Mit einer Mitgliederzahl von knapp 5,7 Millionen hat der DGB in seinen 8 Mitgliedsgewerkschaften ein großes Potential an Wählerstimmen in sich vereinigt. Dieses Potential möchten die Gewerkschaftsbürokratie natürlich nicht liegen lassen. Deshalb hält sie eine Kiste voller Wahleinschätzungen und Instrumenten, vollgepackt mit sozialdemokratischen Argumenten, für ihre Mitglieder und die weiteren Beschäftigten bereit.
Ob DGB, IG Metall, IG BCE, Verdi, oder eine der anderen Gewerkschaften, alle halten sie ihre Infos und Methoden bereit, um ihre Mitglieder im Sinne der Gewerkschaftsbürokratie an die Wahlurne zu bringen. Die wenige Zeit, die im Wahlkampf zur Verfügung stand, wurde genutzt um einen Dschungel an Interviews, Videoformaten, Kampagnen und Methoden zu erstellen, den man kaum durchblicken kann. Doch ein Punkt blitzt einem immer wieder entgegen. Die auffällig hohe Übereinstimmung mit den Positionen der SPD. Mal ist sie besser getarnt, mal wird sie einem plump vor die Füße gelegt, aber irgendwo findet man sie immer.
Nun möge die SPD behaupten, dass das nicht verwunderlich sei, da sie sich ja immerhin als die “Arbeiterpartei“ bezeichnen und seit jeher gewerkschaftsnahe seien. Doch wir wissen, dass dem nicht so ist. Die Sozialdemokratie streicht ihre Politik mit einem arbeiterfreundlichen Lack an, doch steht systematisch an der Seite des deutschen Kapitals. Fakt ist, dass die Gewerkschaften und allen voran die Gewerkschaftsbürokratie und ihre Spitzen durchsetzt sind von SPD-Parteimitgliedern. Und wenn ein Olaf Scholz auf dem Gewerkschaftstag der IGM geduzt wird, weil er sich das Parteibuch mit der Rednerin teilt, obwohl sie sich auch die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft teilen, ist das erstmal schockierend. Es zeigt aber vor allem das Verhältnis der Sozialdemokraten zu den Gewerkschaften.
Gerade in der Wahlkampfzeit wird das sehr deutlich. Wenn wir uns zum Beispiel das ‚Metallometer‘ anschauen, ist unschwer zu erkennen, dass bei voller Zustimmung zu den IGM-Thesen die SPD vorgeschlagen wird. Angelehnt an den Wal-O-Mat hat das Metallometer 11 ausgewählte Forderungen der IG Metall. „Ganz zufällig“ stimmt die SPD 10 Punkten davon voll zu und einem teilweise. Mehr Zustimmung als bei allen anderen Parteien. Dabei wird der Beschäftigte taktisch an die Zustimmung herangeführt. So wird z.B. die Forderung nach einem Industriestrompreis verbunden mit billigem Strom für private Haushalte und dem Ausbau der Erneuerbaren. Den Bürokraten der IGM und der SPD geht es hier natürlich um den Industriestrompreis. Und wenn der Strom für die Beschäftigten am Ende teuer bleibt, kann man das immer noch auf den Koalitionspartner schieben.
Auch die IG BCE hat die Wahlprogramme der Parteien „gecheckt“ und in der Mitgliederzeitschrift veröffentlicht. Zu den 7 größeren Parteien gibt es hier jeweils einen kurzen Text mit einem Fazit am Ende. Es reicht bereits die Fazits zu lesen, um das Muster zu erkennen. Bei jeder Partei werden mehr oder weniger Punkte aufgezählt die klar gegen die Forderungen der IG BCE stehen. Außer natürlich bei einer Partei. Als wäre das nicht deutlich genug, fügen sie hinzu, dass die „ambitionierten Vorhaben der SPD“ abhängig seien von „der Reform der Schuldenbremse“. Sollte die SPD diese Forderungen nicht durchsetzen können, sind sie also auch jetzt schon mal von der IG BCE entschuldigt.
So beispielhaft zeichnet sich das, wie eingangs gesagt, nicht immer ab. Im „Mythencheck“ muss man schon die Inhalte des DGB und der SPD vergleichen, doch hier wird erst dem aufmerksamen Leser die Haltung klar. Dass einzig die CDU/CSU dort erwähnt und kritisiert wird, fällt jedoch auf.
