5.000 Kolleginnen und Kollegen – diese Zahl wurde von der Bühne auf dem Stöckener Marktplatz verkündet, wo sich gestern für die Warnstreikaktion von VW Hannover versammelt wurde. Im ganzen Bundesgebiet waren an verschiedensten Standorten laut Gewerkschaft 80.000-100.000 Kollegen draußen. Sie setzten ein Zeichen gegen die enormen Angriffe des Konzerns: In der laufenden Tarifrunde mit der IG Metall fordert dieser eine pauschale Lohnkürzung um 10% sowie Werksschließungen, die einen immensen Stellenabbau von zigtausend Arbeitsplätzen bedeuten. VW hatte die seit mehr als 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung Ende September aufgekündigt.
Die Kundgebung fand unter einem anderen Stern statt als die vielen Aktionen, die es schon seit Oktober gegeben hatte. Denn in der Zwischenzeit hat die IG Metall bereits ein „Zukunftskonzept“ auf den Tisch gelegt, dessen Inhalt auf der Kundgebung in Hannover von Sascha Dudzik, dem 1. Bevollmächtigten der IG Metall Hannover, folgendermaßen zusammengefasst wurde: Die IG Metall sei bereit, auf die Auszahlung der Boni für 2025 und 2026 zu verzichten, die Lohnerhöhungen in freie Tage umzuwandeln und ein neues Entgeltsystem in Kauf zu nehmen. Tatsächlich schlägt die Gewerkschaft vor, die nächste Tariferhöhung befristet als Arbeitszeit in einen Zukunftsfonds einzubringen und vorerst nicht auszuzahlen. Dies soll flexible Arbeitszeitkürzungen ohne Personalabbau ermöglichen. Maßstab soll dabei der jüngste Abschluss für die Metall- und Elektroindustrie sein, der eine Erhöhung um insgesamt 5,1 Prozent in zwei Stufen bis 2026 vorsieht. Diese Maßnahmen würden eine Einsparung von 1,5 Milliarden für den Konzern bedeuten.
Entsprechend groß war die Empörung in den Redebeiträgen, dass auf diesen Vorschlag weiterhin nicht reagiert wird. Immer wieder wurde an die Verhandlungsbereitschaft des Konzerns appelliert, dessen Manager endlich „Performance zeigen“ und einen „Masterplan“ für die Rettung des Standorts ausarbeiten müssten – sonst würde VW in der Konkurrenz untergehen. Wenn diese Reaktion nicht erfolgen würde, dann würde der „heißeste Januar in Geschichte von VW“ warten. Doch es lässt sich trotz großer Ankündigungen nicht leugnen, dass das Angebot der IG Metall bereits ein herber Schlag für die Beschäftigten ist. Und selbst wenn VW das Angebot annimmt, zeigen zahlreiche Beispiele aus jüngster Vergangenheit, dass auch Lohnverzicht keine Sicherheit bedeutet: Auch Kolleginnen und Kollegen bei ZF Saarbrücken hatte man bereits 2022 angesichts von „Standortssicherungsverhandlungen“ zum Lohnverzicht gedrängt, der dem Unternehmen pro Jahr zusätzlich 25-30 Millionen Euro in die Kasse spülen sollte. Der Erfolg dieser Maßnahme: Etwas über 1,5 Jahre später, Mitte diesen Jahres, kündigt die Geschäftsführung den Abbau von 2.900 Arbeitsplätzen bis Ende 2026 allein in Saarbrücken an. Diese Beispiele kennen viele Kollegen – darum mag es kein Zufall gewesen sein, dass die Stimmung weniger dynamisch und kämpferisch als bei vergangenen Aktionen war. Neben dem Beitrag des ersten Bevollmächtigten folgte der Betriebsratsvorsitzende und die Jugend- und Auszubildendenvertretung. Der Betriebsrat erzählte eine Anekdote: 1993 hätte er mit seinem Vater, auch VW-Arbeiter, als neuer Auszubildender auf Stöckener Markt gestanden. Damals waren die Arbeiter aufgebracht gegen den Betriebsrat, der Kompromisse gemacht hätte (Erinnerung: die damalige Krise bei VW führte zur Vier-Tage-Woche – ohne Lohnausgleich). Doch sein Vater hätte ihm schon damals gesagt, dass man zwar sauer sei, aber am Ende wissen müsse, hinter wem man stehe: „Hinter dem Betriebsrat und der Gewerkschaft“. Die Anekdote schien somit eine direkte Reaktion auf die Enttäuschung vieler Arbeiter mit dem Zukunftskonzept zu sein sowie eine Aufforderung, trotzdem hinter dem Betriebsrat zu stehen. Die JAV betonte in ihrem Redebeitrag, dass sich die Kollegen, egal wie alt und welcher Standort, nicht gegeneinander ausspielen lassen dürften. Es folgten kämpferische Grußworte von Kollegen von ZF, Aventics und der GEW, die die Verbindungen der Kämpfe aufzeigten. Der Kollege von ZF betonte zudem die Notwendigkeit politischer Veränderungen, zum Beispiel der Abschaffung der Schuldenbremse und Investitionen in zivile Infrastruktur statt Aufrüstung. Der Kollege der GEW betonte, dass auch die Lehrer in den Schulen über den Kampf bei VW sprechen und zeigen müssten, wie der Kapitalismus die Zukunft zerstört.
Trotz der vielen guten Momente und der großen Ankündigungen, die Mut machen sollten, scheint sich ein Gefühl breitzumachen, bereits 0:1 zurückzuliegen. Umso wichtiger ist es nun, den Kollegen Solidarität zu zeigen und die Kämpfe bei Volkswagen zu unterstützen. Auch Kritik an dem Vorstoß der IG Metall ist wichtig – denn viele Kollegen scheinen an der Richtigkeit dieses Schritts zu zweifeln. Doch diese Kritik muss immer gepaart werden mit der Perspektive, die Einheit der Arbeitenden zu stärken und den Kampf geschlossen zu führen, denn der Wind wird rauer.