wichtig den Menschen diese Wahl war, wie viele Hoffnungen oder auch Verzweiflung sie an die Wahlurnen getrieben hat.

Die Ergebnisse sind bekannt. CDU/CSU erhielten 28,6%. Trotz der katastrophalen Ampel konnten sie ihr Ergebnis nur um ca. 4% steigern. Ein triumphaler Sieg ist das nicht. Die SPD hingegen stürzte mit rund 10% weniger Stimmen ab. Sie hat es mit der asozialen Politik der vergangenen Jahre verdient. Die Grünen waren „glücklich“, dass sie nur ca. 3% verloren. Die FDP verlor mehr als die Hälfte der Stimmen und ist damit nicht mehr im Bundestag. Das hat sie mehr als verdient. Erschreckend ist das Ergebnis der AfD mit einer Verdoppelung der Stimmen. Vor allem in den ostdeutschen Ländern hat sie fast alle Wahlkreise per Direktmandat gewonnen und ist dort mittlerweile stärkste Partei geworden. Das schlechte Abschneiden des BSW zeigt, dass die Mischung aus sozialdemokratischen Versprechungen und nationalistischer Spaltung nicht aufgeht. Ein Lichtblick ist das Ergebnis der Linken mit 8,8%. Dabei ist besonders erfreulich, dass sie bei den Jungwählern stärkste Kraft geworden ist.

In welche Zeiten fällt die Wahl?

Der Wahlkampf war in erster Linie geprägt von den Themen Migration und Wirtschaft. Dabei ist das nur ein verzerrter Ausdruck sowohl von den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung als auch von den Themen, die dem Kapital zur Zeit wirklich wichtig sind. Denn neben Migration und Wirtschaft sorgen sich auch viele Menschen in Deutschland um ihre soziale Lage sowie die Kriegsgefahr, was jedoch im Wahlkampf kaum eine direkte Rolle spielte. Die beiden gesetzten Hauptthemen waren nicht einfach Ausdruck der Themen, die die Menschen bewegen, sondern vielmehr eine Methode des Kapitals, die verbreitete Stimmung auf so aufzugreifen, dass sie seinen Plänen freie Bahn lässt.

Doch was sind diese Pläne? Bereits der Bruch der Ampel war ein erster Kristallisationspunkt dafür, was der deutschen herrschenden Klasse gerade wirklich wichtig ist. Wir zitierten schon damals Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Der Standort Deutschland braucht jetzt einen Neuanfang. Die weltpolitische Lage und der jeden Tag an Wettbewerb verlierende Standort braucht so schnell wie möglich eine handlungsfähige Politik. (…) Die Unternehmen brauchen aber jetzt Planungssicherheit und Stabilität. Dies erfordert vor allem ein gemeinsames Handeln für einen wettbewerbsfähigen Standort.“ Stefan Wolf, Gesamtmetall-Chef, sagte gegenüber BILD: „Angesichts der dramatischen Lage der deutschen Wirtschaft braucht es einen Befreiungsschlag mit großen, ambitionierten Maßnahmen. Die FDP hat das erkannt und sehr gute Vorschläge gemacht. SPD und Grüne waren offensichtlich nicht bereit, darüber ernsthaft zu diskutieren. Deutschland braucht eine Wirtschaftswende. Dafür braucht es eine Richtungsentscheidung und handlungsfähige Mehrheiten. Daher sollten so schnell wie möglich Neuwahlen stattfinden.“ Dass es die von Stefan Wolf gelobte FDP nicht mehr in den Bundestag geschafft hat, findet Christian Lindner selbst dabei scheinbar verkraftbar: „Wir sind im letzten Herbst in das volle politische Risiko gegangen für unser Land. Wir zahlen selbst heute einen hohen Preis dafür – für Deutschland war diese Entscheidung aber richtig.“ Offener kann man die Funktion des Ampel-Bruchs und der FDP dabei nicht benennen. Und den benötigten „Befreiungsschlag“ für die deutsche Wirtschaft und die „großen, ambitionierten Maßnahmen“ waren es auch, die in den letzten Monaten von den Parteien vorbereitet wurden – allen voran von der CDU/CSU, die von vornherein mit Friedrich Merz den für das Kapital aussichtsreichsten Kandidaten stellte. Merz, dessen Tätigkeiten von Blackrock, dem weltweit größten Vermögensverwalter bis hin zu Mayer Brown, einer Internationalen Wirtschaftskanzlei, die die BASF, den weltweit größten Chemiekonzern vertreten, reichen, hat einige Ideen, wie „Deutschland wieder nach vorne kommt“. So war das Wahlprogramm der Union zum Teil deckungsgleich mit den Forderungen von Gesamtmetall. Der Arbeitgeberverband fordert eine „Agenda 2040“, die Union eine „Agenda 2030“. Wir sollen mehr arbeiten, länger arbeiten und Unternehmen sollen milliardenschwere Steuererleichterungen bekommen. Doch nicht nur die CDU/CSU machte sich bereit, die Kapitalpolitik nach der Neuwahl noch ambitionierter zu verfolgen. Die Grünen setzen auf staatliche Investitionen und eine Investitionsprämie, die SPD auf Boni für investierende Unternehmen. Auch die AfD will Steuererleichterungen für Unternehmen, also das Kapital. Alle sind sich einig: Die Krise soll bewältigt werden, indem man auf dem einen oder anderen Wege dem Kapital Milliarden zuschiebt. Subventionen oder Steuergeschenke erhöhen zuallererst die Profite. Die stets vorangestellten Arbeitsplätze sind dabei bestenfalls ein Abfallprodukt.

