Der neue NATO-Generalsekretär hält es für möglich, dass das Militärbündnis in „vier bis fünf Jahren“ im Krieg mit Russland steht. Diesbezüglich äußerte er sich vor Kurzem auf einer Veranstaltung, die von der PR-Stelle der NATO mitorganisiert wurde. Sie hatte den Zweck, Multiplikatoren für die Verbreitung der „Botschaft“ der NATO einzuspannen. Die Bevölkerung der betreffenden Staaten sollen auf Kürzungen bei Renten sowie Gesundheits- und Sozialsystemen eingestimmt werden, um die Rüstungsetats auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung aufzustocken. Bisher sind es in Deutschland z.B. 2%. Rutte behauptete – eine Behauptung, die längst widerlegt ist – Russland könne die NATO in Sachen Rüstung abhängen. Zugleich hat die Bundesregierung eine Nationale Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie vorgelegt, die die deutsche Aufrüstung vorantreiben soll. Vorgesehen ist keine Beschränkung auf Landesverteidigung, sondern Einsatzfähigkeit „in allen … klimatischen Bedingungen“, also weltweit.
Kürzungen bei Renten und im Gesundheitswesen
Rutte sprach im Rahmen einer Veranstaltung, die von der Außenstelle der US-Denkfabrik Carnegie Endowment in Europa in Zusammenarbeit mit der PR-Stelle der NATO organisiert wurde. Sie richtete sich explizit an Bürger der NATO-Staaten Europas und Kanadas, die online zusehen und Fragen stellen konnten. Vor Ort waren Mitarbeiter der EU-Kommission und des EU-Parlaments, Experten aus europäischen Think-Tanks sowie Journalisten. Rutte bat darum, seine Aussagen „zu verstärken“: „Verbreitet die Botschaft! Helft mir, die eine Milliarde Menschen zu erreichen!“. Zu Ruttes „Botschaft“ gehört die Forderung, künftig bei den Ausgaben für Renten, Gesundheit und Sozialsysteme Kürzungen vorzunehmen; dafür gäben die Staaten Europas „bis zu einem Viertel“ ihrer gesamten Wirtschaftsleistung aus – aus NATO-Sicht zu viel. Rutte äußerte wörtlich: „Es ist Zeit, zu einer Kriegsmentalität umzuschwenken.“
„Schnellstmöglich wehrhaft werden“
Die Bundesregierung treibt eine massive Aufrüstung, wie Rutte sie fordert, schon längst aus eigenem Antrieb voran und hat, um sie weiter zu verstärken, zu Monatsbeginn eigens eine Nationale Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie beschlossen. In dem Papier heißt es, Deutschland müsse „schnellstmöglich wehrhaft werden“; dazu müsse „der rasant gestiegene Bedarf an militärischen Gütern, Dienstleistungen und Innovationen“ so rasch wie möglich gedeckt werden.
Deshalb habe die Bundesregierung jetzt die neue, in Kooperation mit der Rüstungsindustrie erstellte Strategie vorgelegt. Dabei setzt Berlin einerseits auf eine rüstungsindustrielle Kooperation innerhalb Europas, andrerseits sei es „zur Aufrechterhaltung und Stärkung der strategischen Souveränität sowie [der] Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland“ erforderlich, „gewisse sicherheits- und verteidigungsindustrielle Kernfähigkeiten und Kapazitäten … national vorzuhalten“. Dies sichert zugleich die rüstungsindustrielle Führung Deutschlands in der EU.
Überall einsatzfähig
Aufschlussreich ist, dass die Nationale Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie ausdrücklich festlegt, die „militärischen Fähigkeiten, Ausstattung und Ausrüstung“ für die deutschen Streitkräfte müssten „in allen Lagen, Dimensionen, geostrategischen Räumen und klimatischen Bedingungen einsetzbar und einsatzfähig sein“. Dass die Bundeswehr auch überall „einsatzfähig“ sein soll, legt nahe, dass Berlin sich eine deutsche Kriegsbeteiligung in aller Welt, also auch in der Asien-Pazifik-Region, explizit offenhält.
(nach einem Artikel aus „German-Foreign-Policy“: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9801)