Die Ankündigungen des VW-Konzerns den selbstauferlegten Sparkurs weiter drastisch zu verschärfen und vor dem Hintergrund auch das Weiterbestehen ganzer Werke in Frage zu stellen, hat in der Industriearbeiterschaft und darüber hinaus Verunsicherung hinterlassen. Dass die Konzernführung tausende Kolleginnen und Kollegen vor eine unsichere Zukunft gestellt und über Nacht gleich mehrere jahrzehntealte Tarifverträge aufgekündigt hat, stellt zugleich eine drastische Verschärfung der Angriffe auf die Beschäftigten in Deutschland dar.
Der Kurs ist kein neuer: Seit Anfang des Jahres häufen sich Meldungen wie diese aus deutschen Industriebetrieben. Besonders aus den Reihen der Automobilkonzerne und den Zuliefererbetrieben gingen in regelmäßigem Abstand Ankündigungen über umfangreichen Stellenabbau und unklare Beschäftigungsperspektive ein. Beispielsweise hatte Bosch mit der Streichung von 10.000 Stellen gedroht, 4.000 davon allein Deutschland. Daran zeigt sich, dass die Unternehmen keine Sekunde damit zögern, die stagnierende Wirtschaftslage auf die Beschäftigten abzuwälzen und den verschärften Wettbewerb auf den internationalen Märkten auf ihrem Rücken auszutragen. In vielen Betrieben wurden scharfe Sparprogramme eingeführt, die wie im Fall von VW Einsparungen in Höhe von bis zu 10 Milliarden Euro innerhalb der nächsten drei Jahre ermöglichen sollen. Die klar erklärte Absicht: Senkung der Produktionskosten zugunsten höherer Gewinne und Profitraten. Dieses Ziel gewinnt für die Kapitalseite vor allem jetzt so schnell an Dringlichkeit, weil sich die internationale Lage, und damit auch der Konkurrenzkampf zwischen Unternehmen und Konzernen überall auf der Welt, in den letzten Jahren immer rasanter verschärft. Dieser Umstand wird von Unternehmensvertretern heutzutage längst offen angesprochen. Neben günstigen Produktkosten, um die konkurrierenden Mitbewerber preislich unterbieten zu können, ist die Profitrate ein überaus wichtiges Merkmal der Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen. Die Frage danach, wie gewinnbringend Geld bei einem Konzern investiert werden kann, ist deshalb ein so entscheidender Faktor, weil er mittels der Spekulations- und Börsenmärkte einen tatsächlichen Einfluss auf zufließende Investitionssummen und etwaige Bonitätsbewertungen hat. Auch dadurch können auf den Kapitalmärkten Konkurrenten ausgebootet werden und nicht erst am Beispiel von VW zeigt sich nun, dass dies auch tatsächlich der Fall ist und mit welchen Konsequenzen dies für die Arbeiterklasse einher geht. Um die Gewinnrate des Volkswagen-Konzerns von 3,5 auf 6,5% zu erhöhen, sollen in allererster Linie die Lohn- bzw. Personalkosten gesenkt werden. Damit begann VW bereits vor mehreren Jahrzehnten, als man die Belegschaft im Rahmen des nun gekündigten Beschäftigungssicherungstarifvertrages dazu genötigt hatte, zur „Sicherung“ ihrer Arbeitsplätze auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu verzichten. Doch dabei ist VW kein Einzelfall. Auch Kolleginnen und Kollegen von ZF Saarbrücken hatte man bereits 2022 angesichts von „Standortssicherungsverhandlungen“ zum Lohnverzicht gedrängt, der dem Unternehmen pro Jahr zusätzlich 25-30 Millionen Euro in die Kasse spülen sollte. Der Erfolg dieser Maßnahme ist der gleiche wie bei VW: Etwas über 1,5 Jahre später, Mitte diesen Jahres, kündigt die Geschäftsführung den Abbau von 2.900 Arbeitsplätzen bis Ende 2026 allein in Saarbrücken an. Denn neben dem direkten Lohnverzicht der Beschäftigten ist der Abbau von Arbeitsplätzen ein weiteres Instrument der Arbeitgeber, um die Personalkosten zu senken. Damit bei sinkender Beschäftigung die Produktivität mindestens gehalten, wenn nicht weiter erhöht werden kann, braucht es dazu entweder modernerer Produktionsanlagen, welche Rationalisierungen ermöglichen, oder die Verdichtung der Arbeit für die Belegschaft. Das bedeutet Arbeitshetze oder Jobverlust.
Doch dass Lohnverzicht nicht die Antwort auf diese Drohungen der Arbeitgeber sein kann, zeigt sich nun hervorragend im Falle VW. Welchen Wert hat „Beschäftigungssicherung“, wenn sie in den Momenten, in denen die Arbeitsplätze der Kolleginnen und Kollegen ernsthaft auf dem Spiel stehen, binnen Sekunden von Konzernführungen in der Luft zerrissen werden kann? Und auch die Beschäftigten von ZF Saarbrücken müssten es heute besser wissen: Lohnverzicht rettet keine Arbeitsplätze. Im besten Fall lässt sich ein kurzzeitiger Aufschub erreichen. Zur tatsächlichen Verteidigung von Arbeitsplätzen und gleichzeitig auch guten Arbeitsbedingungen, ohne Erhöhung von Arbeitszeit oder Arbeitspensum, bleibt der Arbeiterklasse einzig der entschlossene Kampf gegen die Spar- und Profitpolitik der Arbeitgeber.
Auch wenn der Druck auf die VW-Beschäftigten angesichts der angekündigten, radikalen Maßnahmen der Konzernführung aktuell sehr groß ist, dürfen sie sich doch nicht in die Position des Bittstellers zurückdrängen lassen. Genau darauf spekuliert die Kapitalseite, wenn sie solche Drohungen ausspricht. Dabei ist es auch keineswegs Zufall, dass sie damit unmittelbar vor der ersten Verhandlungsrunde in der Metall- und Elektroindustrie und kurz vor dem Beginn der Verhandlung des Haustarifvertrages bei VW um die Ecke kommt. Jetzt heißt es, sich nicht einschüchtern zu lassen und vor allem die Perspektive des gemeinsamen, gewerkschaftlichen Kampfes gegen Stellenabbau, Lohnkürzungen und Prekarisierung aufzunehmen. Auch muss dabei klar sein, dass auch millionen- und milliardenschwere Subventionen aus Landes- oder Bundeskassen kein effektives Mittel sind, um die Pläne der Unternehmen zur Produktivitätssteigerung abzuwenden oder langfristig aufzuschieben. Auch dadurch lässt sich allerhöchsten ein kurzzeitiger Aufschub erreichen, den am Ende des Tages wieder die Arbeiterklasse mit ihren Steuergeldern zu zahlen hat.