Auch Verdi kaschiert das besser. Viele soziale Themen werden in der Kampagne VER.DI WÄHLT aufgegriffen, ohne das deutliche Antworten geliefert werden. Doch auch in dieser Kampagne verstecken sich Forderungen der Sozialdemokratie, wie die Abschaffung der Schuldenbremse für ein Investitionspaket von 600 Milliarden Euro. Ursprünglich eine Forderung des Arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft.
An dem Aufsteigen rechter Kräfte ist, laut den Vorständen der Gewerkschaften, offensichtlich nur eine Partei schuld: Die AfD. (Seit kurzem wird auch Merz mitaufgeführt.) Dabei lassen sie sich auf Großdemos vor den Karren der Sozialdemokraten spannen und decken damit die Politik, die erst den Nährboden dafür schuf. Die Gewerkschaftsspitzen versuchen zu verdecken, dass die Regierungen der letzten Jahrzehnte riesige Löcher in die Portemonnaies der Arbeiter und in den Sozialstaat rissen. Löcher, die die Rechten sich nun mit ihrer Propaganda zu eigen machen. Auch die rassistische Hetze, die der oberste Sozialdemokrat und seine Gefolgschaft überall verbreiten, ist für sie der „aktuellen Lage gegenüber“ angemessen.
Sie ignorieren dabei bewusst, dass die Probleme, die in den Betrieben diskutiert werden, andere sind, als die Punkte, die sie in ihren Wahlkampfmethoden anführen. Die Arbeiter spüren die Angriffe des Kapitals. 35.000 Stellen werden abgebaut bei VW, Angriffe bei Bosch, Thyssenkrupp, Porsche, ZF, usw. Gleichzeitig wird die Arbeit in den Betrieben intensiviert, um die Margen zu erhöhen. Nach den Tarifrunden gehen die Arbeiter mit einem Reallohnverlust in der Tasche nach Hause, während die Preise für Strom, Gas oder Lebensmittel durch die Decke schießen. Die Gesundheitsvorsorge wird immer schlechter und jüngst wurde vom Allianz-Chef ein Karenztag gefordert, der dazu führen würde, dass Arbeiter krank auf die Arbeit gehen, um dem Lohnverlust zu entgehen.
Den Arbeitern geht es schlicht um ein gutes Leben und gute Arbeitsbedingungen und genau in diese Richtung müssen die Diskussionen in den Gewerkschaften wieder geführt werden. Die Funktionäre werden von der Taktik der Gewerkschaftsbürokratie eingehegt und führen Diskussionen an den Interessen der Beschäftigten vorbei. In den Vertrauenskörperleitungen und Gremien der Gewerkschaften wird viel zu oft Politik über die Köpfe der Kollegen gemacht. Doch genau hier müssen die Arbeiter den Keil in die bewusst festgefahrenen Strukturen der Gewerkschaften treiben. Sie müssen sich die Vertrauenskörper und die Gremien zurückholen und ihre eigenen Themen platzieren, ihr Klassenbewusstsein erwecken und schärfen. Nur so können sie sich von den Fesseln der Sozialdemokratie lösen.
Denn letztendlich können sie von keiner der bürgerlichen Parteien Verbesserung erwarten. Verbesserung kann nur durch eine starke Arbeiterbewegung erzwungen werden. Nur durch Druck der geeinten Arbeiter ist das Kapital in die Knie zu zwingen und nur dann folgen die bürgerlichen Parteien. In der Geschichte konnten wir immer wieder beobachten, dass Rechte für Arbeiter erst Anklang bei den Regierungen fanden, wenn sie durch Kämpfe der Arbeiterbewegung errungen wurden. Erkennen können wir das in jüngerer Vergangenheit z.B. anhand des Mindestlohns. Arbeiter haben sich in den Gewerkschaften zusammen in einem breiten Bündnis dafür eingesetzt und einem der größten Niedriglohnsektoren in Europa dem Kampf angesagt. Erst durch die Sozialdemokraten und ihre Agenda 2010 konnte es dazu kommen und nun da der Mindestlohn durchgesetzt wurde, schreiben sie ihn sich heuchlerisch auf die Fahnen, wenn sie um Stimmen werben.