Über ein Treffen linker Migranten aus Russland, Ukraine und Weißrussland erhielten wir einen Bericht, den wir veröffentlichen. Auch wenn wir mit einigen Positionen nicht einverstanden sind, finden wir es wichtig, dass gegen den Krieg in allen drei Ländern von fortschrittlichen, linken Positionen mobilisiert wird. Besonders wichtig ist es, dass die linken Anti-Imperialisten aus allen drei Ländern zusammen arbeiten.
Redaktion Arbeit Zukunft
Forum linker russischsprachiger Emigranten in Köln
Am 2.-3. November trafen sich mehr als 70 linke russischsprachige Emigranten aus der Ukraine, Weißrussland und Russland in Köln. Das Forum wurde vom BPL (Bündnis Postsowjetischer Linker) [1] organisiert und als offenes Vernetzungstreffen konzipiert. Folglich reisten unterschiedlichste Kräfte aus ganz Europa an. Zum einen waren Internationalisten und Antiimperialisten wie der ehemalige KPRF-Abgeordnete Ewgenyi Stupin, welcher derzeit in Deutschland im Exil ist, und der ehemalige Aktivist der Linksfront Alexej Sachnin vertreten. Auch der auf Deutsch arbeitende Journalist Ewgenyi Kasakow, bekannt u.a. aus seinen Beiträgen auf „99 zu 1“, war angereist. [2] Unter den sichtbaren Vertretern der ukrainischen Internationalisten war Andrej Konowalow, welcher einen beachtenswerten Youtube-Kanal auf Deutsch betreibt und die ukrainische Regierung scharf kritisiert. [3] Es meldeten sich jedoch auch Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine zu Wort. Im Zuge der Diskussion sagte Konowalow dann, dass Waffenlieferungen als Druckmittel für die Einhaltung von Menschenrechten in der Ukraine denkbar wären – eine bedauerliche Abkehr von der bisherigen Linie des BPL, in der auch Konowalow organisiert ist, und welches sich deutlich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine in ihrer derzeitigen Verfasstheit positioniert hat. [4] Es war offenbar niemand vertreten, der den Krieg auf Seiten Russlands unterstützt.
Das Forum konnte sich aufgrund der unterschiedlichen politischen Einschätzungen nur auf eine sehr allgemein gehaltene gemeinsame Erklärung einigen, welche im Folgenden dokumentiert ist. In Arbeitsgruppen wurden Themen diskutiert, wie: die Evakuierung von bedrohten Genossen; Selbsthilfenetzwerke für Emigranten; programmatische Fragen; Antikriegsinitiativen vor Ort. Ein Teil der Besucher hat zusammen mit dem BPL die ebenfalls dokumentierte Erklärung „Frieden von unten“ unterzeichnet.
Es bleibt zu hoffen, dass diejenigen Kräfte, welche den Krieg sowohl auf Seiten Russlands, als auch der Ukraine ablehnen und für eine demokratische Lösung der Nationalitätenfrage eintreten, durch die vermehrten Organisations- und Vernetzungsbemühungen der russischsprachigen linken Emigration Aufwind erhalten. Es ist besonders begrüßenswert wenn Genossen aus den verfeindeten Ländern mit einem gemeinsamen internationalistischen Programm auftreten. Von Seiten deutscher Organisationen wäre es wünschenswert die russischsprachigen Genossen in ihre Strukturen einzubinden und bei ihrer Arbeit zu unterstützen, zum Beispiel durch Berichterstattung über die linken politischen Gefangenen in Russland [5] oder die Gräuel der ukrainischen Mobilisierung. [6] Auf der Veranstaltung wurde angeregt, dass auch deutsche Genossen Briefe an die politischen Gefangenen schicken könnten.
[1]: https://postsovietleft.org/de
[2]: https://www.youtube.com/watch?v=UxohPUNGrxY
[3]: https://www.youtube.com/@AndrejKonowalow
[5]: https://www.youtube.com/watch?v=VPsJU4xmsyI
[6]: https://www.youtube.com/watch?v=tW9gJK9fndc
Gemeinsame Erklärung des Forums
Die Linke hat den historischen Auftrag, die moderne Welt aus der Systemkrise zu führen, und wir betrachten uns als Teil dieses Prozesses.
