„Sicherheitspaket“ schafft keine Sicherheit

Das sogenannte „Sicherheitspaket“ der Ampel soll angeblich eine Antwort auf den Terror in Solingen sein, die das Leben in Deutschland sicherer macht. Tatsächlich enthält es kaum ernsthafte Maßnahmen gegen Terror, sondern weitet die staatliche Überwachung aus, greift soziale Errungenschaften an und trifft vor allem Unschuldige.

 

Noch im August kündigte die Bundesregierung das „Sicherheitspaket“ an. Die Gesetze, die nötig sind, um die Maßnahmen des „Sicherheitspakets“ umzusetzen, müssen noch im Bundestag beschlossen werden – dafür wurden von der Ampel bereits Anfang September zwei Vorlagen eingebracht. Die Eile bei der Ankündigung des Pakets lässt sich leicht begründen: Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen standen bevor und die Ampel sah in dem Terroranschlag von Solingen, bei dem drei Menschen ermordet wurden, eine gute Gelegenheit, um sich als Kämpfer gegen den Terror zu inszenieren. Die Umfragewerte in Sachsen und Thüringen zeigten schon damals an, dass AfD und CDU die Wahlen haushoch gewinnen würden. Das Sicherheitspaket muss also auch als ein weiterer Versuch der Ampel verstanden werden, den Wählern zu signalisieren: Für eine härtere Hand gegen Geflüchtete braucht ihr nicht die AfD oder die CDU zu wählen – das machen wir mindestens genauso gut! Gewirkt hat das offensichtlich nicht, wie die Ergebnisse der Wahlen zeigen. Aber der Ampel gelingt es nun trotzdem, unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung Maßnahmen durchzusetzen, die zu anderen Zeitpunkten sicherlich zu mehr Widerstand geführt hätten. Denn gegen den Terror hilft das „Sicherheitspaket“ kaum, aber es ist ein Angriff auf die Grundrechte von Geflüchteten, aber auch allen weiteren Menschen in Deutschland.

 

Leistungskürzungen für Geflüchtete

Was als erstes ins Auge sticht: Die Maßnahmen betreffen in erster Linie geflüchtete Menschen in Deutschland. Der erste Stichpunkt, den die Bundesregierung auf ihrer Website zum Paket aufführt, ist die „Bekämpfung von irregulärer Migration“. Gemeint ist die Bekämpfung von Geflüchteten, denn nicht anders ist die geplante Streichung von Leistungen zu verstehen, die sogenannte „Dublin-2-Flüchtlinge“ treffen soll. Pro Asyl fasst zusammen, wer von der Regelung betroffen ist: „Ausreisepflichtige, die in einem anderen EU-Staat noch fortbestehenden internationalen Schutz […] erhalten haben. Zum anderen […] ausreisepflichtige Menschen, deren Asylantrag wegen der Zuständigkeit eines anderen Dublin-Vertragsstaats als unzulässig eingestuft und für die eine Abschiebungsanordnung erlassen wurde“. Für zwei Wochen sollen ausreisepflichtige Geflüchtete noch mit lebensnotwendigen Maßnahmen versorgt werden, danach verfällt auch dieser Anspruch. Pro Asyl fasst die dadurch geschaffene Situation folgendermaßen zusammen: „Der Staat hingegen will künftig Hunderte oder gar Tausende Menschen einfach aus betreuten Unterkünften entlassen, damit auch aus der Übersicht über deren Aufenthaltsorte, und provoziert in den Städten die sichtbare Verelendung und Verzweiflung von immer mehr obdachlosen, um ihr Überleben kämpfenden Menschen.“

Doch warum sollten Leistungskürzungen überhaupt eine Maßnahme gegen Terror darstellen? Dahinter steht die Annahme, dass Flüchtlinge durch Leistungen wie ein „Magnet“, wie es Friedrich Merz (CDU) formuliert, angezogen würden. Diese Aussage ist jedoch nicht belegt, es gibt keine bekannten Fälle, wo die Streichung von Leistungen Geflüchtete in spürbarem Ausmaß zurückgehalten hat. Die Kehrseite ist jedoch offensichtlich: Menschen landen, wie von Pro Asyl geschildert, im schlimmsten Fall auf der Straße, doch bereits in weniger schlimmen Fällen hat die Streichung von Leistungen negative Folgen. Menschen müssen arbeiten, was jedoch häufig nur illegal möglich ist, oder werden eben in die Kriminalität gezwungen. Die Chancen, einen Platz in einer Gesellschaft zu finden, die einem nicht einmal die Möglichkeit für ein menschenwürdiges Leben bietet, sind offensichtlich kaum vorhanden. Die Bildungschancen verschlechtern sich maßgeblich – und das bei einer Quote von über 50% der Flüchtlinge in Deutschland, die unter 24 Jahre alt sind. Was jedoch auch kein Zufall ist: Die Angriffe auf die Sozialleistungen von Geflüchteten sind Teil einer Reihe von Angriffen auf Sozialleistungen in Deutschland, die alle Menschen betreffen. Denn die politisch motivierte Kürzung von Leistungen trifft schon jetzt auch Deutsche, die beispielsweise Auflagen nicht erfüllen und sich ihren Anspruch auf Leistungen somit verspielt hätten. Jeder, der in Deutschland, egal aus welchem Grund, schon einmal auf Leistungen angewiesen war, weiß, wie schwierig es ist, davon zu leben und wie leicht man den Anspruch verlieren kann. Wenn heute Geflüchteten das Recht auf medizinische Versorgung oder ein Dach über dem Kopf verwehrt wird, um sie aus Deutschland rauszuekeln, wird morgen ein weiterer Angriff der FDP auf deutsche Arbeitslose verkündet, die alle nur faul seien und endlich zur Arbeit gezwungen werden müssten. Doch es ist in unser aller Interesse, dass jeder Mensch ein würdiges Leben führen kann – nicht nur, weil Arbeitslosigkeit oder Krankheit jeden von uns treffen kann, sondern auch weil Armut und Elend Menschen, egal ob geflüchtet oder nicht, in Kriminalität zwingt und das Leben für uns alle unsicherer macht. „Sicherheit“ schafft man nicht durch Verelendung.