Es ist offensichtlich und zeigt sich auch in den Wahlergebnissen, dass viele Kolleginnen und Kollegen ebenfalls Hoffnungen haben, dass Subventionen oder Steuererleichterungen für das Kapital oder beides zusammen Arbeitsplätze retten oder neue bringen können. Wir können verstehen, dass viele Angst um ihren Arbeitsplatz, um ihre Existenzgrundlagen haben und daher Hoffnungen in solche Maßnahmen setzen.

In der Regel jedoch werden Investitionen vor allem getätigt, um die Produktion effektiver zu machen, um mit weniger Arbeitskraft mehr Produkte herzustellen. Und genau diese Politik ist es, die das deutsche Kapital heute braucht, das nach wie vor in einer Stagnation steckt und in der verschärften globalen Konkurrenzsituation seine Position auf dem Weltmarkt schleunigst bessern muss, um nicht zurückzufallen. So wurde Ende 2024 wieder ein Schrumpfen des Bruttoinlandsproduktes attestiert und vom RedaktionsNetzwerk bilanziert: „Die Zahlen zeigen, wie groß der Druck auf die künftige Bundesregierung ist, die Wirtschaft schnell wieder in Gang zu bringen. Wirtschaftsverbände fordern niedrigere Energiepreise und Steuern sowie Entlastung bei der Bürokratie. Die deutsche Wirtschaft steckt tief in der Krise. 2024 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent, das zweite Jahr mit einem Minus in Folge. Es handelt sich damit um die längste Rezession seit mehr als 20 Jahren. Für 2025 erwarten die Bundesregierung und führende Ökonomen allenfalls ein Mini-Wachstum.“ Diese Probleme sind es, die das Kapital meint, wenn es von der wirtschaftlichen Lage spricht – während viele Menschen im Land dabei in erster Linie an die Tatsache denken, dass sie mit den Löhnen schwerer über die Runden kommen. Und die Lösungen des Kapitals versprechen, diese Probleme auf der Seite der Arbeiterklasse weiter zu verschärfen, denn ein wichtiger Teil der Wirtschaftsprogramme der Parteien sind die Steuerentlastungen und Subventionen für Konzerne, die jedoch auf der anderen Seite weitere Kürzungen im sozialen Bereich in Aussicht stellen, und längere Arbeitstage sowie Angriffe auf Rechte wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, zuletzt von Allianz-Chef Oliver Bäte.

