Krankenhausreform – eine „Revolution“?

Unter Revolution versteht man ja allgemein, dass etwas komplett umgestürzt wird, bei Gesundheitsminister Lauterbachs „Revolution“ sieht das umgekehrt aus. Er verspricht eine „Ent-Ökonomisierung“ des Krankenhauswesens. Was will er?

Von den aktuell 1.719 Krankenhäusern sollen 20%, also rund 350, innerhalb von 10 Jahren verschwinden. Real findet das bereits statt. Bis Ende September 2024 haben 14 Krankenhäuser mit 1532 Betten geschlossen. Das sind vor allem Krankenhäuser in staatlicher Hand. Es wird also eine Konzentration zugunsten der immer stärker expandierenden privaten Gesundheitskonzerne sein, die in vielen Regionen straff durchrationalisierte Krankenhausfabriken unterhalten. Das soll „Ent-Ökonomisierung“ sein? Dabei kaufen private Investoren zunehmend auch Arztpraxen auf und schließen sie zu MVZ zusammen, rationalisieren und sacken hohe Profite ein. Diese „Ent-Ökonomisierung“ führt dazu, dass immer mehr Leistungen privat gezahlt werden müssen. So wurde beispielsweise die jährliche Hautkrebskontrolle als Kassenleistung auf 2 Jahren ausgedünnt. Wer gefährdet ist und diese Kontrolle doch jährlich haben will, muss selbst zahlen. Die Zahl der privat zahlungspflichtigen Zusatzleistungen nimmt kräftig zu.

Bei den Krankenhäusern will Lauterbach nach dem in der ersten Lesung im Bundestag verabschiedeten Gesetz zur „Krankenhausreform“, dass die Fallpauschale nur noch in reduzierter Form gezahlt wird, Dafür sollen Krankenhäuser eine „Vorhaltepauschale“ für die Betten und das Personal erhalten. „Ent-Ökonomisierung“? Bei den Gesundheitskonzernen werden die Wirtschaftsabteilungen durchrechnen, wie sich auch damit der höchste Profit erzielen lässt. Da lästige Konkurrenz verschwindet, wird das auch leichter sein.

Angeblich sollen auch die Qualitätsstandards erhöht werden. Krankenhäuser dürfen nur noch festgelegte Behandlungen durchführen. Wenn dann ein Patient auftaucht, der in höchster Not ist, dessen Erkrankung aber nicht im Angebot des Krankenhauses ist, muss er weitergeschickt werden. Durch die Reduzierung werden auch die Anfahrtswege länger. Bei akuten Notfällen kann das für den Behandlungserfolg entscheidend sein. Real wird also die „Ent-Ökonomisierung“ zu mehr Komplikationen oder gar Todesfällen führen. Da die dann aber nicht in der Krankenhausstatistik des Krankenhauses, dass sie nie erreicht haben, auftauchen, wird dessen „Qualität“ weiterhin hoch sein. Mit der aufgesplitteten, fragmentierten Betrachtung des in Einzelteile zerlegten Gesundheitswesens wird eine scheinbare „Qualität“ vorgegaukelt.

Die Regierung verspricht auch, dass mit der „Krankenhausreform“ die Notfallversorgung verbessert wird. Es soll besser gelenkt werden. Einfache Fälle sollen in den Notfallpraxen, etwas schwierigere von den Rettungsdiensten und schwere Fälle in den Notaufnahmen der Krankenhäuser behandelt werden. Das sei effektiver. Und natürlich sind die Menschen an allem schuld, weil sie angeblich viel zu häufig in die Notaufnahmen der Krankenhäuser kommen und diese überlasten.

Hier nur kurz der Erlebnisbericht eines Patienten:

Als ich einen akuten Notfall hatte, wo nicht absehbar war, ob es lebensbedrohlich ist, rief ich in der Notfallpraxis an. Dort hieß es, der Arzt sei unterwegs und könne erst in 6-8 Stunden vorbeikommen. Ich solle den Rettungsdienst anrufen. Eine Weiterleitung war nicht möglich. Als ich nach langer Wartezeit endlich beim Rettungsdienst anrief, war die Antwort, man sei voll, habe keine Rettungsfahrzeuge frei. Ich solle doch ins Krankenhaus fahren. Selbst fahren ging nicht mehr. So fuhr mich jemand zum Krankenhaus in die Notaufnahme und die war – wie zu erwarten – voll. Diagnose: Akutes Nierenversagen. Sofort wurde ich an allen Wartenden ins Behandlungszimmer weiter geschoben. Zum Glück ging trotz der Odysee alles gut“

Das ist heutzutage oft die Realität. Und nun soll alles besser werden? Wie bitte? Auch hier ein Beispiel: In Baden-Württemberg wurden in den zurückliegenden Jahren von der KV, die dort die Notfallpraxen betreibt, mehrere Praxen geschlossen, weil man kein Personal habe und es sich nicht lohne. Nun sollen dort 17 weitere von aktuell 107 Notfallpraxen geschlossen werden. Das sind rund 15%! Einerseits sollen die Notfallpraxen nach der „Gesundheitsreform“ mehr Patienten behandeln und so die Versorgung „verbessern“, andererseits werden sie in großem Umfang dicht gemacht. Da die KV in Baden-Württemberg diese Notfallpraxen privatwirtschaftlich betreibt, kann sie niemand daran hindern, obwohl zahlreiche Kommunen, Landkreise, Patientenorganisationen, Ärzteverbände usw. protestieren. Das baden-württembergische Gesundheitsministerium kann „leider nichts tun“ und wäscht seine Hände in Unschuld. Eine Koordinierung und Planung gibt es nicht. Es ist ja mittlerweile alles weitgehend privatwirtschaftlich organisiert. Und der heilige Profit darf nicht angetastet werden.

Für die Beschäftigten bedeutet diese Reform:

– Mehr Patienten und damit mehr Stress bei einem industriell durch getakteten Arbeitsablauf

– Entlassungen „überflüssiger“ Kräfte und damit Druck zu niedrigeren Löhnen

– mehr Verschleiß und Gefährdung der eigenen Gesundheit

Für die Patienten bedeutet diese Reform:

– Längere Anfahrtswege und längere Wartezeiten bei Krankenhausbehandlungen

– Weitere Ökonomisierung durch Konzentration des Gesundheitswesens in den Händen privater Monopole

– Schlechtere Versorgung bei Notfällen und damit mehr Komplikationen und Todesfälle

Gegen diese „Krankenhausreform“ muss lokal, regional und in den Gewerkschaften mobilisiert werden. Wir brauchen keine „Reform“ zu Gunsten der Konzerne, sondern eine Verbesserung für die Beschäftigten und die Patienten.