Im Sommer 1525 endete der Bauernkrieg in einer Serie von Blutbädern an den aufständischen Bauern, Kleinbürgern, Handwerkern. So endete
….in Deutschland die erste, die Bauernrevolution.
Mit Feuer und Schwert wird geschrieben unser aller erste Lektion:
Verlangt das Volk nach Freiheit, dann schlägt man´s einfach tot
Und stillt der Armen Hunger mit Waffen statt mit Brot..,
frei nach Yaak Karsunkes Bauernoper (1),
Im Jahr 2025 werden es 500 Jahre, dass „der großartigste Revolutionsversuch des deutschen Volks“ (Friedrich Engels) im Blut erstickt wurde. Die Niederlage des Aufstands brachte den Unterlegenen zunächst einmal verdoppeltem Druck durch die herrschenden Feudaladligen, den Klerus und das reiche städtische Patriziat.
Für uns ist dieser Jahrestag ein Anlass, uns der tiefgreifenden revolutionären Erfahrungen der damaligen Zeit zu erinnern und nicht, wie die bürgerliche Geschichtsschreibung es gerade aktuell versucht, die grundstürzenden Ereignisse vor 500 Jahren kleinzuschreiben, zu verzwergen und zu einer Art Protestmarsch zu zerreden.
Typisch, wie ein heutiger Journalist diesen Volksaufstand auf seine ideologischen, auf seine vor allem religiösen oberflächlichen Begleiterscheinungen zurückführt. Reiner Ruf in der Stuttgarter Zeitung:
„Aus dem Christentum konnten sich immer schon beide politischen Lager bedienen: das linke und das rechte, die da unten und die dort oben. Die historisch dominierende Interpretation findet sich scharf formuliert in Kapitel 13 des Paulus-Briefes an die Römer: >Jedermann sei untertan der Obrigkeit… Wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt der Anordnung Gottes…<“ (3) Die Bibel als Ausgangspunkt von Revolution wie Konterrevolution? So wollen das herrschende Kapital und die Schreiberlinge es haben, wir halten dagegen! Nein!
* Es war die verheerende wirtschaftliche Lage der zu großen Teilen in Leibeigenschaft schuftenden Bauern, der kleinen Handwerker und des kleinen Bürgertums, es war die ruinöse Ausbeutung der unteren Schichten und Klassen in der historisch zunehmend überholten Feudalgesellschaft in Deutschland.
* Es war die feudal-adlige, chaotische Zersplitterung des Landes, die jeden gesellschaftlichen und Produktivkräfte-Fortschritt ausbremste. Stattdessen versuchten die Herrschenden, die Kleriker, Ritter, Fürsten, Herzöge, Könige und Kaiser, ihr Aus- und Einkommen durch immer härtere Ausbeutung der Leibeigenen, der Bauern, der unteren Schichten zu sichern. Noch schlimmer wurde das, als auch bis in die letzten Gegenden die sich ausweitende kapitalistische Geldwirtschaft vordrang und die Zehnten, Gülten und sonstigen Naturalsteuern in Geld zu entrichten waren.
* Es war die rigorose Willkür, die nicht nur die Ausbeutung verschärfte, sondern zugleich Grundlagen der Produktion zerrüttete, weil die Herren Land raubten, den Bauern bei Todesstrafe die Jagd verboten, sich das Gemeinland der Bauerndörfer, die Allmende einverleibten, Todfallabgaben (also ein „Schadensersatz“ an den Leibherren für einen verstorbenen Leibeigenen!) einführten und und und. Verzweiflung und Wut wuchsen und wuchsen.
War der mutige Aufstandsversuch des „Armen Konrad“ im Remstal nahe Stuttgart 1514 vom württembergischen Herzog Ulrich noch unbarmherzig niedergeschlagen worden, so begannen ab dem Sommer 1524 Proteste, Auflehnungen in immer dichterer Folge.
Anfang 1525 begannen sich Aufständische, beginnend im Allgäu, in regionalen Haufen, paramilitärisch aufgebauten und manchmal sogar von Anführern mit Militärerfahrung geführten Kampfverbänden zu sammeln, die rasch beachtliche Größen erreichten. Die Bewegung breitete sich schnell über den ganzen Südwesten aus.
Ein revolutionär-politisches Programm!
Im März 1525 beschlossen Delegierte aus verschiedenen Regionen in Memmingen die 12 Artikel der Bauernschaft, ein revolutionäres politisches Programm, das das Feudalsystem frontal angriff. Unter Berufung auf die nun in Deutsch vorliegende Bibel wurde zur Kernforderung Abschaffung der Leibeigenschaft! Dazu kamen Forderungen nach Abgaben- und Fronerleichterung, nach einem Ende der Fürstenwillkür, ein revolutionärer, klassenkämpferischer Paukenschlag. Dies politische Programm diente der ganzen Bewegung als Richtschnur.