Vertuschen, vernebeln, ablenken

Mit diesen Plänen, die in jedem Fall zu Lasten des Großteils der deutschen Bevölkerung gehen, lässt sich denkbar schlecht Wahlkampf betreiben. Doch die Parteien fanden einen Weg, große Teile der Bevölkerung (und auch besonders der arbeitenden Bevölkerung) hinter sich zu vereinigen. Sie fanden die die Ursachen für die Sorgen der Deutschen in den Geflüchteten und Bürgergeldempfängern und überboten sich darin, wer sich dieser Probleme schneller entledigen würde. Im „Kanzler-Duell“ stritten Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) darüber, wer schneller, besser und konsequenter abschieben würde. So brüstete sich Scholz damit, dass er die Abschiebungen um 70 Prozent gesteigert habe, seit er Kanzler ist. Die Ängste der Menschen nach den Anschlägen in Magdeburg, Aschaffenburg und München wurden ausgenutzt, um die Migration zur entscheidenden Frage für die Zukunft Deutschlands zu stilisieren. SPD und Grüne kritisierten zwar den Tabubruch, den „Sturz der Brandmauer“ durch die Zusammenarbeit von CDU/CSU und AfD im Bundestag, doch auch ihre Vorschläge zur Migrationspolitik rücken näher an die Forderungen AfD und CDU/CSU (siehe das von der Ampel getragene Gemeinsames Europäisches Asylsystems (GEAS)). Alle rückten immer weiter nach rechts – Richtung AfD, die das auch genüsslich ausschlachtete. Alle Probleme dieser kapitalistischen Gesellschaft verschwanden hinter der „Migrationsfrage“. Wohnungsnot, verrottetes Gesundheitswesen, Pflegenotstand, Bildungsmisere wurden durch die Propaganda zu Randfragen gemacht. Das Motto war: Migranten abschieben – und alles wird gut!

Dabei unterschied sich die wohl nächste Regierungspartei CDU nur noch geringfügig von der AfD, was wohl auch die Entwicklungen der nächsten Jahre anzeigen dürfte. Ein Blick nach Österreich zeigt, wie realistisch ein Regierungsbündnis aus CDU und AfD vielleicht nicht heute, aber in der Zukunft ist – und sagt auch viel über die politische Funktion der AfD aus. Denn anders als von SPD, Grünen und weiteren dargestellt würde die AfD, auch wenn sie von Faschisten durchsetzt ist, heute keinen Faschismus mit sich bringen, sondern ist lediglich der schärfste Ausdruck der aktuellen Kapitalpolitik (die sich im Wesen jedoch nicht vom Großteil der anderen Parteien unterscheidet). Und die CDU/CSU wird unter Beweis stellen, dass der Großteil der Forderungen der AfD auch innerhalb des bürgerlich-demokratischen Systems problemlos umsetzbar sind. Dafür braucht es noch keinen Faschismus, sondern die AfD bringt sich vielmehr in Stellung, ihre Politik für das Kapital innerhalb dieses Systems umsetzen zu können. Und auch die „Brandmauer“ der anderen Parteien bleibt eine Farce, denn sie alle können nicht anders, als den Kurs des Kapitals einzuschlagen, wenn auch in anderem Stil. Egal wie die Koalitionsverhandlungen ausgehen, das künftige Regierungsprogramm ist schon fast fertig geschrieben: Gegen Migranten! Festung Europa! Mehr Aufrüstung! Mehr Subventionen und Steuererleichterungen für das Kapital! Massive Einsparungen bei Bildung, Sozialem, Gesundheit, Pflege und Rente!