Auch wenn unsere politischen Perspektiven in vielen Punkten variieren, vereint uns die entschlossene Ablehnung von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Das Linke Emigrationsforum stellt einen Schritt zur Förderung von Kooperation und Koordination dar, ohne die es keine starke linke Bewegung geben kann.
1. Die Teilnehmer des Forums sind der Meinung, dass das Forum seine Hauptaufgabe erfüllt hat, indem es linke russische, belarussische und ukrainische Emigranten aus verschiedenen Ländern zusammenbrachte und es ihnen ermöglichte, Meinungen auszutauschen, direkte Kontakte zu knüpfen oder wiederherzustellen und Positionen zu aktuellen Themen der politischen Agenda zu klären.
2. Künftige, breit angelegte Veranstaltungen sind sinnvoll, sofern sie die folgenden Grundsätze beibehalten:
- Antikriegshaltung,
- antiimperialistische Orientierung,
- demokratische Methoden in der Planung und Durchführung.
3. Die im Forum aufgebauten Kontakte sollen in geeigneter und vielfältiger Form (z.B. über Newsletter, Chats, Arbeitsgruppen) aufrechterhalten werden.
Frieden von unten
Wir, Linke aus Weißrussland, Russland und der Ukraine, sind durch das gemeinsame Verständnis der Aufgaben und Herausforderungen vereint, welche vor den Völkern unserer Länder stehen.
1. Der Krieg wird immer unpopulärer während hunderte Menschen tagtäglich sterben und zu Krüppeln werden. Die Fortsetzung dieses Blutbads kann durch keinerlei politische Konzepte gerechtfertigt werden. Ein sofortiger Waffenstillstand — das ist nicht nur eine Forderung aus humanistischen Prinzipien, das ist auch die direkte politische Forderung von Millionen von Menschen.
2. Doch die herrschenden Klassen unserer Länder sind unfähig den blutigen Krieg zu beenden, welcher vom Regime Wladimir Putins entfesselt wurde. Das betrifft nicht nur die Kreml-Oligarchen. Der Krieg wurde zum unausweichlichem Resultat der neoliberalen «regelbasierten Weltordnung», von Ungleichheit, Ausbeutung und Blockpolitik. Alle Verweise auf «universelle Werte» und «Menschenrechte» dienten als Tarnung für eine Politik imperialer Interessen.
3. Der Frieden kann nur von unten erreicht werden, durch die vereinten Anstrengungen von Millionen von Menschen gegen die Regierungen, Institute und Interessen der herrschenden Klassen. Er muss sich auf die Prinzipien des Selbstbestimmungsrechts der Völker auf der politischen, sozialen und kulturellen Ebene auf beiden Seiten der Front stützen.
4. Ein solcher demokratischer Frieden ist untrennbar mit der radikalen sozialen und politischen Demokratisierung unserer Länder verbunden. Und das Subjekt dieser Politik können nur Millionen Menschen sein, welche an der Front kämpfen und im Hinterland arbeiten. Nur sie sind wahrhaft am Frieden interessiert, an Demokratie und Gerechtigkeit.
Wir halten es für notwendig uns in einer Koalition weißrussischer, russischer und ukrainischer Linker zu vereinigen, welche es uns gemeinsam erlaubt eine Reihe aktueller Aufgaben zu stellen und zu lösen:
1. Die Vereinigung Gleichgesinnter aus den Ländern des postsowjetischen Raums sowohl vor Ort, als auch in der Emigration.
2. Das gemeinsame Formulieren und Einbringen eines Programms des demokratischen Friedens, welches es den Völkern unserer Länder gestattet im Frieden miteinander zu leben.
3. Das Initiieren einer internationalen Bewegung zur Verteidigung der Prinzipien des demokratischen Friedens, welche fähig ist auf die Politik unser Länder Einfluss zu nehmen.
4. Das Organisieren von Hilfs- und Solidaritätskampagnen mit den Linken Weißrusslands, Russlands und der Ukraine, welche unsere Prinzipien teilen.
Der Brief kann von Organisationen, Privatpersonen und anderen Vereinigungen unterschrieben werden: https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSdiQuVZULcjfeMQWFQHzoJU0H1nBAFuITi7SCGx96TV1nnwpA/viewform?usp=sharing