Auch in Thüringen und umliegenden Gebieten bis zum Vogtland und nach Oberfranken entstand unter maßgeblicher Führung des vormalig Luther-nahen, reformatorischen Pfarrers und ungemein tatkräftigen Organisators, Agitators und Revolutionärs Thomas Müntzer eine weitere, militante Bewegung. Müntzer rief offen zum Aufstand auf, sagte den Fürsten ihre Verbrechen offen ins Gesicht: „Ihr Herren macht das selbst, dass Euch der gemeine Mann feind wird!“ Er sprach charismatisch und revolutionär zu den Unterdrückten! Engels würdigte Müntzer: Als Sprecher der ärmsten, untersten Schichten, der Plebejer sei sein politisches Programm bereits „die geniale Antizipation der Emanzipationsbedingungen der kaum sich entwickelnden proletarischen Elemente unter diesen Plebejern.“(4).Unter dem Reich Gottes verstünde Müntzer „… nichts anderes als einen Gesellschaftszustand, in dem keine Klassenunterschiede, kein Privateigentum und keine den Gesellschaftsmitgliedern gegenüber selbständige, fremde Staatsgewalt mehr bestehen….“ Eine frühe, fast kommunistische Vorstellung! Engels: Müntzer „lehrte unter christlichen Formen einen Pantheismus, der … stellenweise sogar an Atheismus anstreift.“ (6).
So viele Schriften, tollkühne Predigten und Sendbiefe er hinterlassen hat, Müntzer war praktischer Organisator und Anführer einer bewaffneten Bewegung, deren Ruf weit bis in den Südwesten ausstrahlte, dank ungezählter Agitatoren, die über Land, durch Dörfer, Städtchen und Städte zogen.
Der Krieg!
Ende März 1525 waren die Bauern im offenen, bewaffneten Aufstand: im ganzen Südwesten, in Tirol, im Elsass, in Franken, im Odenwald, im Rheingau, im ganzen Thüringerwald, wo Thomas Müntzer „das republikanische Schwert zückte“, wie der Bauernkriegshistoriker Wilhelm Zimmermann 1842 (siehe im Folgenden!) schrieb. In Weinsberg nahe Heilbronn versetzten radikale Bauernführer des odenwäldischen Bauernhaufens mit blutiger Rache an einigen Adligen den Adel in Angst und Schrecken, Anfang Mai 1525 beherrschten die Aufständischen für einige Wochen das mittlere Neckartal einschließlich der Stadt Stuttgart. Unter dem von den Aufständischen zum Kanzler ernannten berühmten Maler Jerg Ratgeb (der „Bauernkanzler“), der sich dem Aufstand angeschlossen hatte, begannen die Aufständischen, eigene Machtorgane aufzubauen. Ratgeb büßte es nach der Niederlage mit der brutalsten Todesstrafe nach dem Bauernkrieg: Er wurde in Pforzheim gevierteilt.
In Thüringen beteiligten sich viele Kleinbürger, auch bereits Arbeiter (Salzsieder, Bergleute) am Aufstand, der sich um die Stadt Frankenhausen entfaltete. Ende April wurde Frankenhausen besetzt und eine revolutionäre Stadtregierung gebildet, die sich an 14 Artikeln, ähnlich denen von Memmingen, orientierte. (Näheres dazu: https://www.arbeit-zukunft.de/2024/07/20/grossartiger-revolutionsversuch-des-deutschen-volkes/ )
Brutale Rache der Herrschenden!
Doch die Herrschenden blieben ihre Antwort nicht schuldig. Die vereinigten Fürsten von Hessen und Thüringen ertränkten in der Schlacht bei Frankenhausen den Thüringer Aufstand im Blut und richteten Thomas Müntzer und viele seiner Mitstreiter hin. Der Schwäbische Bund, der Zusammenschluss des Adels, des Klerus und der großen Reichsstädte in Süddeutschland stellte unter dem Kommando des Truchsess Georg von Waldburg, bis heute bekannt als der Bauernschlächter „Bauernjörg“, eine Söldnerarmee auf, die in einem Vernichtungsfeldzug die Aufstände im Süden nacheinander gnadenlos niederschlug. Leipheim, Böblingen, Königshofen sind nur die blutigsten Höhepunkte dieses Rachefeldzugs. Nach der verheerenden Böblinger Niederlage ließ der Bauernjörg im Heerlager bei Sindelfingen Melchior Nonnemacher und drei Tage später bei Neckargartach den Aufstandsführer Jakob (Jäcklein) Rohrbach bei lebendigem Leibe verbrennen, als Verantwortliche der blutigen Rache zu Weinsberg, Jörg Ratgeb, wie bereits gesagt, wurde gevierteilt. Blutige Rache!