Illusionen werden platzen

Die Weichen stehen für eine „große“ Koalition von CDU/CSU und SPD. Doch auch diese ist gerade so „groß“, dass sie knapp eine Mehrheit hätte. Gerade abgestürzt schachert die SPD mit Merz, den sie eben noch als Gefahr für Deutschland angegriffen hat, an. Sie will Ministerposten! Dass die Wahlergebnisse für diese Koalition gerade so ausreichen, zeigt eben auch, dass das Kapital es mit Propaganda aus allen Rohren in diesem Wahlkampf zwar geschafft hat, einen Teile der Bevölkerung hinter seinem Kurs zu vereinigen. Diese Mehrheit ist jedoch eine wackelige Mehrheit und die Politik der nächsten Jahre verspricht schon jetzt, die Unzufriedenheit der Menschen weiter zu steigern. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Die noch vorhandenen Illusionen werden platzen, wenn dieses Regierungsprogramm umgesetzt wird. Nichts wird sich real verbessern – und die AfD bringt sich schon heute mit ihrer doppelt so großen Fraktion in Stellung, um nach dieser Periode die einzige „Alternative“ zu sein, die sich noch nirgends als Regierungspartei enttarnt hat und somit einen Rest Glaubwürdigkeit besitzt. Es ist wichtig, schon jetzt über die Konsequenzen dieser Wahl aufzuklären, damit die AfD, die Rechten und Faschisten die Enttäuschung nicht ausnutzen und die Kolleginnen und Kollegen noch tiefer spalten und gegeneinander hetzen.

Doch auch in dieser Wahl gab es eine andere Seite. Mit 24% der Stimmen wurde die Linke bei Jungwählern unter 30 Jahren die stärkste Kraft, auch vor der AfD mit 21%. Bei den 18- bis 24-Jähringen erzielt die Linke sogar 27%. Darin spiegeln sich viele Hoffnungen wider: Gegen Aufrüstung und Krieg, für ein gutes, solidarisches Zusammenleben aller, für Arbeitsplätze, Wohnungen, gutes Gesundheitswesen, bessere Bildung und vieles mehr. Da wo die Linke in Landesregierungen an der Macht beteiligt war oder gar wie in Thüringen die Führung innehatte, hat sie diese Hoffnungen zwar ebenfalls enttäuscht. Aber angesichts des Rucks nach rechts, der spalterischen und hetzerischen Politik der anderen Parteien, wollten viele mit ihrer Stimme ein Zeichen setzen. Das kann ein Ausgangspunkt für den weiteren Kampf sein. Und da es kaum aussieht, als würde die Linkspartei in Regierungsverantwortung geraten, könnte sie sich in den nächsten Jahren unter dem Kurs der „Kümmererpartei“ (wie viele reformistische Parteien in Europa, siehe KPÖ in Österreich) in der Opposition weiterwachsen. Zwar kann auch die Linkspartei die Probleme dieses Systems nicht lösen. Doch um genau das aufzudecken, wird die Entwicklung der nächsten Jahre zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit den Grenzen ihrer Politik und einer expliziten Propaganda gegen den Sozialreformismus zwingen, ohne dabei die Tatsache zu verkennen, dass es eine gute Sache ist, wenn eine Partei wie die Linke Menschen mit fortschrittlichen Gedanken in Berührung bringt.

In jedem Fall werden die sozialen und politischen Kämpfe in den nächsten Jahren zunehmen – seien es Streiks, die seit Jahren anwachsen, aber auch antifaschistische und demokratisch Bewegungen. Die Antwort der neuen Regierung wurde schon angedeutet, als die CDU/CSU zwei Tage nach der Wahl eine Anfrage im Bundestag stellte, die die Finanzierung von fortschrittlichen Organisationen, die sich an den Protesten im Februar beteiligt hatten, unter dem Deckmantel der „politischen Neutralität“ in Frage stellte. Dieser Angriff ist ein Vorgeschmack auf das, was uns in den nächsten Jahren erwartet – bereiten wir uns also vor!

Unser Programm ist

Solidarität statt Spaltung!

Gemeinsamer Kampf gegen das Kapital und seine Regierung!

Für Arbeitsplätze! Gegen Sozialabbau!

Für ausreichenden und billigen Wohnraum!

Für eine gute und kostenlose Bildung!

Für gute Renten und gute Pflege!

Für eine gute und kostenlose Gesundheitsversorgung!

Für Frieden! Gegen Aufrüstung und Krieg!