Abschiebungen in Windeseile

Der Sturz des syrischen Diktators Assad hat in vielen Städten Europas zu hoffnungsvollen und feierlichen Demonstrationen der im Exil lebenden Syrer geführt. Etwa 1,6 Millionen der über 5 Millionen Syrer, die seit Beginn des Bürgerkrieges im Jahr 2011 aus Syrien geflüchtet sind, haben in Ländern der europäischen Union einen Asylantrag gestellt. Eine Zahl, die im Verhältnis zu den knapp 450 Millionen EU-Bürgern zwar verschwindend gering ist, die aber durch die rechte Demagogie der Medien und Politik spätestens seit 2015 maßlos aufgebauscht und skandalisiert wurde. Und so kam es bereits wenige Stunden nach der Meldung über die Flucht von Assad zu der zunächst befremdlichen Situation, dass zusammen mit den exilierten Syrern auch die Rechten und Faschisten in Europa den Sturz Assads feierten. Doch natürlich nicht aus dem Grund, weil ihnen die Selbstbestimmung und die Freiheit des syrischen Volkes plötzlich eine Herzensangelegenheit geworden sind. Im Gegenteil: sie wittern in der Vertreibung des syrischen Diktators eine günstige Gelegenheit, um ihre Hetze gegen die syrischen Geflüchteten wieder aufzunehmen und massenhafte Abschiebungen nach Syrien zu fordern. Beispielsweise schwadronierte Alex Jungbluth, AfD-Bundesvorstand und EU-Parlamentarier, über die „Remigration aller syrischen Flüchtlinge in der EU in ihr Heimatland“ und war damit bei weitem kein Einzelfall, weder in Deutschland noch in der EU. Aus Dänemark, Schweden, Norwegen, Großbritannien, Italien und auch aus Deutschland meldeten die zuständigen Stellen, dass Asylverfahren von Syrern zunächst nicht weiterbearbeitet werden und dass auch in Teilen bereits gewährte Aufenthaltserlaubnisse geprüft werden sollen. Auch in Frankreich sollen diese Schritte zeitnah eingeleitet werden. Österreich ging bereits so weit, einen konkreten Abschiebeplan für zunächst 7.300 Syrer zu verkünden. Der österreichische Bundeskanzler sprach sogar davon, dass durch den Sturz des Assad-Regimes gelungen sei, „den eigentlichen Fluchtgrund jetzt zu beenden. Das heißt, es gibt jetzt hier viele gute Gründe, nach Syrien zurückzukehren.“

Aber ist dem wirklich so? Viele gute Gründe nach Syrien zurückzukehren, weil sich dort eine islamistische Miliz an die Spitze eines zerrütteten Staates gesetzt hat? In einem Land, in dem seit 2011 ununterbrochen Krieg herrscht und auf dessen Staatsgebiet es allein in den letzten Wochen mehrere Angriffe verschiedenster Staaten gab. In dem der Kampf um die Macht durch den Sturz Assads keineswegs beendet, sondern viel mehr neu entfacht wurde. In dem die Verfolgung von ethnischen und religiösen Minderheiten durch reaktionäre islamistische Kräfte in vielen Regionen des Landes allgegenwärtig ist. Ein Land das bis heute schwer gezeichnet ist von der Herrschaft Assads und den Einmischungen verschiedenster imperialistischer Mächte. Auch wenn beispielsweise die Bilder der befreiten Insassen aus den Foltergefängnissen des gestürzten Regimes zeigen, dass die Völker Syriens nun von den Fesseln einer brutalen Diktatur befreit sind, tritt dadurch leider keineswegs der Fall ein, dass von nun an Frieden und Freiheit in Syrien herrschen. Von Sicherheit kann in Syrien derzeit überhaupt nicht die Rede sein und auch eine demokratische Zukunft scheint der syrischen Bevölkerung nicht unmittelbar vergönnt zu sein. Stattdessen steckt Syrien weiterhin im Klammergriff der verschiedenen Imperialisten und regionalen Mächte, die von ihrer Einmischung in die innersyrischen Angelegenheiten keineswegs absehen, sie im Gegenteil weiter verstärken.

Unter diesen Bedingungen sind die jüngsten Repressionsmaßnahmen gegen syrische Flüchtlinge und die Abschiebepläne der verschiedenen europäischen Staaten, einschließlich Deutschlands, aufs Schärfste zu verurteilen und als der menschenfeindliche Populismus zu enttarnen, der sie sind. Wir stellen uns entschlossen gegen diese Angriffe auf Schutzsuchende und gegen die rechte Demagogie in Politik und Medien. Erst wenn sich die fremden Mächte aus Syrien zurückziehen, besteht die Möglichkeit für ein freies und demokratisches Syrien, in das Geflüchtete zurückkehren können, allerdings freiwillig.