Weitere Maßnahmen des Pakets sind der Entzug des Schutzstatus bei Reisen ins Heimatland sowie die weitere Erleichterung von Abschiebungen über die Mechanismen der EU. Die Maßnahmen greifen somit in erster Linie die Lebensbedingungen von allen Geflüchteten an. Der zugrundeliegende Verdacht ist klar: Geflüchtete machen das Leben in Deutschland zwingend unsicherer, jede abgeschobene Person erhöht die Sicherheit in Deutschland. Damit werden alle Geflüchteten in Deutschland unter Generalverdacht gestellt – ebenso Menschen, die selbst vor islamistischem Terror aus ihren Heimatländern fliehen mussten, oder Kinder und Jugendliche. In Zeiten, in denen rassistische Angriffe überall zunehmen und die Parteien sich im Wahlkampf mit menschenfeindlichen Regelungen überbieten, ist so ein Paket nicht nur ein Generalangriff auf Geflüchtete, sondern trägt nur dazu bei, den Rassismus und die Spaltung zu befeuern. Auf den menschenfeindlichen islamistischen Terror wird mit menschenfeindlichen Angriffen auf Geflüchtete reagiert – diese werden zum Spielball der Politik. Diese aufgeheizte Stimmung schafft vieles, jedoch keine Sicherheit.

 

Ausbau der Überwachung

Der zweite große, in den Medien jedoch kaum behandelte Punkt des Pakets ist der Ausbau der Rechte der Polizei zur Überwachung. Einerseits soll das Messerverbot erheblich ausgeweitet werden und dazu das Bundespolizeigesetz geändert werden, um der Polizei zu erlauben, stichprobenartige und verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen. Realistischerweise glaubt niemand, dass dadurch tatsächlich Straftaten von vornherein verhindert werden können – diese würden nämlich den gesamten Alltag durchziehen und enorm einschränken. Doch wir wissen, dass diese Maßnahmen nicht nur nicht helfen, sondern sogar schaden: Wird doch in den Innenstädten seit Jahren immer wieder festgestellt, dass rassistisch motivierte Kontrollen vor allem migrantische Jugendliche unter Generalverdacht stellen. Diese Befugnisse jetzt auszuweiten und der Polizei zu erlauben, umso mehr zu kontrollieren, wird diese Zustände nur befeuern und immer mehr Frust hervorrufen.

Doch nicht nur die Ausweitung von Kontrollen ist ein Problem: Vor allem der Ausbau der Überwachung wird von Datenschutzexperten enorm kritisiert: „Wer irgendwelche biometrischen Spuren im Internet hinterlässt, wird künftig davon ausgehen müssen, dass diese Daten gegen ihn verwendet werden […]“, sagt Tom Jennissen von der Digitalen Gesellschaft gegenüber netzpolitik.org. Und tatsächlich: Daten aus dem Internet, sei es TikTok oder Instagram, sollen jetzt mithilfe von Künstlicher Intelligenz ausgewertet und in Gesichtserkennungsprogrammen ausgewertet und gespeichert werden. Somit wird in Zukunft eine flächendeckende biometrische Überwachung in Deutschland ermöglicht, durch die anlasslos Daten der gesamten Bevölkerung gespeichert werden können. Diese Maßnahmen sind jedoch auch kein neuer Vorschlag – seit Jahren sehen wir, wie in verschiedenen Bundesländern neue Polizeigesetze verabschiedet werden, die die Überwachung und die Rechte der Polizei ausbauen. Auch hier macht die Regierung durch das „Sicherheitspaket“ einen neuen Schritt – doch es bleibt fraglich, wer durch diese flächendeckende Überwachung oder auch die Polizei wirklich geschützt werden soll. Vielmehr sehen wir, wie diese Befugnisse zum Beispiel gegen politische Organisationen eingesetzt werden, die immer schärfer überwacht werden. In Zeiten, in denen die allgemeine Meinungs- und Versammlungsfreiheit, zum Beispiel in Bezug auf Palästina, eingeschränkt wird, muss diese Ausweitung als ein weiterer Angriff gegen uns alle betrachtet werden.

 

Wo bleibt der Aufschrei?

Anfang des Jahres gingen hunderttausende Menschen im ganzen Land auf die Straße, um gegen die „Remigrationspläne“ der AfD zu protestieren. Jetzt sehen wir, wie ein Terroranschlag genutzt wird, um den Generalverdacht gegen Geflüchtete sowie die Überwachung erheblich auszubauen – und es finden kaum Proteste statt, denn es sind genau die Parteien, die noch Anfang des Jahres die Brandmauer gegen rechts sein wollten, die diese Maßnahmen nun durchsetzen. Umso wichtiger ist es, diese Maßnahmen nicht hinzunehmen, sondern aufzudecken, wie unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung unsere Grundrechte angegriffen werden und den Protest dagegen zu organisieren. Die Regierung sorgt mit ihrer Politik der Verarmung, Spaltung und Kriegstreiberei nicht für Sicherheit. Im Gegenteil, ohne unser Einschreiten wird sie eine immer weitere Eskalation der Gewalt hervorbringen, die kein Maßnahmenpaket verhindern kann.