Das Zimmermann-Problem 2025
Engels, dem die revolutionäre Arbeiterbewegung mit „Der deutsche Bauernkrieg“ (vgl. Anmerkung 2) die erste historisch-materialistische Analyse des Bauernkriegs verdankt, schrieb im Vorwort zur zweiten Auflage, er habe den „ gesamten auf die Bauernaufstände und auf Thomas Müntzer sich beziehende Stoff [] aus Zimmermann genommen“. Das Werk Dr. Wilhelm Zimmermanns (1807- 1873) „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges“ (7) sei „ immer noch die beste Zusammenstellung des Tatsächlichen. … Derselbe revolutionäre Instinkt, der hier überall für die unterdrückte Klasse auftritt, machte ihn später zu einem der Besten auf der äußersten Linken in Frankfurt.“ (8)
Auf Grund dieser Tatsache schrieb Rosa Luxemburg, die Zimmermanns Arbeit ebenfalls schätzte: „Engels´ Bauernkrieg gibt eigentlich keine Geschichte, sondern bloß eine kritische Philosophie des Bauernkrieges; das nahrhafte Fleisch der Tatsachen gibt Zimmermann.“. (9)
Heinrich Heine, hatte Zimmermanns „Bauernkrieg“ im Bücherschrank. Der von Hitlers Schergen totgeschlagene Carl von Ossietzky nannte Zimmermanns Werk „das demokratischste unserer Geschichtsbücher“.
In der DDR kamen mehrere Auflagen von „Der große deutsche Bauernkrieg“ mit Illustrationen des fortschrittlichen Malers und Grafikers Hans Balzer heraus, basierend freilich nicht auf dem Urtext (3 Bände von 1841 bis 1843), sondern auf Zimmermanns später überarbeiteten Fassung, über die Engels freundlich-ironisch anmerkt, dass der alte Zimmermann „freilich etwas gealtert“ sei.
Die bürgerliche Geschichtsschreibung der BRD indes macht heute einen Bogen um Wilhelm Zimmermanns Werk, schneidet es, schmäht es als „wissenschaftlich überholt“. Das ist so als wenn man Charles Darwin für „überholt“ erklärt. Selbstverständlich gibt es seit Zimmermann jede Menge neue Erkenntnisse, Forschungsergebnisse etc. Das ist normal, insofern gibt es bei Zimmermann (wie natürlich auch bei Darwin) Lücken, Missverständnisse, noch Unverstandenes. Engels kritisierte schon vor 150 Jahren, Wilhelm Zimmermanns Darstellung fehle der innere Zusammenhang, es gelinge ihm nicht, die religiös-politischen Streitfragen jener Epoche als das Spiegelbild der gleichzeitigen Klassenkämpfe nachzuweisen, sehe stattdessen nur Unterdrücker und Unterdrückte, Böse und Gute und den schließlichen Sieg der Bösen… Trotzdem verteidigte er Zimmermann. Seine Mängel seien Fehler der Zeit, in der das Buch entstand. „Im Gegenteil, für seine Zeit ist es, eine rühmliche Ausnahme unter den deutschen idealistischen Geschichtswerken, noch sehr realistisch gehalten.“ (10) Viele Auswahlbände, überarbeitete Neuauflagen waren in der Arbeiterbewegung verbreitet und bekannt. Zimmermann gehört den revolutionären Bewegungen in Deutschland wie der Welt.
Das ist wohl auch der Grund der tiefen Ablehnung, des weitreichenden Verschweigens dieses bedeutenden Historikers. Er stand auf der Seite des Bauernerhebung, verteidigte konsequent auch ihre revolutionäre Gewalt. Das ist der heutigen bürgerlichen Wissenschaft unerträglich. Denn die ungeheure Gärung, die die Welt erfasst hat, schreit nach der sozialistischen Revolution, die die kapitalistisch-imperialistischen, zunehmend barbarischen Zustände beendet. Das will diese Wissenschaft nicht, sie will helfen, den Aufruhr der Arbeiter/innen und der unterdrückten Völker zu verhindern. Dr. Wilhelm Zimmermanns Werk, vor allem seine Urfassung, harrt der historisch kritischen Neu-Herausgabe.
Anmerkungen:
- Vgl.: Yaak Karsunke, Bauernoper, in: Bauernoper – Ruhrkampf Revue, Rotbuch Verlag Berlin, 1976, S. 55
- Friedrich Engels, Der deutsche Bauernkrieg, in MEW, Bd. 7, S. 409
- Vgl.: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.500-jahre-bauernkrieg-aufstand-gegen-adel-und-klerus.61ab981c-12d1-4e4c-951f-c9101ab34886.html , Printausgabe Stuttgarter Zeitung, 30.11./1. 12. 2024, S. 28
- Engels, Bauernkrieg, MEW, Bd. 7 S. 353.
- Ebenda S. 354
- Ebenda S. 353
- Wilhelm Zimmermann, Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges, 3 Bände Stuttgart 1841 – 1843
Bd. 1.vgl.: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10048148?page=1
Bd. 2 vgl.: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10048149?page=1
Bd, 3 vgl.; https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10048150?page=1
Derselbe: Der große deutsche Bauernkrieg – Volksausgabe mit 115 Zeichnungen von Hans Baltzer, Dietzverlag Berlin (DDR) 1952 (diverse Lizenzausgaben – auch im Westen) - Friedrich Engels, Vorbemerkung [zu „Der deutsche Bauernkrieg“ (Ausgabe 1870 und 1875)] MEW, Bd. 7, S 531
- Rosa Luxemburg, Brief vom 9.4.1915; Luxemburg, Gesammelte Briefe, Bd. 5, Berlin 1984, S. 53
- Friedrich Engels ebenda, S. 531